Lilly: Mit omotenashi und Daten zu passgenauerer Arztkommunikation
Alexander Horn: Als erstes das Team und eine Arbeitsatmosphäre weiterzuentwickeln, die jedem Kollegen und jeder Kollegin volle Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Das zweite ist, dass wir stärker datengestützte Entscheidungen treffen wollen, um die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kundinnen und Kunden besser zu bedienen als andere. Und drittens: Wir wollen dazu beitragen, eine bestmögliche Patientenversorgung in Deutschland sicherzustellen in den sechs Therapiebereichen, in denen wir operieren.
Health Relations: Mehr als 20 Jahre waren Sie in leitender Funktion im Pharmamarketing tätig. Welchen Herausforderungen sieht sich die Branche hier aktuell gegenüber?Alexander Horn:Eine große Herausforderung für die Branche ist sicherlich, dass die Ansprüche unserer Kundinnen und Kunden ständig steigen. Nicht wir in der Pharmaindustrie setzen die Standards, sondern diese werden von den großen Consumer-Firmen – wie Apple, Amazon und auch Netflix – gesetzt. Die Erfahrungen, die im Privaten erlebt werden, übertragen Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten oder auch Kostenträger in den Berufsalltag und erwarten von uns als Pharmaindustrie, dass wir entsprechend passgenauer und integrierter kommunizieren.
Health Relations: Werfen wir einen Blick auf die Arztkommunikation: Auf welche Kanäle setzen Sie hier?Alexander Horn:Letztendlich ist es am effektivsten, wenn die Ärztinnen und Ärzte von Ärztinnen und Ärzten informiert werden. Daher organisieren wir viele Peer-to-Peer-Veranstaltungen, meist in Face-to-Face, wo Ärztinnen und Ärzte über unsere Medikamente referieren und im Sinne einer besten Patientenversorgung die Vor- und auch Nachteile der Medikamente darstellen. Um diese Präsenz-Veranstaltungen bauen wir dann virtuelle Interaktionen. Zum Beispiel über E-Mails, die der Außendienst direkt an seine Ansprechpersonen verschicken kann, oder aber über dritte Anbieter versendet werden.
Health Relations: Veranstaltungen, Peer-to-Peer-Kommunikation und E-Mail-Marketing sind also für Lilly wichtige Kanäle in der Arztkommunikation?Alexander Horn:Ja! Ein gesunder Mix zwischen Face-to-Face und virtuell ist erwünscht. Die durch die Corona-Pandemie erlernten Verhaltensweisen wollen wir weiter unterstützen. Ein Arzt soll letzten Endes selbst entscheiden, was er nutzen möchte. Ob er das Zeitinvestment tätigt, um auf Face-to-Face-Veranstaltungen zu kommen, oder lieber online teilnehmen möchte oder auf Plattformen geht, wo ihm die Informationen zur Verfügung stehen. Entscheidend dabei ist die Geschwindigkeit, die immer wichtiger wird, und die Flexibilität, sich die Information selbst ziehen zu können, wann immer gewünscht, oder zielgerichtet vom Außendienstmitarbeitenden zu erhalten. An der konsequenten Umsetzung dieser Integration arbeiten wir mit Nachdruck.
