Dr. Holger Bartz, Janssen: Der Patient bestimmt das Therapieziel mit
Lesen Sie in diesem Beitrag:
- Was genau Value Based Healthcare (VBHC) ist
- Wie genau die neuen Rollen von Ärzt:innen und Patient:innen aussehen müssen, wenn VBHC funktionieren soll
- Warum die Gestaltung eines Gesundheitssystems nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch von Pharmaunternehmen sein sollte
- Wie genau Pharmaunternehmen das Gesundheitssystem mitgestalten können – und es bereits tun
Was ist Value Based Healthcare?
Value Based Healthcare (VBHC), übersetzt wertebasierte Gesundheitsversorgung, ist ein ganzheitlicher Versorgungsansatz, der 2006 von den beiden Harvard-Ökonomen Michael Porter und Elizabeth Teisberg erstmals vorgestellt wurde. Seither wird das Konzept international diskutiert. Das Ziel von VBHC ist, das beste gesundheitliche Ergebnis für jeden Menschen zu erreichen. Zentrale Kategorie ist dabei der „Wert“ (Value), womit nicht der monetäre Wert, sondern das Ergebnis (der Outcome) bei den Patient:innen gemeint ist."Das ist ein dickes Brett. Es der Politik rüberzuschieben und zu sagen „macht mal“ wäre weder fair noch realistisch."Health Relations: Neue Rolle für Ärzt:innen und Patient:innen, welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein? Holger Bartz: Damit Patient:innen verantwortungsvolle Entscheidungen über ihre Gesundheit treffen können, müssen sie verstehen, worum es geht, welche Therapieoptionen es für sie gibt – und welche Chancen, aber möglicherweise auch Risiken damit jeweils verbunden sind. Dafür brauchen sie fundierte, laien-verständliche Informationen und ein vertrauensvolles Sparring durch den bzw. die behandelnden Ärzt:innen. Letztere müssen viel mehr mit ihren Patient:innen kommunizieren, erklären und beraten, verständlich und auf Augenhöhe. Dafür brauchen sie Zeit. Zeit, die im heutigen Versorgungsalltag oft fehlt bzw. nicht vergütet wird. Health Relations: Was in den Aufgabenbereich der Gesundheitspolitik fällt. Warum beschäftigen Sie sich als Pharmaunternehmen damit?Holger Bartz: Ganz einfach: Weil wir Teil der Versorgungslandschaft sind – und diese bestmöglich im Sinne von Patient:innen mitgestalten wollen. Unser Ziel ist ein nachhaltig leistungsfähiges und bezahlbares Gesundheitssystem, in dem das Potenzial des medizinisch-technischen Fortschritts im Sinne von Patient:innen bestmöglich ausgeschöpft wird. Für mich ist klar: Das erreichen wir nur mit wertbasierter Gesundheitsversorgung im Sinne von VBHC. Klar ist aber auch: Bis unser Gesundheitssystem das leisten kann, ist noch einiges zu tun. Im internationalen Vergleich war unser System immer eines der leistungsstärksten. Es ist jedoch darauf ausgerichtet, Krankheiten zu behandeln, wenn sie ausgebrochen sind. VBHC dagegen zielt darauf ab, die individuelle Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Dieses Gap – weg vom Krankheitsreparatursystem hin zum Gesundheitserhaltungssystem – müssen wir schließen. Das ist ein dickes Brett. Es der Politik herüberzuschieben und zu sagen 'macht mal' wäre weder fair noch realistisch. Wenn wir, und damit meine ich alle Akteure im Gesundheitssystem, ein Gesundheitssystem haben wollen, in dem jeder Mensch die Chance auf die bestmögliche Versorgung hat und das auch noch finanzierbar ist, müssen wir Verantwortung übernehmen und gemeinsam nach Wegen suchen, wie das gehen kann. Patient:innen, Ärzt:innen und andere Leistungserbringer:innen, Kliniken, Krankenkassen, Fachgesellschaften, Politik – und natürlich forschende Unternehmen wie wir. Health Relations: Was genau kann Pharma denn tun, um dieses Gesundheitssystem mitzugestalten? Ganz praktisch?Holger Bartz:Eine ganze Menge. Ich fange mal bei uns selbst an: Unsere Kernkompetenz ist die Entwicklung von innovativen Arzneimitteln und Therapieansätzen. Damit diese ihre volle Wirksamkeit entfalten können, müssen sie rechtzeitig bei den Patient:innen ankommen, also im richtigen Moment von Ärzt:innen verordnet werden können. Diesen Zugang unterstützen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, indem wir den Outcome unserer Medikamente balanciert darstellen, also den „Value“ für die Patient:innen sichtbar machen, durch Einbringen unseres methodischen Know-hows. Außerdem sind wir, ebenfalls ganz im Sinne von VBHC, offen für Erstattungsmodelle, die das Ergebnis einer Therapie bei den Betroffenen berücksichtigen. Darüber hinaus initiieren beziehungsweise unterstützen wir Projekte, die beweisen, dass Value Based Healthcare das Konzept für ein nachhaltig leistungsfähiges und finanzierbares Gesundheitssystem ist. Health Relations: Was sind das für Projekte?Holger Bartz: Eines dieser Projekte ist KAIT, ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Universitätsklinikum Leipzig. KAIT ist ein KI-basiertes System, das Ärzt:innen dabei unterstützt, für Patient:innen mit komplexen Bluterkrankungen den individuellen Therapiepfad zu identifizieren. KAIT liefert Daten und Evidenz – die eigentliche Therapieentscheidung treffen natürlich weiterhin die behandelnden Ärzt:innen. Wir haben konkrete Vorstellungen und Ideen, wie wir das Gap – weg von einem auf die Behandlung von Krankheiten, hin zu einem auf den Erhalt von Gesundheit und Lebensqualität ausgerichteten Gesundheitssystems – schließen können. Diese bringen wir regelmäßig in die öffentliche Diskussion ein, beispielsweise über die Medien, über Impulsvorträge oder in Diskussionen auf externen Veranstaltungen wie dem Berliner Hauptstadtkongress und nicht zuletzt in Gesprächen mit Ärzt:innen, Repräsentant:innen von Patient:innen-Organisationen, Krankenkassen und Kliniken und natürlich Politiker:innen. Wie gesagt: Wir bohren ein dickes Brett – das schaffen wir nur gemeinsam. Deshalb bringen wir gezielt Menschen zusammen, die wie wir etwas verändern möchten. Mit unserem Janssen Open House haben wir eine Plattform etabliert, auf der wir uns mit anderen Akteuren aus Gesundheitswesen und Gesellschaft vernetzen, ihre Perspektiven kennenlernen, Ideen und Strategien diskutieren – und gemeinsame Wege und Lösungen für ein besseres, wertorientiertes Gesundheitssystem erarbeiten.