Digitale Transformation im Pharma-Mittelstand: Herausforderungen und Lösungen
Alexandra Pries: Die Pharmabranche umfasst ganz viele Bereiche. Forschung und Entwicklung, Produktion, Vermarktung und Vertrieb, das alles sind sehr unterschiedliche Felder. Wenn man sich die Branche ganzheitlich anschaut, dann denke ich sind wir ganz klar im Mittelfeld – mit unterschiedlicher Ausprägung.
Health Relations: OK, schauen wir auf den Mittelstand im Pharmamarketing, auf den Sie sich auch in Ihrem Vortrag auf dem diesjährigen MESH Camp in Berlin am 23. September konzentrieren werden. Wie schaut es da aus?Alexandra Pries: Bei Vermarktung und im Vertrieb sind wir inzwischen mit der Digitalisierung schon ganz gut vorangekommen. Es gibt sehr viele Angebote in Form von Webseiten und Newslettern, spannende Online Trainings und Services inklusive AR und VR, sowie geschlossene Online-Communities. Es kommt keiner mehr ohne digitale Kommunikation aus. Nichtsdestotrotz entscheidet über Wohl und Wehe immer die gleiche Frage, egal über welche Art von Kommunikation man zum Kunden gelangt: Ist die Information oder das Angebot das, was der Kunde braucht – in genau diesem Moment? Mit dieser kundenzentrierten Fragestellung eröffnen sich andere Horizonte und Lösungen. Nur wenn ich tatsächlich auch den Alltag und die Abläufe meines Kunden optimiere und einen Service anbiete, der ihm einen Mehrwert bringt, wird er erfolgreich sein. Das gilt für traditionelle Maßnahmen genauso wie für die digitalen Kanäle. Wir haben es in den letzten Monaten während Corona alle erlebt: Der Nutzen digitaler Tools wie Video-Calls oder Telemedizin ist tatsächlich erst jetzt während der Kontakteinschränkungen akzeptiert worden. Hier gibt es inzwischen ein wirklich gutes Angebot in einer stabilen Qualität, das gerne genutzt wird. Das wird auch nicht mehr verschwinden, weil der Benefit klar ist. Ärzte werden digitale Tools nutzen, wenn sie einen Mehrwert bringen.
Health Relations: Sie haben es ja gerade eben selbst gesagt: die Corona-Pandemie hat einiges beschleunigt, eine gewisse Notwendigkeit erzeugt, sich mit digitalen Tools zu beschäftigen. Nun sind Ärzte in ihrem Alltag eng getaktet, die Zeit für die Beschäftigung mit neuen Tools fehlt oftmals – gerade, wenn kein Druck da ist, es tun zu müssen. Warum ändern, was bisher immer funktionierte, mag die eine oder der andere sich zudem denken. Wäre es dann nicht die Aufgabe eines Pharmaunternehmens, den Mehrwert von Tools zu zeigen?Alexandra Pries: Natürlich müssen Sie auch für digitale Angebote eine Awareness erzeugen und Interesse erregen. Wenn das neue Angebot keinen Nutzen hat und keinen Benefit für Arzt oder Patient bietet, dann wird es nicht erfolgreich sein. Ich kenne keinen HCP, der kein Smartphone hat und nicht gerne die vielen Vorteile, die daraus entstehen nutzt. Und trotzdem liegt bei vielen auch noch eine Tages- oder Fachzeitung auf dem Tisch. Ich glaube, essenziell ist, ist, dass wir zum richtigen Zeitpunkt an Ort und Stelle sind, um im Moment of Need die gewünschte Information anzubieten. Vollkommen egal, ob während der Sprechstunde oder um Mitternacht. Also HCPs jederzeit on Demand die richtigen Informationen im geeigneten Format anbieten zu können, das ist eine Grundvoraussetzung und die Herausforderung, die wir immer schon hatten. Die Digitalisierung bringt uns nun die Möglichkeit hier besser zu werden. Mit der Analyse des Nutzerverhaltens unserer Angebote gewinnen wir zunehmend Klarheit und öffnen weitere Möglichkeiten, um die bereits vorhandenen Services zu verbessern und weitere Bedürfnisse zu identifizieren. Health Relations: Um das noch einmal herauszuarbeiten: Ist der Mittelstand in der Pharmabranche in Sachen Digitalisierung anders aufgestellt oder steht vor anderen Herausforderungen in diesem Kontext als zum Beispiel Big Pharma?Alexandra Pries: Ich glaube, die Herausforderungen für den Mittelstand oder generell kleinere Unternehmen sind vielfältig. Zum einen ist noch nicht in jeder Firma ein ausgeprägtes Bewusstsein für Transformation und Wandel zu finden. Nicht jedes stabil laufende Unternehmen erkennt gleich für sich den kurz- bis mittelfristigen Benefit der Veränderung. Wenn der Need erkannt ist, geht es darum eine geeignete Vision und Strategie zu entwickeln, die Mitarbeiter motiviert an dem Prozess zu beteiligen und sie in den notwendigen Kompetenzen weiter zu entwickeln. Das geht häufig nicht nebenbei. Und überall kann es passieren, dass sie Mitarbeiter auf diesem Weg verlieren. In einem kleineren Unternehmen kann das sehr schnell persönlich werden, da hier im Allgemeinen weniger Alternativen zur Verfügung stehen als in einem Konzern. Zum anderen ist es der Zugang zum Know-how. In einem Konzern ist der Zugang zu den Ressourcen häufig einfacher. Von Kooperationen mit globalen Technologie-Anbietern über international zusammen gestellte Core-Teams hin zur wirtschaftlichen Skalierung der erfolgreichen Pilotprojekte. Die Transformationsobjekte im Mittelstand werden meist von deutlich kleineren Teams geschultert.
