Kaia Health hat die DiGA Kaia COPD gelauncht, das Pharmaunternehmen Chiesi ist als Vertriebspartner mit an Bord. Wie funktioniert die Zusammenarbeit, was muss man beim Launch einer DiGA beachten? Lena Offermann, Senior Brand & Customer Managerin bei Chiesi, gibt Einblicke.
In diesem Interview erfahren Sie:- Warum Chiesi mit Kaia Health kooperiert – und warum diese Kooperation Modellcharakter für das Unternehmen hat
- Warum Chiesi in diesem Segment Pionier ist
- Wie die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen strukturiert ist
- Welch Learnings Chiesi bisher aus der Zusammenarbeit ziehen konnte
- Wie das Produktmanagement und der Außendienst zusammenarbeiten – und warum das so wichtig ist
- Warum die heiße Phase beim Produktlaunch eigentlich nie enden sollte
Was ist Kaia COPD?
Kaia COPD ist eine DiGA, eine App auf Rezept für COPD-Patient:innen. Sie soll ein digitaler Begleiter im Alltag sein und unterstützt mit Übungen zur Entspannung und praktischem Hintergrundwissen zur COPD. Die Listung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgte am 26.12.22. Das Pharmaunternehmen Chiesi ist Vertriebspartner von Kaia Health.
Health Relations: An welchem Punkt sind Sie als Brand & Customer Managerin und Vertriebspartner aktiv in den Launch-Prozess eingestiegen? Lena Offermann: Zu einem sehr frühen Zeitpunkt, und zwar 2020, nachdem wir mit dem Unternehmen Kaia Health den Vertrag aufgesetzt hatten und wir gemeinsam die erste Marktforschung mit Patient:innen und Ärzt:innen durchgeführt haben. Wir waren tatsächlich relativ früh mit allen involvierten Abteilungen mit im Boot. Das sind in diesem Fall vor allem Personen aus dem Bereich Market Access, denn der Launch einer DiGA ist für uns etwas ganz Neues. Als wir das Projekt 2020 starteten, gab es keine einzige
DiGA im Markt. Wir selbst lernen viel bei diesem Projekt, denn wir sind Experten im Bereich medikamentöse Therapien, nicht aber in dem Bereich nicht-medikamentöse Therapien. Dahin möchten wir uns jedoch entwickeln. Wir stehen noch am Anfang und machen jetzt wertvolle Lernerfahrungen.
Health Relations: Dann sind Sie ja sozusagen Pionierin innerhalb des Unternehmens als projektleitende Brand & Customer Managerin.Lena Offermann: Es gab von Anfang an ein Team bei uns, was sich seit Beginn des Projektes sehr umfassend mit dem Thema beschäftigt hat. Wir sind auch Pionier im Bereich Atemwegserkrankungen und DiGA, weil wir die erste Kooperation zwischen einem DiGA-Unternehmen und einem pharmazeutischen Unternehmen im Bereich Atemwege umsetzen und damit das erste Produkt dieser Art an den Markt bringen. Kaia COPD ist die bislang einzige DiGA zur Behandlung von COPD.
Health Relations: Welche Personen sind neben dem Market Access-Team noch involviert in diesen Prozess? Lena Offermann: Von unserer Seite aus sind das Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Medical, da Studien durchgeführt worden sind, um den Nachweis der positiven Versorgungseffekte der DiGA zu erbringen. Eine wichtige Rolle spielen die Marketing-Kolleg:innen, und jetzt im Launch vor allem auch der Außendienst sowie unsere Kolleginnen und Kollegen, die sich um die digitale Kommunikation kümmern.
Health Relations: Lässt sich der Entwicklungsprozess der COPD-App in verschiedene Stadien teilen, wo dann die entsprechenden Funktionen dazu geschaltet werden? Lena Offermann: Von der Entwicklung her ist es so, dass Medical, Market Access und Marketing natürlich immer die ersten sind, die beteiligt sind. In der Launch-Phase kommen die Vertriebskolleg:innen dazu, außerdem die Data Analysten und -Manager:innen.
Health Relations: Wann haben Sie denn die aktive kommunikative Phase der DiGA gestartet? Lena Offermann: Wir haben direkt nach der Listung begonnen. Im ersten Schritt ging es um die Vorstellung von Kaia COPD bei den Ärzt:innen und um die grundsätzliche Erläuterung, was eine DiGA genau ist. Darüber haben wir ab Anfang Januar angefangen zu sprechen mit Veröffentlichung der ersten Pressemitteilung. Wir haben ergänzend eine Reihe an Kundenveranstaltungen für interessierte Ärztinnen und Ärzte angeboten. Zudem gab es eine Pressekonferenz für die Fachpresse, an der ebenfalls Ärztinnen und Ärzte teilnehmen konnten. Begleitend nutzen wir auch digitale Kanäle für die Kommunikation , über die wir die Ärzt:innen informieren.
Health Relations: Ist Chiesi als Vertriebspartner allein zuständig für die Kommunikation dieses Produkts oder gibt es eine Arbeitsteilung?Lena Offermann: Wir haben uns aufgeteilt. Kaia Health ist Experte für das Thema Patientenkommunikation. Sie kommunizieren mit den Patient:innen direkt, zum Beispiel via Hotline, Direktmarketing und ihre Website. Wir sind als Vertriebspartner die Experten für das Thema Arztkommunikation, führen also Gespräche mit Hausärzt:innen und Pneumolog:innen über den Außendienst. So teilen wir uns die Aufgaben auf, arbeiten sehr eng zusammen und stimmen uns regelmäßig ab. Es gibt neben den klassischen Projektleiter-Meetings auch Jour fixes für die Marketingverantwortlichen auf beiden Seiten. Gleichzeitig gibt es einen Jour fixe, bei dem es um medizinische Themen geht. Alle Workflows, die wir bei uns intern aufgebaut haben, gibt es bei Kaia Health auch und wir stimmen uns wöchentlich sehr intensiv mit den Kolleg:innen ab.
