Seit langem begleitet der Zahnärztinnenverband Dentista e.V. schwangere angestellte und selbstständige Zahnärztinnen bei der Suche nach Informationen, wie sich die beginnende (oder bereits erreichte) Mutterschaft auf ihre Berufstätigkeit auswirkt. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist der Ratgeber "Schwangerschaft".
Wenn es um Schwangerschaft und deren Auswirkung auf ihre Berufstätigkeit geht, bestehen bei viele Zahnärztinnen Wissenslücken. Der Zahnärztinnenverband
Dentista e.V. will diese schließen und berät angestellte und selbständige Zahnärztinnen z. B. mit dem Ratgeber "Schwangerschaft", der in Zusammenarbeit mit der Bundeszahnärztekammer erstellt wurde. Dennoch haben Zahnärztinnen häufig weitergehende Fragen – darum plädiert der Verband für die Einrichtung von "
Mutterschutz-Lotsen". Welche Aufgaben diese übernehmen könnten, berichten PD Dr. Christiane Gleissner, Leiterin Beirat Wissenschaft des Dentista e.V., und Dr. Susanne Fath, Präsidentin des Dentista e.V.
Health Relations: Welche Arbeit leistet Ihr Verein?Christiane Gleissner: Wir verstehen uns als Berufsverband für Zahnärztinnen, der gegründet wurde, weil deren Anteil am gesamten Berufsverband immer weiter ansteigt, aber die traditionelle Vertretung in Berufs- und Standespolitik noch immer überwiegend von männlichen Kollegen wahrgenommen wird, die speziell für Frauen bedeutende Probleme und Fragestellungen weniger im Blick haben.
Hier wollen wir unsere Kolleginnen ermutigen und unterstützen, auf diesem Gebiet selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Darüber hinaus wollen wir die Kolleginnen untereinander vernetzen, um ihre Erfahrungen und ihre Expertise einer breiten Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen und es ihnen zu ermöglichen, für ihre fachlichen, rechtlichen, betrieblichen und ähnlichen Fragen hilfreiche und fundierte Antworten zu finden.
Health Relations: Was wünschen sich Zahnärztinnen, wenn es um Schwangerschaft und die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit geht?Susanne Fath: Hier unterscheiden sich Zahnärztinnen vermutlich nicht von anderen Frauen:
Sie möchten ihre Schwangerschaft möglichst reibungslos mit ihren beruflichen Belangen in Einklang bringen können, aber gleichzeitig größtmöglichen Schutz für das ungeborene Leben, und sie möchten nach der Geburt des Kindes Möglichkeiten vorfinden, wie sie ihre Berufstätigkeit mit ihren Vorstellungen von einem gelingenden Familienleben vereinbaren können.
Health Relations: Und wie sieht die Realität aus?Aus der Patientenbehandlung ergeben sich Risiken für das ungeborene Leben sowie für Mutter und Säugling, so dass angestellte Zahnärztinnen in Schwangerschaft und Stillzeit einem Beschäftigungsverbot unterliegenChristiane Gleissner: In der Realität erweist es sich als schwierig, dies alles umzusetzen.Aus der Patientenbehandlung ergeben sich Risiken für das ungeborene Leben sowie für Mutter und Säugling, so dass angestellte Zahnärztinnen in Schwangerschaft und Stillzeit einem Beschäftigungsverbot unterliegen. Auch die Berufsausübung in Teilzeit nach der Niederkunft, wenn die Zahnärztin vorher Vollzeit gearbeitet hat, ist sowohl für angestellte als auch selbständige Kolleginnen nicht ohne weiteres möglich. Selbstständige Zahnärztinnen müssen in der Schwangerschaft und der Zeit nach der Geburt für eine adäquate Vertretung in ihrer Praxis sorgen, um ihre unvermeidlichen Ausfallzeiten, während derer ja weiter die Patienten versorgt und die laufenden Betriebskosten gedeckt werden wollen, aufzufangen.
Die gesetzlichen Regelungen sind komplex und werfen zahlreiche Fragen auf, die mitunter unterschiedlich, wenn nicht sogar widersprüchlich beantwortet werden und für Unsicherheiten auf Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberseite sorgen.
