Die diesjährigen Preisträger des RX Club zeigen es mal wieder: Pharmawerbung geht auch lustig. Zumindest in der deutschen Pharma-Kommunikation spielt Humor aber noch eine Statistenrolle – "und dann macht man eben wieder eine Broschüre."
How many Germans does it take to change a light bulb?
One. We are efficient and don't have humor.
Kennen Sie den? "Wie viele Deutsche braucht man, um eine Glühbirne auszutauschen? – Einen. Wir sind effizient und haben keinen Humor." Und das scheint auch für die Pharmawerbung zu gelten. Während internationale Kampagnen oft humorvoll zu sein scheinen, gilt die deutsche Healthcare-Kommunikation immer noch als trocken.
Wir sprachen mit Jonas Villmow, Art Director bei der Berliner Agentur
co.digital®, über die Hintergründe der Zurückhaltung und mögliche Silberstreifen am Pharma-Horizont.
Health Relations: Herr Villmow, wie steht die deutsche Pharmabranche zu Humor?Jonas Villmow: Humor ist ein Kommunikationsmittel, das in der Pharmakommunikation – insbesondere bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – problematisch ist, denn es besteht die Gefahr, dass Kunden oder Patienten den Eindruck bekommen,
man mache sich über ihre Erkrankung lustig. Daher geht man in der Pharmakommunikation mit Humor befangener um als im Consumer-Bereich.
Auf der anderen Seite wünschen sich die Kunden, dass Kampagnen viral werden, aber genau dafür ist Humor oft eine der Voraussetzungen. Das sind Hemmnisse, die bei Social-Media-Kampagnen in der Pharmakommunikation oft dazu führen, dass sie nicht so erfolgreich sind, wie sie sein könnten.
"When testosterone is restored, the gimmicks can go": Australische Printanzeige für eine Testosteron-Behandlung; © Ward6 für Bayer
Health Relations: Gibt es weitere Hemmschwellen aufseiten der Pharmabranche?Jonas Villmow: Eine andere Sorge der Unternehmen bei dieser Art der Kommunikation ist oft, dass sie nicht "auf die Marke einzahlt", weil der Name des beworbenen Medikaments nicht genannt werden darf. Das führt dazu, dass Kampagnen nur halbherzig umgesetzt werden –
... und dann macht man eben wieder eine Broschüre.und dann macht man eben wieder eine Broschüre. Es gibt auch andere,
innovativere Tools wie das Storytelling, bei dem die Geschichte des Patienten in den Vordergrund gestellt wird, mit denen sich die Unternehmen genauso schwer tun. Die Pharmaindustrie ist angesichts der ganzen Diskussion eben sehr risikoavers, was man ja auch verstehen kann.
© McCann Health, Sao Paulo, Brazil für den MedTech-Hersteller Omron.
Health Relations: Welche anderen Möglichkeiten gibt es für Healthcare, mit der Zielgruppe zu kommunizieren – und wie gut funktionieren die?Jonas Villmow: Viele Kunden wünschen sich auch
Interaktion mit Patienten, sind sich aber nicht immer darüber im Klaren, wie viel Arbeitet das bedeutet. Wenn ich einen
Facebook-Channel moderieren möchte, muss ich jemanden gezielt dafür einsetzen. Das Ergebnis ist, dass sich die Facebook-Aktivitäten der Pharmabranche meist auf
Employer Branding beschränken: Das Unternehmen selbst wird zum Thema gemacht,
produktbezogene Kommunikation kommt selten vor.
Ein anderer Weg für Unternehmen, die Produkte für eine bestimmte Indikation anbieten, ist die
Disease Area Communication, aber auch da bleibt die Kommunikation oft vage, da der konkrete Austausch über Medikamente nicht erwünscht ist. Genau das suchen aber die Patienten. Insofern sind Patientenforen wie
krebs-kompass.de meist attraktiver, weil sich die Patienten dort ganz konkret austauschen können; das findet auf den von Pharma gesponserten Kanälen nicht statt.
Health Relations: Welche Kommunikationswege versprechen mehr Erfolg?Jonas Villmow: Eine Alternative ist
wertvoller, informativer Content, aber die Erstellung ist sehr aufwändig. Wenn man die Zielgruppe Ärzte erreichen will, muss man schon tief schürfen und einen hohen Mehrwert schaffen, und das ist anspruchsvoll und teuer.
Tablet-Anwendung für das Medizintechnikunternehmen Dispomedica mit co.spot®
Viele Ärzte haben eine Routine entwickelt, von der sie nur ungern abweichen. Das zeigt sich etwa bei digitalen Tools für die Patientenaufklärung, die wir schon oft entwickelt haben. Hier gibt es digital-affine Ärzte, die das dankbar annehmen, andere hingegen bleiben lieber bei den vertrauten Printmedien.
Sehr gut funktionieren digitale Tools im Sales Bereich, wie etwa unser
co.spot®. Die Außendienstler empfinden diese Anwendungen als großen Vorteil gegenüber klassischen Printmaterialien, da man einfach flexibler auf die Anforderungen des Arztes im Gespräch reagieren kann als mit klassischen Außendienstfoldern. Wir erwarten, dass solche Tools in Zukunft noch häufiger verwendet werden.
Jonas Villmow ist Art Director und Ansprechpartner für Neukunden bei co.digital®, einer Agentur für digitale Medical Communications in Berlin.
Titelbild: © istock.com/xavigmTablet-Bild: © co.digital®