Health Relations: Sie arbeiten also abteilungs- und unternehmensübergreifend. Lena Offermann: Genau. Es gibt inzwischen auch eine Feedback-Runde, an der auch der Vertrieb teilnimmt und auch Kaia mit an Bord ist. Hier besprechen wir gemeinsam die Learnings und erarbeiten gemeinsam die Ableitungen daraus für die nächsten Schritte.
Health Relations: Haben Sie ein Beispiel für so ein Learning für mich?Lena Offermann: Für die Patient:innen ist es ein komplett neuer Weg, wie sie an eine DiGA kommen können. Bei den üblichen Verschreibungen erhalten sie ein Rezept, gehen damit in die Apotheke und lösen es ein. Der Prozess ist hier anders: : Der Patient oder die Patientin bekommt die DiGA verschrieben, geht damit aber nicht zur Apotheke, sondern zu seiner bzw. ihrer Krankenkasse. Diese schickt ihm oder ihr im Anschluss einen Code zu, den er oder sie dann entsprechend direkt in der Kaia COPD App einlöst. Dieser Prozess muss natürlich auch anders begleitet werden, damit der Patient oder die Patientin nicht einfach wie gewohnt in die Apotheke geht. Wir überlegen gerade, wie das optimal geschehen kann, sowohl über die Kaia–Patienten-Hotline, aber auch, wie wir die Ärzt:innen in ihrer Kommunikation unterstützen können, damit die Patient:innen wirklich und unkompliziert zu ihrer DiGA kommen. Das ist eines der großen Themen, das auch für uns komplett neu ist und wo wir jetzt Erfahrungen sammeln.
Health Relations: Wie genau erreichen Sie die HCPs, gibt es eine Art Orchestrierung der Information?Lena Offermann: Wir sprechen seit Januar mit den Ärzt:innen, vor allem mit den Pneumolog:innen auch in den Kliniken, und weiten das Stück für Stück auf die Hausärzt:innen aus. Hierfür sind vor allem unsere Kolleg:innen im
Außendienst unterwegs. Wir informieren darüber hinaus auf digitalem Wege, wie zum Beispiel mit Mailings zum Launch der DiGA.
Health Relations: Wie wichtig ist die Social-Media-Kommunikation in der Arztkommunikation? Lena Offermann: Die spielt auch mit rein, wobei für uns für die Erstinformation wirklich der persönliche Kontakt das Wichtigste ist. Die Social-Media-Kanäle sind aus meiner Sicht vor allem für die Patientenkommunikation relevant. Wir merken aber, dass sich auch immer mehr Ärzt:innen über Social Media informieren, weshalb wir natürlich auch dort über Kaia COPD kommunizieren.
Health Relations: Stichwort persönlicher Kontakt: Das heißt, der Außendienst arbeitet eher weniger digital? Lena Offermann: Sowohl als auch. Er ist aber nach wie vor sehr viel in den Praxen unterwegs, um die Kontakte persönlich zu pflegen. Gerade bei einer DiGA ist das besonders wichtig, denn DiGA sind noch recht neu im Markt und aus dem Grund erklärungsbedürftig, zumal es bisher kein vergleichbares Produkt für COPD gibt.
Health Relations: Bekommen Sie als Produkt-Managerin auch zurückgespielt, was der Arzt oder die Ärztin an Materialien braucht, zum Beispiel, um seine oder ihre Patient:innen zu informieren? Lena Offermann: Ja, das ist gerade zu Beginn der Launch-Phase sehr wichtig.
Health Relations: Das heißt, sie gehen dann auch agil auf diese Bedürfnisse ein im Team. Lena Offermann: Ja, absolut. Wenn wir wollen, dass die Patient:innen die DiGA nutzen und von ihr profitieren und die Ärztin oder der Arzt diese auch verschreibt, müssen wir das tun. Wenn wir feststellen, dass an der einen oder anderen Stelle etwas fehlt, reagieren wir schnell.
Health Relations: Sie sind eigentlich jetzt gerade in einer sehr heißen, spannenden Phase im Launching.Wann endet die heiße Phase? Gibt es da einen Punkt, wo man sagen kann: Jetzt sind wir in der nächsten Phase?Lena Offermann: Ja, es gibt sicherlich immer einen Punkt, an dem man aus dieser ersten Phase raus muss. Da der Launch einer DiGA für uns neu ist, glaube ich jedoch, dass wir länger in der ersten Phase sein werden, in der wir gezielt Erfahrungen sammeln, um auf die Bedürfnisse der Ärzt:innen und Patient:innen eingehen. Im Gegensatz zu medikamentösen Therapien ist dieser Prozess ja noch nicht etabliert.
Health Relations: Ganz allgemein gefragt: Gibt es weitere typische Fehler beim Launch eines Produkts, aus Ihrer Erfahrung heraus als Produkt Managerin, die es zu vermeiden gilt? Lena Offermann: Das schließt an Ihre vorherige Frage an: Wann ist denn der Launch vorbei? Wenn man launcht und die Launch-Veranstaltungen hinter einem liegen, dann denkt man, man hätte es geschafft. Aber dann geht es erst richtig los. Dann kommt das Produkt in den Markt, man erhält Feedback und es fängt eigentlich erst an, richtig spannend zu werden. Ich glaube, das wirklich Wichtige ist, dass man weiter am Ball bleibt und das Produkt durch die nächsten Jahre gut begleitet sowie das Feedback kontinuierlich einarbeitet.