Health Relations: Frau Pries, auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (sehr gut), wie würden Sie den Status quo der digitalen Transformation in der Pharmabranche beziffern?Mesh Camp 21
Am 23. September 2021 findet im Berliner Nåpoleon Komplex das MESH Camp 2021 statt. Die Veranstaltung widmet sich dem Thema digitale Transformation im Healthcare-Sektor, will spannende Lageberichte, Projektskizzen aus dem Maschinenraum der Digitalisierung, aktuelle Trends und Innovationsimpulse geben. Zu den namhaften Speakern zählt auch Dr. Alexandra Pries, die über die Herausforderungen der digitalen Transformation für den Pharma-Mittelstand berichten wird. Die Veranstaltung wird ausgerichtet von der antwerpes ag, Health Relations begleitet die Veranstaltung als Medienpartner.Health Relations: Sie haben es ja gerade eben selbst gesagt: die Corona-Pandemie hat einiges beschleunigt, eine gewisse Notwendigkeit erzeugt, sich mit digitalen Tools zu beschäftigen. Nun sind Ärzte in ihrem Alltag eng getaktet, die Zeit für die Beschäftigung mit neuen Tools fehlt oftmals – gerade, wenn kein Druck da ist, es tun zu müssen. Warum ändern, was bisher immer funktionierte, mag die eine oder der andere sich zudem denken. Wäre es dann nicht die Aufgabe eines Pharmaunternehmens, den Mehrwert von Tools zu zeigen?Alexandra Pries: Natürlich müssen Sie auch für digitale Angebote eine Awareness erzeugen und Interesse erregen. Wenn das neue Angebot keinen Nutzen hat und keinen Benefit für Arzt oder Patient bietet, dann wird es nicht erfolgreich sein. Ich kenne keinen HCP, der kein Smartphone hat und nicht gerne die vielen Vorteile, die daraus entstehen nutzt. Und trotzdem liegt bei vielen auch noch eine Tages- oder Fachzeitung auf dem Tisch. Ich glaube, essenziell ist, ist, dass wir zum richtigen Zeitpunkt an Ort und Stelle sind, um im Moment of Need die gewünschte Information anzubieten. Vollkommen egal, ob während der Sprechstunde oder um Mitternacht. Also HCPs jederzeit on Demand die richtigen Informationen im geeigneten Format anbieten zu können, das ist eine Grundvoraussetzung und die Herausforderung, die wir immer schon hatten. Die Digitalisierung bringt uns nun die Möglichkeit hier besser zu werden. Mit der Analyse des Nutzerverhaltens unserer Angebote gewinnen wir zunehmend Klarheit und öffnen weitere Möglichkeiten, um die bereits vorhandenen Services zu verbessern und weitere Bedürfnisse zu identifizieren. Health Relations: Um das noch einmal herauszuarbeiten: Ist der Mittelstand in der Pharmabranche in Sachen Digitalisierung anders aufgestellt oder steht vor anderen Herausforderungen in diesem Kontext als zum Beispiel Big Pharma?Alexandra Pries: Ich glaube, die Herausforderungen für den Mittelstand oder generell kleinere Unternehmen sind vielfältig. Zum einen ist noch nicht in jeder Firma ein ausgeprägtes Bewusstsein für Transformation und Wandel zu finden. Nicht jedes stabil laufende Unternehmen erkennt gleich für sich den kurz- bis mittelfristigen Benefit der Veränderung. Wenn der Need erkannt ist, geht es darum eine geeignete Vision und Strategie zu entwickeln, die Mitarbeiter motiviert an dem Prozess zu beteiligen und sie in den notwendigen Kompetenzen weiter zu entwickeln. Das geht häufig nicht nebenbei. Und überall kann es passieren, dass sie Mitarbeiter auf diesem Weg verlieren. In einem kleineren Unternehmen kann das sehr schnell persönlich werden, da hier im Allgemeinen weniger Alternativen zur Verfügung stehen als in einem Konzern. Zum anderen ist es der Zugang zum Know-how. In einem Konzern ist der Zugang zu den Ressourcen häufig einfacher. Von Kooperationen mit globalen Technologie-Anbietern über international zusammen gestellte Core-Teams hin zur wirtschaftlichen Skalierung der erfolgreichen Pilotprojekte. Die Transformationsobjekte im Mittelstand werden meist von deutlich kleineren Teams geschultert.
