Über ein effizientes Customer Experience Management wollen Pharmaunternehmen die Interaktion mit Ärzt:innen verbessern. Worauf kommt es an? Auf einen wiedererkennbaren Fußabdruck, eine bessere KI-gestützte Datenanalyse und eine agilere Marketingplanung, sagen Susanne Uhlmann und David Pistor, Healthcare-Experten bei Deloitte.
Ist der Besuch eines Pharmareferenten erfolgreicher in der Kommunikation mit einer Ärztin als eine digitale Veranstaltung? Genau das versuchen Pharmaunternehmen über viele Wege herauszufinden. Während Geschäftsmodelle früher ausschließlich produktzentriert ausgerichtet waren, rückt heute mehr und mehr die
Customer Experience (CX) in den Fokus der Healthcare-Branche.
Unternehmen orientieren sich zunehmend an den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Zielgruppen, stellen sich serviceorientierter auf und wollen gute Erfahrungen für Ärzt:innen und Patient:innen schaffen.
David Pistor, Direktor Strategie bei dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte, © Deloitte
Kundenkontaktpunkte gibt es allerdings inzwischen einige. Pandemiebedingt haben die meisten Pharmaunternehmen etwa ihre digitale Kommunikation stark ausgebaut. „Die Herausforderung ist nun, diese
Maßnahmen in ein hybrides Modell zu überführen und einen orchestrierten Austausch, etwa mit den Healthcare Professionals (HCP), herzustellen“, sagt David Pistor, Direktor Strategie bei dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.
Die Flut an Informationen mache es dabei noch schwieriger: „Denn schließlich steht eine Ärztin nicht nur im Fokus der Omnichannel-Aktivitäten eines einzigen Pharmaunternehmens. Zahlreiche andere Unternehmen buhlen um die Aufmerksamkeit der Mediziner“, so der Unternehmensberater.
Ein Branchenexkurs: Von Hotels zu Ärzt:innen
Wenn Pharmaunternehmen ihre Customer Experience verbessern möchten, müssten sie daher viel stärker in das Verständnis einer
differenzierten Ärzte-Journey investieren. Sprich: Die Verhaltensweisen der Zielgruppe analysieren und in prädiktive Modelle gießen.
„Möchte ich Hotels miteinander vergleichen, klicke ich mich nicht durch jede Hotel-Website. Sondern ich suche mir eine Plattform, die mir einen Überblick bietet.“
„Häufig denken Pharmafirmen immer noch sehr stark aus Produktsicht. Das
Mindset für ein ausgeprägtes Kundenverständnis fehlt vielfach“, sagt David Pistor. Dazu bemüht er gern einen Branchenexkurs: „Möchte ich beispielsweise Hotels miteinander vergleichen, klicke ich mich nicht durch jede Hotel-Website, sondern ich suche mir eine Plattform, die mir einen Überblick bietet.“
Auf die Customer Experience der Ärzt:innen übertragen heißt das: Nur wenn Pharmaunternehmen sich in die Informationssuche des HCP bestmöglich integrieren, finden sie Gehör. Dazu gehört etwa die Offenheit,
nicht nur über eigene Kanäle zu gehen. „Es gibt
Plattformen, über die sich Ärzte viel lieber informieren.“ Häufig sei das außerhalb der Sprechstunde der Fall. In der Mittagszeit oder am Abend. Hier komme es auf gute On-Demand-Angebote an. „Über Industrie-Websites gehen Ärzte und Ärztinnen dann seltener“, so David Pistor.
CX braucht viel Invest in die Datenanalyse
Susanne Uhlmann, Partnerin bei Deloitte und Life Sciences Lead. © Deloitte
Voraussetzung für ein solches Zielgruppenverständnis ist eine gute Datenbasis. Das ist auch für Susanne Uhlmann, Partnerin bei Deloitte, das entscheidende Erfolgskriterium, um die „Next Best Action“ – wie sie sagt – zu bestimmen. Bei diesem Marketingansatz werden aufgrund von Erfahrungswerten mehrere verschiedene Aktionen berücksichtigt, die für einen bestimmten Kunden bzw. eine Kundin ergriffen werden könnten, um sich dann für die beste zu entscheiden.