Health Relations: Wo gibt es Ihrer Erfahrung nach die meisten Wissenslücken bei den Zahnmedizinerinnen?
Susanne Fath: Die meisten Wissenslücken bestehen wahrscheinlich auf der (arbeits-)rechtlichen und der organisatorischen Seite, insbesondere angesichts der aktuellen Neufassung des Mutterschutzgesetzes. Das Gesetz gilt für angestellte Zahnärztinnen, Praxismitarbeiterinnen, Auszubildende und Studentinnen der Zahnmedizin, aber die daraus resultierenden Rechte und Pflichten betreffen beide, Arbeitnehmerinnen und ihre Arbeitgeber/innen gleichermaßen.
Uns erreichen zahlreiche Fragen zu diesem komplexen Thema, u.a. zum Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft, dem Still-Beschäftigungsverbot, zur Mutterschutzzeit, Elternzeit, zu Fragen rund um das Elterngeld, zur Auswirkung von Beschäftigungsverbot und Elternzeit auf die Weiterbildung u.v.a.m.
Health Relations: Was müsste Ihrer Ansicht passieren, damit sich die Situation für die Frauen verbessert?Zahnarztpraxen, Kliniken und Institute dürfen mit den Konsequenzen neuer Gesetze nicht allein gelassen werdenChristiane Gleissner: Als Erstes muss das Informationsdefizit sowohl auf Seiten der angestellten Kolleginnen als auch bei den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen behoben werden. Dazu gehört, dass alle Auskunftstellen, die für den Berufsstand relevant sind, auf gleichem Informationsstand sind. Hier haben wir durch Rückmeldungen von Kolleginnen einen Optimierungsbedarf festgestellt. Außerdem dürfen die betroffenen Zahnarztpraxen, Kliniken und Institute mit den Konsequenzen neuer Gesetze nicht allein gelassen werden.
Wir fordern von der Politik klare Vorgaben für die Handhabung des neuen Gesetzes, die auch für kleine Zahnarztpraxen pragmatisch und unbürokratisch umsetzbar sind. Beide Parteien, Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmerinnen, brauchen verlässliche und planbare Perspektiven, aber auch Sicherheit hinsichtlich der korrekten Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen. Und last but not least wünschen wir uns Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die dem Bedarf der Zahnärztinnen besser Rechnung tragen als die bestehenden. Eine Kita beispielsweise, die pünktlich um 17.00 Uhr oder noch früher schließt, erfüllt die Bedürfnisse unserer Berufsgruppe nur unzureichend.
Health Relations: Wie können Sie als Verein unterstützend wirken?Susanne Fath: Wir können und wollen Ansprechpartner für alle Zahnärztinnen sein, für angestellte und selbständige Kolleginnen, Vorbereitungsassistentinnen, Wissenschaftlerinnen und Studentinnen, und auf politischer Ebene ihre spezifischen Probleme und Fragestellungen einbringen. Wir verschaffen uns als Verband, der die Interessen der Kolleginnen vertritt, in der Diskussion Gehör und wirken, wo möglich, konstruktiv an der Erarbeitung von Lösungen mit.
Wir stellen unseren Mitgliedern Expertise und rechtliche Beratung zur Verfügung, regen Partnerschaften und Netzwerke an, zum Beispiel über unsere Regionalgruppen, fördern den gegenseitigen fachlichen Austausch über Fortbildungsveranstaltungen, darunter unser vielbeachtetes
Jahressymposium, und stellen spezielle Angebote und Informationen in den
sozialen Medien und auf unserer Website zur Verfügung. Wir tragen so in vielfältiger Weise, auch im ständigen Dialog mit zahnärztlichen Organisationen und Körperschaften, insbesondere der Bundeszahnärztekammer, dazu bei, dass die spezifischen Wünsche und Vorstellungen der Zahnärztinnen, insbesondere im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gehör finden.
