Mit Digitallabor die Zukunft proben: Boehringer Ingelheim will sich stärker auf die Entwicklung innovativer digitaler Technologien einlassen und gründete deshalb das "BI X". Wir sprachen mit dem CIO über die Hintergründe.

Immer mehr große Firmen, darunter auch Pharmaunternehmen, gründen Digitallabore. Ein Digitallabor dient als Ideenschmiede für die digitale Zukunft. Es soll Innovationen vorantreiben und neue Geschäftsmodelle finden. Welche Bedeutung die Digilabs für ein Unternehmen haben und warum dafür neues Personal eingestellt werden muss, erklärt Michael Schmelmer, CIO bei Boehringer Ingelheim und Leiter des digitalen Labors BI X, das das Pharmaunternehmen seit Anfang Juli betreibt. Health Relations: Boehringer Ingelheim betreibt mit der neuen Tochtergesellschaft ein eigenes Digitallabor. Wie kam es zur Gründung?Michael Schmelmer: Das Thema Digitalisierung ist für Boehringer Ingelheim von strategischer Bedeutung und wird uns ermöglichen, unseren Patienten künftig noch bessere Behandlungsoptionen anzubieten. Unser Ziel ist es, die Expertise eines global forschenden Unternehmens mit Technologieexpertise zu vereinen und dieses neu gewonnene Wissen nachhaltig in die Stammorganisation zu integrieren. Wir sehen hier ein starkes Weiterentwicklungspotenzial für die gesamte Organisation im Sinne unserer Kunden. Health Relations: Was erwarten Sie von dem Digitallabor?Michael Schmelmer: Das Digitallabor konzentriert sich auf die Entwicklung innovativer digitaler Technologien; dabei kommen neben anderen Data-Science-Methoden Hardware-Integration und App-Entwicklungen zum Einsatz. Das Start-up arbeitet eng mit den drei Geschäftsgebieten des Unternehmens – Humanpharma, Tiergesundheit und Biopharmazeutika – zusammen, um gemeinsam digitale Lösungen, wie zum Beispiel Prototypen für neue Produkte im Gesundheitssektor zu liefern. Diese fachübergreifende Zusammenarbeit ist die Basis, um einen detaillierten Einblick in die geschäftlichen Zusammenhänge, Ziele und Herausforderungen unserer Kunden zu gewinnen. Als von der Muttergesellschaft unabhängiges Unternehmen wird BI X dabei stark von den Freiheiten eines Start-ups und der Stärke eines weltweit führenden Pharmaunternehmens profitieren. Health Relations: Welche Geschäftsstrategie verfolgen Sie mit dem Digitallabor?Michael Schmelmer: Wir sehen die Digitalisierungswelle als Chance für das Unternehmen und nutzen die neuen Technologien und Methoden für unsere Arbeit und unsere Produkte. Wir haben uns das Ziel gesetzt, ein führendes Unternehmen im Bereich digitaler Gesundheitsleistungen zu werden.Wir haben uns das Ziel gesetzt, ein führendes Unternehmen im Bereich digitaler Gesundheitsleistungen zu werden. Diese digitale Transformation wollen wir mit Hilfe vieler unterschiedlicher Initiativen in allen Geschäftsbereichen voranbringen – BI X wird diesen Prozess des Wandels noch weiter beschleunigen. Boehringer Ingelheim startet mit Digitallabor in die ZukunftHealth Relations: Sie wollen 50 neue Arbeitsplätze schaffen. Welche Mitarbeiter brauchen Sie?Michael Schmelmer: Wir brauchen einerseits versierte Digitalisierungsexperten, die das fachliche Branchen- und Digitalisierungswissen mitbringen. Andererseits brauchen wir Vordenker, die die nötige Leidenschaft mitbringen, um Projekte und Visionen mit der nötigen Überzeugung umzusetzen. Das können sowohl smarte und kreative Berufseinsteiger als auch erfahrene Professionals sein. Ganz konkret suchen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit starken digitalen Profilen – insbesondere aus den Bereichen Development, UX Design, Data Science und Scrum Master.
Die digitale Transformation macht auch vor Pharma nicht halt
Health Relations: Werden Berufe aus dem IT-Bereich für Pharmaunternehmen künftig immer wichtiger?Michael Schmelmer: Auf jeden Fall! Die digitale Transformation macht auch vor Pharma nicht halt, und wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Themen vorantreiben, um unseren Patienten in Zukunft noch besser helfen zu können. Gleichzeitig werden viele bestehende Berufsprofile immer digitaler, und wir müssen dafür sorgen, dass auch unsere heutigen Kolleginnen und Kollegen sich entsprechend weiterentwickeln. Health Relations: Was bedeutet das für Ihre Personalbeschaffung?Michael Schmelmer: Da die meisten Firmen vor ähnlichen Herausforderungen im digitalen Umfeld stehen, herrscht eine große Konkurrenz um die besten Köpfe. Wir stellen uns auf diese neue Zielgruppe ein und schaffen nicht nur eine flexible, attraktive Arbeitsumgebung, die Innovation ermöglicht, sondern bewegen uns auch auf anderen digitalen Kanälen und Konferenzen. So wollen wir entsprechende Talente auf uns aufmerksam machen. Unsere Kandidatenansprache und den Rekrutierungsprozess haben wir ebenfalls deutlich angepasst. Unser Vorteil ist, dass wir gemeinsam mit BI X an Lösungen arbeiten wollen, die das Leben von Patienten verbessern können und somit auch ethisch sind und Werte schaffen. Damit können wir überzeugen. Health Relations: Erfordert die zunehmende Digitalisierung ein Umdenken der Pharmafirmen in Bezug auf ihre Angebote? Müssen sie sich stärker weg von der reinen Arzneimittelherstellung bewegen?Michael Schmelmer: Ja, das müssen wir. Digitalisierung verändert sowohl unser aller Leben als auch alle Wirtschaftszweige. Das geht also weit über die Pharmabranche hinaus. Als Spitzenindustrie sind wir in diesem Prozess besonders gefordert. Gleichwohl bieten sich uns besonders vielversprechende Möglichkeiten. Unsere Leistungen für unsere Kunden, das heißt für Patienten, aber auch für die Gesundheitssysteme, werden sich mit dieser Entwicklung noch weiter verbessern und vielfältiger werden. Health Relations: Falls ja, wo geht die Reise hin? Wie sehen zukunftsfähige Gesundheitsleistungen von Pharmaunternehmen aus?Michael Schmelmer: Wir können in allen Bereichen unserer Wertschöpfung, angefangen bei der ganz frühen Suche nach zukünftigen Behandlungsmöglichkeiten bis hin zu der Nutzung unserer Produkte durch den Arzt oder den Patienten, ansetzen. Ein gutes Beispiel ist der Einsatz von Technologie zur Unterstützung der Patienten, die Medikation regelmäßig und entsprechend der Verschreibung einzunehmen. Das kann zukünftig vielleicht ein Inhalator sein, der mit Sensoren die Therapietreue überwacht und bei Bedarf den Patienten eine Erinnerung aufs Handy schickt. Wir haben viele Ideen, und mit der richtigen Mannschaft an Bord werden wir für unsere Kunden viel erreichen. Michael Schmelmer leitet als CIO bei Boehringer Ingelheim auch das Digitallabor.Michael Schmelmer verantwortet seit 2012 als Corporate Senior Vice President und CIO bei Boehringer Ingelheim die Corporate Division Information Systems. Vorher war er fünfeinhalb Jahre lang CIO bei Infineon.      
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