Aber was genau ist die beste Maßnahme? Was ist der richtige Content und der richtige Kanal? Welcher Zeitpunkt ist optimal? „Um genau das messbar zu machen, fließt derzeit
viel Invest in die Datenanalyse“, sagt Susanne Uhlmann. E-Mail-Zugriffe, Verweildauer und Content-Besuche auf Landingpages oder die Öffnungsrate von Newslettern – all das wird erfasst. Häufig werden dafür auch
KI-gestützte Systeme eingesetzt. Denn Schnelligkeit und Timing sind ebenso entscheidend, wenn eine Maßnahme Erfolg haben soll.
„Die KI-gestützte Datenanalyse ist noch ausbaufähig.“
Zwar sei Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in der Datenanalyse noch nicht so weit. Aber auch hierzulande gebe es interessante Bewegungen in diese Richtung. „Derzeit werden beispielsweise Plattformen entwickelt, auf denen – anonymisiert – bestimmte Verhaltensweisen während der Verschreibung gesammelt und ausgewertet werden. „Pharmaunternehmen gewinnen so ein besseres Verständnis, wie die verschreibende Person in einer Entscheidungssituation agiert“, erklärt Susanne Uhlmann. Denn wissen Arzneimittelhersteller um die Gründe, die Ärzt:innen davon abhalten, ein bestimmtes Medikament zu verschreiben, können sie bessere Überzeugungsarbeit leisten.
Marketing- und Vertriebsaktivitäten müssen agiler werden
Weiteren Entwicklungsbedarf in der Pharma-Branche sieht die Unternehmensberaterin in der optimalen Steuerung der relevanten Kommunikationskanäle. Hierzu gehöre zum einen ein
agileres Vorgehen. „Wir sehen in vielen Pharmaunternehmen noch eine sehr starre Planung, was Marketing und Vertrieb angeht, oft mit ein bis fünf Jahren Vorlaufzeit. Änderungen sind dann nur ein- bis zweimal im Jahr möglich“, so Susanne Uhlmann. Auch Banken haben einen engen regulatorischen Rahmen, seien dennoch weiter, was die Agilität angeht.
Den
Einsatz von Künstlicher Intelligenz sieht sie als Motor, um ein flexibleres Handeln in der Branche zu fördern. Denn die selbstlernenden Systeme und die immer bessere Datenlage zeige die Notwendigkeit, Maßnahmen schnell an die Präferenzen der Zielgruppen anzupassen und zu ändern.
Ein „wiedererkennbarer Fußabdruck“ für die Customer Experience
Was häufig in den Unternehmen auch nicht klar geregelt sei, ist die
Frage der Zuständigkeit, so David Pistor. Heißt: Wer orchestriert die Bespielung der Kanäle Richtung Kunde? Macht das die Pharmareferentin oder eine Kombination aus Mensch und Technologie oder der eRep? Gemeint hiermit ist speziell geschultes Personal, das den telefonischen und digitalen Kontakt übernimmt.
„Pharmaunternehmen sollten daran arbeiten, einen unternehmenseigenen wiedererkennbaren Fußabdruck in ihre Interaktionsmuster mit Kunden zu packen.“
Unabhängig von dem einen Außendienstler, der die ihm zugeordnete Ärztin regelmäßig besucht, sollten Pharmaunternehmen daran arbeiten, einen unternehmenseigenen wiedererkennbaren Fußabdruck in ihre Interaktionsmuster mit Kunden zu packen. Um bei dem Branchenexkurs in den Tourismus zu bleiben: „Egal, auf welcher Seite der Welt ich eine Hotelkette besuche, ich erkenne dahinter dieselbe Brand“, erklärt der Berater. „Ich habe dasselbe Gefühl, wenn ich mit der Marke in Kontakt komme.“
Hier könne Pharma noch viel von anderen Industrien lernen und
eine echte Beziehung zwischen Unternehmen und Zielgruppe schaffen. „Die Anfänge sind gemacht, aber es gibt noch viel zu tun“, so David Pistor.