"Engagierte Mitarbeiter, welche den Wandel mitgestalten wollen, tauschen sich als „Guiding Coalition“ eng mit dem Management aus."Health Relations: Sie sind Head of Marketing Rx und Business Development bei Dr. Pfleger Arzneimittel. Ist diese Funktion neu geschaffen worden?Alexandra Pries: Ja. Wir haben im letzten Jahr umstrukturiert, zum Marketing der Rx-Produkte wurde International Partnering, Contract Development & Manufacturing und Business Development, also die Erschließung neuer Geschäftsfelder subsummiert. Ich habe diese Position seit September 2020 inne. Health Relations: Wie schaffen Sie innovationsfördernde Strukturen im Team, wie geht bei Ihnen digitale Transformation?Alexandra Pries: Zum einen hilft die duale Organisation. Neben der hierarchischen Struktur arbeiten projektbezogene Teams über Fachbereichsgrenzen hinweg an einem Thema. Engagierte Mitarbeiter, welche den Wandel mitgestalten wollen, tauschen sich als „Guiding Coalition“ eng mit dem Management aus. Das Thema 'Wie funktioniert Innovation?' bringen wir regelmäßig in die Teams hinein. Mit Beispielen von agilem Projektmanagement bis zu Inspirationen zu Entrepeneurship-Mindset. Wir laden Start-ups ins Unternehmen ein, um zu sehen, welches die aktuellen Entwicklungen sind. Was kann die Technologie heute und was sind die Dinge, die wir nicht selbst leisten wollen oder können. Hier stehen Kooperationen für uns weit oben, um von den Best Practices aus der Branche zu lernen oder eigene Ideen weiter zu entwickeln. Wie zum Beispiel den eigenen Data Lake so zu strukturieren, um die Basis für zukünftige Analysen und AI zu legen, von denen wir auch in der Kundenkommunikation profitieren wollen, um den Kreis zu schließen. Health Relations: Haben Sie da ein Beispiel dafür? Alexandra Pries: Wir sind sehr stolz auf die App „dabeipackzettel“. Den Medikamenten- Beipackzettel liest man als Patient normalerweise nicht oder ungern. Wir haben den Beipackzettel digitalisiert und anwenderfreundlich und interaktiv gestaltet. Wir greifen kundenorientierte Fragen auf wie: Darf ich Alkohol trinken, wenn ich diese Tablette oder dieses Medikament genommen habe? Ich bin schwanger. Darf ich diese Arznei dennoch einnehmen? Diese Antworten mit einem Fingertip auf dem Smartphone zu finden ist eine Erleichterung. Die Nutzung lässt dann auch Rückschlüsse darauf zu, wie der Kunde das Produkt verwendet, um es vielleicht zukünftig noch besser machen zu können. Auch das Thema personalisierte Medizin ist für uns sehr wichtig. Hierbei spielen unter anderem DIGA, also digitale Gesundheitsanwendungen eine Rolle. Health Relations: Es gibt Pharmaunternehmen, die haben Innovation-Hubs gegründet, die Start-ups und das Unternehmen zusammenführen sollen. Wie gehen Sie denn auf die Start-ups zu?Alexandra Pries: Es gibt viele Plattformen, mit denen man mit Start-ups in Kontakt kommt. Die Start-up- Hochburgen sind natürlich eher in München oder Berlin, doch auch in Franken finden sich Gründer. Wir engangieren uns bei Digital Health Bamberg und sind nah am digitalen Gründerzentrum Lagarde1 in Bamberg und begleiten die dortigen Aktivitäten. Es zeigt sich, dass es hier echte Synergien geben kann, wenn wir bei bestimmten Projekten den Gründern zusätzlich zu Venture Capital unsere Kompetenzen und Erfahrungen unserer Schwerpunkte hier zur Verfügung stellen. Das sind die Bereiche Dermatologie, Gynäkologie und insbesondere die Urologie. Health Relations: Lassen Sie uns neben der externen Kommunikation auch auf die interne eingehen. Denn digitale Transformation beginnt als erstes innerhalb des Unternehmens. Sie haben es angedeutet: Für kleinere