Künstliche Intelligenz hat mittlerweile viele Einsatzfelder in der Gesundheitsbranche. Diese reichen von der Datenanalyse bis hin zu Patientenlösungen. Auch das Pharmaunternehmen MSD Sharp & Dohme greift in zahlreichen Bereichen auf die digitale Technologie zurück. Zwei neue KI-Projekte im Bereich Medical Information und Onkologie sind kürzlich gestartet.
Seit Dezember letzten Jahres unterstützt eine Künstliche Intelligenz am MSD-Unternehmensstandort in München die Dokumentation im Bereich Medical Information. Für das Team von Kirsten Horrmann ist das eine enorme Erleichterung und „sorgt am Ende auch für eine
bessere Arztkommunikation“, sagt die Managerin Scientific Information. Ihr Bereich stellt medizinisch-wissenschaftliche Informationen zu Arzneimitteln zur Verfügung und dient der Sicherstellung von deren sachgerechtem Einsatz.
So funktioniert KI im Bereich Medical Information
Kirsten Horrmann, Managerin Scientific Information bei MSD Deutschland. © MSD
Früher war es die Aufgabe eines Mitarbeitenden, die per E-Mail oder Kontaktformular hereinkommenden
Anfragen von Ärzt:innen oder Apotheker:innen zu bearbeiten. Jetzt übernimmt ein selbstlernendes System die erste Zuordnung und Dokumentation. Der Algorithmus filtert das Produkt und die Kategorie heraus, auf die sich die Nachricht bezieht. Darüber hinaus ermittelt er, ob es sich um eine schwierige oder leichte Anfrage handelt. „So können wir schneller den richtigen Ansprechpartner finden. Wir wissen, ob es dafür einen Experten oder eine Expertin braucht oder die Frage vielleicht sogar in eine ganz andere Abteilung gehört“, erklärt Kirsten Horrmann.
Manchmal geht es dabei um Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Ein anderes Mal kommt die Frage auf, ob ein Therapiezyklus fortgesetzt werden kann, wenn eine Patientin ein Arzneimittel in der Reihe nicht verträgt. Oder eine Ärztin interessiert sich für neueste Studienergebnisse, die auf einem Kongress vorgestellt wurden.
Das Medical Information-Team erhält binnen Sekunden
von der KI ein bearbeitetes Protokoll inklusive Lösungsvorschlag, beispielsweise in Form einer passenden Studie. Diese kann der passende Mitarbeiter dann umgehend an die Ärztin versenden. Am Beispiel der Kongressanfragen sehe man auch, wie schnell die KI mitlernt. Denn die Daten sind auch für den Algorithmus erst einmal neu, der Kongresszeitraum mit zwei bis vier Wochen kurz getaktet.
KI erspart Arbeit und macht die Beschäftigten glücklicher
„Mit der KI wird uns ganz viel Dokumentationsarbeit erspart“, sagt Kirsten Horrmann. „Und unsere Mitarbeiter sind viel, viel glücklicher mit dieser Lösung.“ Häufig seien Menschen sehr zurückhaltend und skeptisch, wenn es um den Einsatz von KI geht. Aber hier habe das maschinelle Lernen schnell dafür gesorgt, dass sich alle Teammitglieder auf ihre eigentliche Aufgabe und den Kunden konzentrieren können.
„Mit der KI wird uns ganz viel Dokumentationsarbeit erspart.“
Konkret heißt das: Die Ärzt:innen, Naturwissenschaftler:innen und Apotheker:innen im Medical Information-Team bei MSD
gewinnen Zeit durch die Auslagerung lästiger Administrativ-Tätigkeiten. Dadurch können sie sich noch intensiver auf die Kommunikation mit der Ärztin oder dem Apotheker konzentrieren. „Unsere Mitarbeitenden sind entspannter und das merkt auch der Arzt oder die Ärztin in den Gesprächen“, davon ist die Abteilungsleiterin überzeugt.
Im Oktober wurde die KI installiert, im Dezember der Go-live
Von der Ideenfindung bis zur Umsetzung der KI-Technologie hat es nur wenige Monate gebraucht. In engem Austausch mit dem Unternehmen Salesforce kam vergangenen Sommer der Impuls, mit KI die Dokumentationsarbeit in der Medical Information zu erleichtern. Die Out-of-the-box-Lösung von Salesforce wurde im Oktober 2021 implementiert, trainiert und ging Anfang Dezember live.