Unser Verband hat vor einiger Zeit den Ratgeber „Schwangerschaft“ vorgelegt, der die wichtigsten Fragen zu diesem Thema sammelt und beantwortet, und arbeitet aktuell an einer Informationsbroschüre zum Beschäftigungsverbot in der Stillzeit. Mit der Initiative „Mutterschutz-Lotsen in den zahnärztlichen Körperschaften“ wollen wir erreichen, dass die Kammern und KZVen gut und aktuell informierte Mitarbeiter als Ansprechpartner für die schwangeren oder stillenden Kolleginnen anbieten.
Der Anteil der vor allem jungen Zahnärztinnen an der Gesamtzahl der Mitglieder dieser Körperschaften ist erheblich gestiegen und steigt weiter. Damit wird das Thema „Mutterschutz“ zu einer größeren Aufgabe für die Körperschaften als in früheren Jahren.Health Relations: Welche Aufgabe könnten Mutterschutz-Lotsen übernehmen?Beruf und Familie gehören zu den zentralen Interessen der jungen GenerationChristiane Gleissner: In Gesprächen mit jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie auch mit Arbeitgebern erleben wir nicht selten
erhebliche Informationsdefizite in den Körperschaften – rund um das Beschäftigungsverbot, das Still-Beschäftigungsverbot, die Mutterschutzzeit, die Elternzeit, allgemeine Elterngeldhinweise etc. Beruf und Familie gehören zu den zentralen Interessen der jungen Generation, übrigens nicht nur der Frauen, sondern auch der jungen männlichen Zahnärzte – und nicht nur bei den angestellten Kolleginnen und Kollegen, sondern auch bei den selbständigen. Mutterschutz-Lotsen der Körperschaften sollen im Idealfall weitgehend auf dem aktuellen Stand der Sachlage in diesem komplexen Thema sein und den Mitgliedern der Körperschaft eine kompetente und sachkundige Anlaufstelle bieten. Hierbei haben wir Unterstützung unsererseits angeboten.
Health Relations: Wie kommt die Idee bei den Zahnärztinnen an?Susanne Fath: Wir haben für unser Engagement in diesem Themenfeld sehr viel Unterstützung erhalten. Was den Ratgeber „Schwangerschaft“ betrifft, der in Zusammenarbeit mit der Bundeszahnärztekammer in zweiter Auflage erheblich erweitert vorgelegt wurde, ist uns besonders die Dankbarkeit vieler männlicher Arbeitgeber aufgefallen, die die rechtlich bewertete und praxisnah aufbereitete Zusammenstellung als sehr hilfreich begrüßt haben. Manche Kammern nutzen den Ratgeber auch selbst für die Information der Mitglieder.
Jetzt ist es an der Zeit, eine solche Bewertung des Bereiches „Beschäftigungsverbot für stillende Zahnärztinnen“ ebenfalls in den Berufsstand und, bei Interesse, auch den Körperschaften an die Hand zu geben. Die neue Informationsbroschüre werden wir nicht drucken, sondern bewusst nur digital bereithalten, da, wie zuvor schon angemerkt, derzeit sehr vieles in Bewegung, aber noch nicht mit Blick auf die Umsetzung entschieden ist. Mit unserer Forderung nach Mutterschutz-Lotsen und der begleitenden Bereitstellung aktueller und kontinuierlich aktualisierter Informationen greifen wir einen zentralen Wunsch der Kolleginnen – sowohl der angestellten als auch der selbständigen – auf, die ortsnah Auskünfte ihrer eigenen Körperschaften erwarten.
Wir vom Dentista e.V. sehen die Körperschaften bei diesem Thema auch als prioritäre Adresse für die direkte Beratung der Mitglieder an. Was wir zur Verfügung stellen ist das auf dem aktuellen Stand befindliche Ergebnis der engen Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und „Fans“, die uns intensiv mit Fragen und Themen bei der Erstellung der Broschüren unterstützt haben, und der Zusammenarbeit mit unserer spezialisierten Rechtsbeirätin sowie der vielfältigen Kontakte in weitere involvierte politische und fachliche Organisationen. Unsere Mitglieder warten schon auf die Veröffentlichung, und wir freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit auch mit den Körperschaften zum Wohle aller Beteiligten.
Ratgeberbild: © Dentista e.V.
Titelbild: © iStock.com/damircudic