Was es bedeutet, eine Marke neuzugestalten, erlebt in diesem Jahr die Firma Kulzer. Der hessische Dentalhersteller will Altlasten abstreifen und sich für die Zukunft noch besser aufstellen. Was dabei wichtig ist – eine Analogie zum Alltag.
Wenn der Traditionsbäcker von nebenan plötzlich anders heißt, seinen Verkaufsraum mit der altbackenen Fliesentheke in ein modernes Café mit WLAN umbaut und zukünftig auch Low-Carb-Brötchen anbietet, sind wir erst einmal skeptisch. Selbst, wenn wir dort seit 15 Jahren jeden Morgen unsere Brötchen kaufen. Die Modernisierung eines Unternehmens kann Kunden irritieren oder sogar verjagen – muss es aber nicht. Wichtig ist, dass man sie von Anfang an mit auf die Reise nimmt, sie nicht überrumpelt und ihnen versichert, dass (fast) alles so bleibt, wie es ist und sogar noch besser wird.
Vor dieser Herausforderung steht momentan das traditionsreiche Dentalunternehmen (Heraeus) Kulzer. Der Hersteller für Dentalmaterialien und Geräte aus Hanau ändert seinen Markenauftritt und strickt darum eine groß angelegte Kampagne. Ab 1. Juli diesen Jahres firmiert das Unternehmen, das bis dahin Heraeus Kulzer heißt, offiziell unter dem Namen Kulzer.
Für den Schritt zur neuen Marke gibt es mehrere Beweggründe, wie Jens Bewersdorff, Leiter des Corporate Marketings, auf der IDS-Sneak-Preview-Pressekonferenz Anfang März erklärte. Zum einen möchte man sich nun endlich vom ehemaligen Inhaber Heraeus lösen und sich im gleichen Atemzug stärker zum japanischen Mutterkonzern Mitsui Chemicals Inc. bekennen. Zum anderen soll die Marke Kulzer mit der neuen Corporate Identity eine Verjüngung und Globalisierung erfahren. Prozesse sollen weltweit optimiert und standardisiert werden. Besonders der Service-Bereich steht im Fokus der Aktivitäten. So will Kulzer allein in Deutschland 20 neue Mitarbeiter für die Fachberatung und den Technischen Service einstellen, um Kunden noch intensiver betreuen zu können. Das versprach der verantwortliche Country Manager Jörg Scheffler beim selben Pressetermin.
Neue Wege zur Imagegestaltung
Zahnärzte und Zahntechniker können über Kulzer günstige Leasing- und Finanzierungsangebote für Fahrzeuge nutzen.
Zusätzlich zur Optimierung der globalen Prozesse erweitert Kulzer in Deutschland das Serviceportfolio. Dabei war die Firma ziemlich kreativ. Zu den in der Branche üblichen Weiterbildungs- und Schulungsangeboten für Kunden und Handel kommt ein wirklich neuartiger Ansatz hinzu: Ab April bietet der Hersteller in einer Kooperation mit dentacar „Mobilitätslösungen“ für Dentalangehörige. Das heißt, Zahnärzte und Zahntechniker können dann über Kulzer günstige Leasing- und Finanzierungsangebote für Fahrzeuge nutzen, um sich selbst und ihre Mitarbeiter zu bestücken. Ein Dentalhersteller als Leasingpartner? Das klingt erst einmal ungewöhnlich, könnte aber Erfolg versprechen. Kulzer geht damit auf die essentiellen Fragen von Praxis- und Laborinhabern ein, die sie sich abseits der Behandlung stellen – das ist Content-Marketing im weitesten Sinne.
In die gleiche Kerbe schlägt auch die großzügige Investition in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Unter dem Claim „Giving a hand to oral health“ will Kulzer sich als Systemanbieter in den Köpfen der Zahnärzte und Zahntechniker etablieren. Als Hersteller, der nicht nur Produkte auf den Markt bringt, sondern Lösungen. Deshalb wurden nun zur IDS diverse Geräte und Materialien, vor allem fürs Labor, vorgestellt, die mit bereits bestehenden Produkten ineinandergreifen. Und damit jeder Kunde seine ganz individuelle Kulzer-Lösung finden kann, werden klassische Arbeitsweisen mit digitalen Workflows verknüpft.