Die Testphase stoppte Kirsten Horrmann nach ein paar Wochen. Mit veralteten Testdaten zu lernen, brachte die Künstliche Intelligenz – nach Meinung des Teams – nicht weiter.
Zwar läuft die Anwendung am Ende immer noch über ein Sicherheitsnetz aus Mitarbeitenden. „Aber anstatt zehn Felder auszufüllen, drücken diese jetzt einfach nur noch auf einen Knopf und bestätigen die Angaben“, erklärt Kirsten Horrmann.
Learning: Interne Prozesse teilweise zu aufgebauscht
Als nächsten Schritt ist geplant, eine weitere Abteilung zu involvieren. Dann muss der Algorithmus noch weitere neue Datensätze verarbeiten, bis irgendwann – voraussichtlich im Sommer – der letzte „Knopfdruck“ abgeschaltet werden soll. „So tasten wir uns in der Live-Umgebung Schritt für Schritt an die finale Lösung heran“, sagt die Managerin Scientific Information.
Ein großes Learning hat das Team durch die Umstellung bereits mitgenommen: „Unsere internen Prozesse erscheinen uns jetzt teilweise zu aufgebauscht.“ Dass man es gar nicht immer so kompliziert machen müsse, sondern es auch einfacher geht, habe die KI klar gezeigt.
Die ersten Feldversuche in dem neuen Anwendungsbereich geht die Abteilung von vornherein agil an. In Slots von vier Wochen werden neue Erkenntnisse direkt eingearbeitet.
Start-up-Kooperation für KI-Anwendung im Bereich Onkologie
Jutta Klauer, Associate Director Strategic Digital Partnerships bei MSD Deutschland. © MSD
Schlaue Algorithmen werden in vielen Bereichen bei MSD eingesetzt. Ein weiteres neues Projekt ist die
deutsche Kooperation mit dem finnischen App-Hersteller Kaiku Health® im Bereich der Onkologie.
Im Rahmen einer nicht-interventionellen klinischen Pilotstudie sollen Patient:innen während ihrer Immuntherapie bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) einen besseren Zugang zu einer personalisierten
digitalen Therapiebegleitung erhalten.
Dazu geben die Lungenkrebspatient:innen ihren Gesundheitsstatus engmaschig in die
KI-gestützte App ein. Die Daten werden von einem Algorithmus mitgelesen. „In bestimmten Situationen schlägt dieser sofort Alarm und weist den Arzt bzw. Patienten auf mögliche Handlungsfelder hin. Das funktioniert bis hin zur direkten Kontaktaufnahme, um proaktiv und individuell die Behandlung anzupassen“, sagt Jutta Klauer, zuständig für
strategische Digitalpartnerschaften bei MSD Deutschland. „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Symptome ungewöhnlich häufig oder in einer bestimmten Konstellation auftreten.“
Zwei Jahre von der Anbietersuche bis zur Umsetzung
Seit Dezember 2021 wird das Projekt an bis zu zehn verschiedenen Studienzentren in Deutschland ausgerollt und die Nutzung der App seitens Ärzt:innen und Patient:innen evaluiert. Anders als bei dem im Bereich Medical Information eingesetzten Algorithmus kann hier nicht auf bereits existierende Datensätze zurückgegriffen werden.
„Man muss sich sowohl von Seiten des Unternehmens als auch des Start-ups auf viel Experimentieren und Abstimmen einlassen, bis man die passende Lösung gefunden hat.“
Mit dem Wunsch, durch Künstliche Intelligenz bessere Therapieerfolge zu schaffen, begann das Pharmaunternehmen 2020 mit der Suche nach einem geeigneten Anbieter. „Und das ist nicht immer leicht“, sagt Jutta Klauer. „Man muss sich sowohl vonseiten des Unternehmens als auch des Start-ups auf viel Experimentieren und Abstimmen einlassen, bis man die passende Lösung gefunden hat. Es ist ein Herantasten“, sagt die Associate Director Strategic Digital Partnerships.
Für Start-ups seien diese langwierigen Prozesse nicht immer nachvollziehbar, mit Kaiku Health® habe das Unternehmen allerdings einen verständigen Partner gefunden. Im Laufe des Jahres rechnet das Projektteam mit ersten Ergebnissen.
Wichtig bei der Nutzung von KI sei aber vor allem, „dass man sich einfach mal herantraut“, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern oder Prozesse einfacher zu machen. Da sind sich die beiden Mitarbeiterinnen einig. „Auch dann, wenn am Anfang nicht klar ist, wie groß der Nutzen am Ende ist.“