Dr. Angela Liedler ist CEO der Precisis AG in Heidelberg. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von Gehirnstimulatoren spezialisiert. Betriebswirtschaftliches Denken mit medizinischem Know-how zu verbinden, hat ihre Karriere geprägt.
„Vieles in meinem Leben hat mit Glück zu tun“, sagt Dr. med. Angela Liedler. Sicherlich, Glück braucht es im Leben, aber eben auch das Vermögen, dieses Glück oder besser die Chance zu erkennen und den Mut, sie anzunehmen. Das hat Angela Liedler. Sonst wäre die 57-Jährige wohl nicht dort, wo sie heute steht: vorne, in der Führung.
Seit 2011 ist sie CEO, das heißt Vorstandvorsitzende der
Precisis AG in Heidelberg. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von
Gehirnstimulatoren spezialisiert. Der neueste Clou: Easee®, ein System, das mit einem bioelektronischen Verfahren die Behandlung von fokaler Epilepsie ermöglicht. Das Produkt befindet sich gerade in der klinischen Prüfung und auf dem Weg zur CE-Zertifizierung. Nächstes Jahr soll es auf den Markt kommen. Angela Liedler weiß, wohin sie will. „Die eigenen Talente erkennen und stärken“, das ist es, was sie jungen Managerinnen beispielsweise im Rahmen ihres Engagements für die
Healthcare-Frauen gerne mit auf den Weg gibt. Das verlangt Ehrlichkeit – auch sich selbst gegenüber. Leicht ist das nicht immer, weiß die Geschäftsfrau aus eigener Erfahrung.
Sixpack. 6 Fragen, 6 Entscheidungen
Entscheidung: Bauch oder Kopf? Bauch, wissend, dass der vom Kopf gesteuert wird.
Schreibtisch: Aufgeräumt oder kreatives Chaos? Chaos. Ich weiß aber, was auf welchem Stapel liegt. Smarte Kommunikation: Messenger oder Anruf? Ich schreibe schnell und gerne.
Wann sind Sie am produktivsten: Morgens oder abends? Morgens
Morgens: Kaffee oder Tee? Kaffee
Was ist schöner: Office oder Home-Office? Halbe/Halbe. Was mir jetzt gerade ein wenig fehlt, ist das Reisen.
Angela Liedler ist
Allgemeinmedizinerin, hat bis Ende der 1990er-Jahre als Assistenzärztin an deutschen und englischen Krankenhäusern gearbeitet. „Wenn man da mehr erreichen will, muss man in die Forschung gehen. Dafür fand ich mich nicht klug genug. Oder man wird die aufopfernde Hausärztin. Das bewundere ich, aber das bin ich nicht.“ Zack, da ist sie wieder – die Ehrlichkeit. Die Medizin allein reicht ihr nicht. Angela Liedler erhielt die Möglichkeit, ins Pharma-Marketing zu wechseln. Dieses Themengebiet gefiel ihr sehr gut, was sie jedoch zusätzlich reizte, war die Selbstständigkeit.
Sie gründete kurzerhand
ihre eigeneAgentur, die sich rasch zu einer internationalen Gruppe entwickelte und schließlich im globalen Agenturnetzwerk GSW Liedler und GSW Worldwide aufging. Bis 2011 übernahm sie hier den Posten der Europachefin. „Für mich war das eine Chance, komplexe Inhalte auf internationaler Ebene, das heißt in unterschiedlichsten Gesundheitswesen, so zu platzieren, dass sie von großen, heterogenen Zielgruppen verstanden werden und zu den erwünschten therapeutischen Handlungsweisen führen. Das ist eine tolle, medizinische Aufgabe, die ich mit den Neuen Medien gut umgesetzt habe. Außerdem gefiel es mir, dass meine Entscheidungen nicht nur medizinischen Nutzen gestiftet haben, sondern auch wirtschaftlich zum Erfolg wurden. Ich bin schon ein Erfolgsmensch. Erfolg kann auch bedeuten, das Spielfeld zu wechseln, neue Wege zu finden, das Mittelmaß herauszufordern.“
Führen und Projekte "auf die Straße" bringen
Im Zuge der Übernahme der
GSW Liedler und GSW Worldwide durch inVentiv Health verkaufte Angela Liedler 2011 ihre Anteile an der Agenturgruppe – und wechselte in die
MedTech-Branche: Sie stieg in die
Precisis AG ein. „Aus Wettbewerbsgründen konnte ich nicht einfach eine neue Agentur gründen. Da bot sich der Branchenwechsel an.“ Das Wasser, in das sie hier sprang, war schon arg kalt, erinnert sie sich. „Die Medizintechnik ist sehr männlich geprägt. Auf einmal hatte ich viel mit detailverliebten Ingenieuren und Physikern zu tun. Aber ich erkannte schnell, wie und wo ich meine Talente einsetzen konnte.“ Es ging nicht darum, bis ins kleinste Detail zu verstehen, wie genau ein technisches Gerät zusammengesetzt ist. Es ging darum, zu führen, Projekte "auf die Straße" zu bringen, Informationen verständlich für Ärzte und Patienten zu übersetzen. "Wichtig scheint mir, die betriebswirtschaftliche Denke mit medizinischem Know-how zu vereinen, damit ein innovatives Produkt zur attraktiven Marke werden kann."
Easee® wurde speziell für Patienten mit fokaler Epilepsie entwickelt, die medikamentös nicht oder nur unzureichend behandelt werden können. Um den neuen Gehirnstimulator auf dem Markt zu platzieren, arbeitet
Precisis eng mit Key Opinion Leadern und anerkannten Studienzentren zusammen. Dazu zählen die Universitätskliniken Freiburg, München, Mainz und Marburg sowie das Vivantes Klinikum in Berlin und die Cliniques Universitaires Saint-Luc in Belgien. Angela Liedler ist ein Fan von Netzwerken. Auch das gibt sie ihren Mentees mit auf den Weg. Leute kennenlernen und sich ohne konkrete Geschäftsagenda abends auf Veranstaltungen auszutauschen. „Das machen Männer schon Jahrzehnte lang besser als wir Frauen und haben sich dadurch vielfältige und belastbare Beziehungen aufgebaut“, sagt sie.
Unternehmerischer Erfolg und Patientenwohl im Blick
Ihren Führungsstil bezeichnet sie als schnörkellos. Sie will schnell entscheiden und verstanden werden. Spielchen spielen ist nicht ihr Ding. „Manchmal“, sagt sie, „ist das ein Nachteil, im Konzern-Umfeld gehören taktische Pirouetten gelegentlich dazu.“ In ihrem jetzigen Einflussbereich braucht sie diese nicht. Eines der besten Marketingargumente sei, wenn sich Nutzen und Funktionsweise von Produkten gut und schnell erklären lassen. Und, wenn unternehmerischer Erfolg und das Patientenwohl Hand in Hand gehen. „Das ist dann ein perfekter Fit.“