Sowohl das dentacar-Angebot als auch die diesjährigen Produktinnovationen stärken das Image von Kulzer als ein Unternehmen, das seine Kunden kennt und ihre wahren Bedürfnisse versteht.
Bestandskunden vom Guten überzeugen
Mit dieser Strategie kann man sicher zahlreiche neue Anwender gewinnen. Nun muss man nur noch den Kunden, die seit Jahr und Tag ihre „Brötchen“ in Hanau kaufen, verständlich machen, warum in Zukunft alles irgendwie anders aussieht.
Deshalb entschloss man sich mithilfe einer Vorabkampagne, die seit Anfang des Jahres auf der Kulzer-Webseite und in den Sozialen Medien lief, die Kunden frühzeitig zu involvieren und allmählich auf das vorzubereiten, was da kommen mag. Mit gefällig animierten Videos und einer eigens eingerichteten Landingpage kreierte man einen Spannungsbogen und verriet immer mehr Details zu den anstehenden Veränderungen. Auf der IDS lüftete Kulzer das Geheimnis schließlich und präsentierte sich im neuen Gewand. Auch wenn die offizielle Umfirmierung erst in drei Monaten ansteht, war dieser Schritt strategisch wichtig. Die Messe bietet die ideale Plattform, um Kunden und Geschäftspartner aus aller Welt mit dem neuen Design und den neuen Angeboten vertraut zu machen.
Darüber hinaus steckte sich Kulzer bei der Umgestaltung der CI das Ziel, im neuen Markenauftritt die tradierte Bekanntheit der Firma Kulzer und die mit dem bisherigen Namen assoziierte Qualität zu erhalten. Darum wurde am Namen selbst und auch am Schriftbild nur marginal etwas geändert: „Heraeus“ fällt weg, aus Kleinbuchstaben werden Versalien, der Font wird leicht aufgebrochen. Auffällig ist jedoch das neue Icon, ein hellgrüner Kreis mit weißem Zahn – simpel, aber prägnant. Das soll helfen, die neue Marke fortan schneller und einfacher zu identifizieren. Darauf baut sich die gesamte Corporate Identity auf.
Hierin besteht dann auch die eigentliche Mammutaufgabe für den Konzern: Rund 35.000 Artikel müssen umverpackt und neu gebrandet, sämtliche Kommunikationskanäle und Medien angepasst werden. Bis Juli 2018 will man diese Dinge umgesetzt haben, so Bewersdorff. Betont wird dabei in der Kommunikation nach außen stets die Kernaussage „Neue Marke, frischer Wind, aber gleiche Qualität und mehr Service“. Ein neuer Imagefilm und ein Making-of-Video der Logo-Neugestaltung komplettieren das Storytelling rund um den Markenwechsel.
Zurück zum Bäcker
Kulzer hat schon eine Menge getan und hat auch noch eine Menge vor. Die Chancen stehen gut, dass sich keiner der langjährigen Kunden an den Veränderungen stört, weil man sie behutsam, aber beständig auf die neue Identität vorbereitet hat. Und eigentlich wird ja auch alles besser: individuelle Produktlösungen, noch mehr Service – wer sollte da nicht zustimmend nicken?
Es ist wie bei unserem Bäcker. Sobald wir unsere anfängliche Skepsis überwunden haben, unsere altgewohnten Brötchen probieren und sie genauso schmecken wie vorher, gewöhnen wir uns ganz schnell an den neuen Bäckerei-Look und finden ihn sogar schick. Wahrscheinlich nehmen wir uns irgendwann mal fünf Minuten Zeit und bestellen einen Kaffee, den wir dann auf dem gemütlichen Loungemöbel sitzend genießen – und vielleicht testen wir sogar auch mal die neuen Eiweißbrötchen.