Unternehmen ist es nicht immer einfach, alle Mitarbeiter mitzunehmen. Der Außendienst als Bindeglied zwischen Arzt und Pharmaunternehmen hat in diesem Kontext eine zentrale Rolle. Wie schaffen Sie es denn, diese Kolleg:innen in das kontinuierliche Change Management einzubinden?Alexandra Pries: Kommunikation ist der Kern, außerdem ständige Information und Weiterbildung. Wissen und Verstehen ist das eine, Übung das andere. Wir sind im ständigen Dialog und teilen mit unseren Vertriebsteams die neuesten Entwicklungen, um gemeinsam zu evaluieren, was wir davon für uns verwenden können. Was passt zu uns? Was passt nicht? Der Austausch ist dabei essenziell, und die Möglichkeit auch den Einzelnen zu hören, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten. Ein relevanter Faktor ist auch das Thema 'Wie gehe ich mit Fehlern und mit Scheitern um'? Bei Innovationsentwicklung hört man regelmäßig: “Fail fast, fail often.” Im Sinne von: Fehler machen ist in Ordnung, aber möglichst schnell und am Anfang, um dann die richtigen Wege einzuschlagen. Das gilt für uns genauso. Die Mitarbeiter werden befähigt und motiviert, über ihre eigene Aufgabe hinaus zu denken und erhalten bei Bedarf Unterstützung oder Coaching für ihre Projekte. Health Relations: Haben Sie ein Beispiel dafür?Alexandra Pries: Unser "duschdate", mit Produkten aus fester Seife und Shampoos. Die Idee nachhaltige Pflege zu entwickeln, kam direkt von den Mitarbeitern. Es war ein buntes Team aus Mitarbeitern aus z.B. Vertrieb, Kommunikation, Marketing, Verwaltung und Produktion. Wir haben also die feste Seife entwickelt und den dazugehörigen Onlineshop gelauncht. Wir gehen davon aus, dass wir noch mehr Produkte in diesem Kontext entwickeln werden. Erstmals sind wir so aktiv im DTC Marketing unterwegs. Hieran werden wir iterativ lernen und wachsen. Health Relations: Sie haben angedeutet, dass Dr. Pfleger Arzneimittel eine Umstrukturierung erfahren hat. Wie stark ging diese an die Basis des Ganzen?Alexandra Pries: Es gab einen Generationswechsel. Die Geschäftsführer Dr. Günter Auerbach und Ralf Will haben das Unternehmen von einer sehr traditionellen Art und Weise der Führung in die Moderne geführt und dabei sehr stark die Mitarbeiter eingebunden. Der Austausch untereinander ist besser geworden, die Silos, die in der Vergangenheit geherrscht haben, sind aufgebrochen worden. Und es sind auch neue Bereiche entstanden: z.B. Business Development oder Digital Health. Health Relations: Wie groß ist Ihr Team eigentlich und wie viele Mitarbeiter:innen hat das Unternehmen insgesamt?Alexandra Pries: In meinem Team sind wir elf Leute, insgesamt haben wir knapp 400 Mitarbeiter hier bei Dr. Pfleger in Produktion, Forschung und im Marketing und Vertrieb. Health Relations: Das MESH Camp in Berlin, auf welchem man sie als Speaker erleben wird, will die Teilnehmenden fit machen für den Markt und Herausforderungen für den Healthcare-Sektor definieren. Aus Ihrer Sicht: Wofür muss der Pharma-Mittelstand sich wappnen?Alexandra Pries: Für den Mittelstand ist es tatsächlich das Bewusstsein und die Rahmenbedingungen um die digitale Transformation. Es ist Mut notwendig, Veränderung zuzulassen und darauf zu vertrauen, dass man dem Unternehmen und dem Team dieses mit aller Konsequenz zumuten kann und muss. Ich bin begeistert davon, welche Power hier bei Dr. Pfleger aus den Teams kommt, welches Engagement mitgebracht wird und welche Offenheit gegenüber den neuen Möglichkeiten uns hier begegnet. Sich zu trauen, von Best Practices zu lernen und den eigenen Weg zu gehen, ist aus meiner Sicht das Entscheidende für den Mittelstand.