Health Relations: Welche Ziele stehen ganz oben auf Ihrer Agenda als Geschäftsführer bei Lilly Deutschland?"Die Standards werden von den großen Consumer-Firmen – wie Apple, Amazon und auch Netflix – gesetzt. Die Erfahrungen, die im Privaten erlebt werden, werden übertragen."Health Relations: Wie sieht die Antwort der Pharmabranche darauf aus?Alexander Horn: Wir erleben gerade sehr spannende Zeiten im Bereich des Pharmamarketings – mit zwei revolutionären Entwicklungen: Die eine ist, dass wir immer mehr in der Lage sind, datengestützte Entscheidungen zu treffen. Aus meiner Sicht wird das das Pharmamarketing revolutionieren. Denn wir erheben und analysieren heute deutlich mehr zielgerichtete Daten über Konsumentenverhalten als noch vor einigen Jahren. Das ermöglicht uns, Wünsche und Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden viel besser zu verstehen. Die zweite große Entwicklung ist das Omnichannel-Marketing. Denn die Daten ermöglichen uns die volle Integration von Face-to-Face und virtuellen Kanäle. Über Omnichannel-Marketing können wir unsere Zielgruppen umfassend informieren. Health Relations: Bleiben wir bei der Datenanalyse – wie gehen Sie diese bei Lilly an?Alexander Horn:Was wir versuchen, ist die Marktforschung sehr viel stärker mit dem Analytics-Team zu verknüpfen. In der Vergangenheit war es so, dass diese beiden Teams mehr oder weniger unabhängig voneinander agiert haben. Wir haben die zwei Bereiche jetzt unter einem Dach stärker miteinander verbunden, damit die Datenanalyse mit der Primär-Marktforschung Hand in Hand geht. Darüber hinaus haben wir eine große Initiative eingeleitet, die auch von Seiten unserer Mutterfirma koordiniert wird, und speziell auf die Ziele „Customized, Coordinated, Orchestrated“ ausgerichtet ist. Customized heißt so viel wie passgenaue Lösungen anzubieten. Coordinated bedeutet eine einheitliche Ansprache unserer Kunden und Kundinnen – egal welcher Bereich kommuniziert oder welcher Kommunikationskanal bedient wird. Beim Thema Orchestrated geht es um die volle Integration von Face-to-Face-Events und virtuellen Kanälen. Dabei sollen die Kundinnen und Kunden die Wahl haben, ob sie proaktiv von uns informiert werden wollen oder sich die Informationen holen möchten. Health Relations: Customized, Coordinated, Orchestrated – das sind große Worte. Wie lässt sich das umsetzen?Alexander Horn:Beispielsweise versuchen wir – und das ist, glaube ich, einzigartig zum jetzigen Zeitpunkt – die Medizin sehr stark mit der kommerziellen Seite zu verbinden. Wenn wir uns mit Beratungsfirmen unterhalten, sind wir momentan die einzige Firma, die versucht, die medizinische Seite mit der kommerziellen Seite zu vernetzen, so dass wir bei unseren Kundinnen und Kunden mit einer Stimme sprechen.
„Wenn wir uns mit Beratungsfirmen unterhalten, sind wir momentan die einzige Firma, die versucht, die medizinische Seite mit der kommerziellen Seite zu vernetzen, so dass wir bei unseren Kundinnen und Kunden mit einer Stimme sprechen.“Health Relations: Wie sieht diese Vernetzung konkret aus? Können Sie ein Beispiel nennen?Alexander Horn:Zum einen haben wir eine gemeinsame Plattform, eine IT-Lösung, geschaffen, wo wir die Touchpoint-Journeys, also Interaktionsreisen unserer Kundinnen und Kunden, integrieren. Auf diese Weise können beispielsweise die Kundeninteraktionen zwischen Medizin und Vertrieb zielgerichtet abgestimmt werden. Das andere ist nicht neu, aber genauso wichtig: Die Zusammenarbeit bei Lilly ist durch crossfunktionale Teams organisiert. Das bedeutet, dass wir nahtlos zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen zusammenarbeiten. Health Relations: Wie binden Sie den Außendienst in die interne Zusammenarbeit und Ihre Ziele einer passgenauen Ansprache mit ein?Alexander Horn: Hier läuft gerade ein großes Pilotprojekt, bei dem wir basierend auf Daten die Interaktionspräferenzen unserer Zielgruppen in unseren Entscheidungsprozess einbeziehen und dann über die Nutzung von Künstlicher Intelligenz die nächstbeste Interaktionsmöglichkeit dem Außendienst anbieten. Er oder sie hat dann die Möglichkeit, die KI-Empfehlung anzunehmen und umzusetzen oder auch nicht. Health Relations: Wie ist da die Resonanz der Mitarbeitenden? Wie kann man sie beim Thema Künstliche Intelligenz mitnehmen?Alexander Horn:Das ist natürlich das entscheidende Thema. Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden verstehen, dass die KI ein Partner ist und keine Bedrohung für sie darstellt. Hier haben wir sehr viel Zeit investiert, über den Kontext zu erklären, dass die Partnerschaft zwischen Maschine und Mensch die Arbeit des Menschen in Zukunft besser macht. Wir haben die Maschine als persönlichen Superassistenten für den einzelnen Außendienstmitarbeitenden positioniert und vermittelt: Je mehr der oder die Mitarbeitende mit diesem Superassistenten zusammenarbeitet, desto besser werden auch die Empfehlungen. Health Relations: Dazu gehören sicherlich viele Schulungen und behutsames Begleiten.Alexander Horn: Genau. Das geht nur schrittweise. Ich bin ein großer Verfechter davon, dass wir den Kontext erklären und unsere Kolleginnen und Kollegen eigenverantwortlich halten, indem wir ihnen erläutern, wo die Reise hingehen soll. Sprich: Die Leute entsprechend empowern, sich persönlich einzubringen. Health Relations: Klingt nach modernem Leadership. Wie wollen Sie die Unternehmenskultur gestalten?Alexander Horn:Die Arbeitsatmosphäre, die ich schaffen möchte, soll auf Vertrauen aufbauen. Ich würde das als „Psychological Safety“ titulieren. Mit unserem Lead-Team haben wir hierfür drei Komponenten herauskristallisiert: Die Förderung einer positiven Grundeinstellung, nach dem Motto: Das Glas ist halbvoll und eben nicht halbleer. Wir wollen eine tolerantere Lern- und Fehlerkultur entwickeln und mit Unsicherheiten besser umgehen. Getreu dem Motto aus den USA: We building the bridge as we cross it. Und der dritte Aspekt ist, dass wir kontinuierlich unsere eigene Performance messen wollen, um uns kontinuierlich verbessern zu können. Health Relations: Nehmen Sie dieses Mindset aus Ihrer neunjährigen Berufserfahrung in Japan und in den USA mit, wo sie leitend tätig waren?Alexander Horn:Der japanische Markt ist natürlich hochinteressant und sehr spannend. Hier ist mir ein Thema sehr ans Herz gewachsen. Das ist der perfektionierte Servicegedanke. In Japan gibt es einen Begriff dafür: Er nennt sich „omotenashi“. Dabei versuchen die Japaner zu antizipieren, was sich der Kunde oder die Kundin wünscht – und dem wollen sie zuvorkommen. Wir würden es umgangssprachlich wahrscheinlich so formulieren: Ständig zu versuchen, sich in die Schuhe des anderen zu stellen, um dann proaktiv zu handeln, bevor der andere den Wunsch überhaupt ausgesprochen hat. Ein ganz spannender Ansatz. Health Relations: Und diesen Servicegedanken haben Sie für sich und Ihre Ziele bei Lilly mitgenommen?Alexander Horn: Den hab ich mitgenommen. Die gesamte Organisation in diese Grundeinstellung zu bekommen, ist natürlich Chance und Herausforderung zugleich. Was wir bei Lilly in der deutschen Niederlassung versuchen, ist über persönliche Kontakte diese positive Kundenerfahrung zu generieren. Hier kann jeder Einzelne im Kundenkontakt den Unterschied machen. Health Relations: Omotenashi ist also eher im persönlichen Kontakt möglich, über das Digitale schwer zu realisieren?Alexander Horn: Ja, das ist über das Digitale schwerer zu erzielen. Sicherlich steht hier der persönliche Kontakt klar im Vordergrund. Wir versuchen aber, über Künstliche Intelligenz und intelligente Algorithmen den Ansatz auch ins Virtuelle zu übertragen, weil wir anhand der datengestützten Entscheidungen die Möglichkeit haben, die bestmögliche Interaktion mit dem Kunden bzw. der Kundin vorherzusagen und dann über den Außendienst entsprechend zu implementieren.
Über Dr. Alexander Horn, Geschäftsführer Lilly Deutschland, Österreich, Schweiz
- Seit dem 1. Juni 2023 ist Alexander Horn Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Lilly Deutschland GmbH am Unternehmenssitz in Bad Homburg und verantwortet außerdem die Tochtergesellschaften von Eli Lilly and Company in Österreich und der Schweiz.
- Zuvor war er mehr als 20 Jahre in diversen Funktionen bei Lilly tätig, 12 Jahre davon in verschiedenen internationalen Marketing-Rollen bei Eli Lilly and Company in den USA sowie in Japan. Alexander Horn ist promovierter Biologe, er studierte an der Universität Würzburg.