Patrick Markt-Niederreiter, Daiichi Sankyo: „Relevanz statt Masse“

Patrick Markt-Niederreiter, Vice President Digital Excellence bei Daiichi Sankyo Europe, gibt Einblicke in die Marketingstrategien seines Unternehmens. Er zeigt auf, dass sich das Pharmamarketing in einem fundamentalen Wandel befindet, bei dem Relevanz, Vertrauen und digitale Lösungen in den Fokus rücken. Er berichtet, warum weniger manchmal mehr ist, wie die Zukunft des Marketings im Zusammenspiel von Mensch und Technologie aussehen könnte und warum Kooperationen dabei unerlässlich sind.
Von der E-Mail-Flut zur gezielten Ansprache: Ein radikaler Perspektivwechsel
„Mehr ist nicht immer besser“, betont Patrick Markt-Niederreiter gleich zu Beginn des Gesprächs. „Die technischen Möglichkeiten verführen uns dazu, immer mehr Inhalte zu erstellen – aber was wirklich zählt, ist Relevanz.“ Statt Ärzte und Ärztinnen mit einer Flut an E-Mails zu überschütten, verfolgt Daiichi Sankyo einen selektiven Ansatz: Eine einzige, gut durchdachte E-Mail pro Quartal, die relevante Informationen liefert, soll den Unterschied machen.
Das Unternehmen experimentiert zudem mit neuen Modellen: „Wir möchten in naher Zukunft auf zeitlich begrenzte Opt-ins setzen, die nach drei Monaten automatisch enden. Ärzte und Ärztinnen entscheiden dann aktiv, ob sie weiterhin Informationen von uns erhalten möchten“, erklärt Markt-Niederreiter. Mit dieser Form der Transparenz und Kundenfreundlichkeit will die Firma Vertrauen schaffen – einen Aspekt, den man bei Daiichi als zentral ansieht. „Es geht nicht darum, einfach nur Inhalte zu liefern, sondern um vertrauensbildende Maßnahmen, die eine echte Beziehung zu unserer Zielgruppe aufbauen.“
„Wir veranstalten Open-House-Events, beteiligen uns an internationalen Kongressen und vernetzen uns gezielt mit innovativen Partnerinnen und Partnern. So entstehen Lösungen, die wir alleine nicht entwickeln könnten“
Innovation durch Kollaboration: Wie digitale Gesundheitslösungen entstehen
Der digitale Wandel macht auch vor der Pharmabranche nicht halt, und Daiichi Sankyo hat diesen als Chance erkannt, betont Markt-Niederreiter. „Unsere Vision ist es, ganzheitliche Gesundheitslösungen zu entwickeln – und dafür brauchen wir starke Partnerschaften.“ Ein Beispiel dafür ist der „DS Space“, ein Innovationshub, der als Plattform für den Austausch zwischen Start-ups, etablierten Unternehmen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dient.
„Wir veranstalten Open-House-Events, beteiligen uns an internationalen Kongressen und vernetzen uns gezielt mit innovativen Partnerinnen und Partnern. So entstehen Lösungen, die wir alleine nicht entwickeln könnten“, berichtet Markt-Niederreiter. Diese Zusammenarbeit erstreckt sich über viele Bereiche: Von der Diagnose über das Monitoring bis hin zur Therapie von Herzerkrankungen wie Vorhofflimmern arbeitet Daiichi Sankyo daran, die Versorgungslücken durch digitale Ansätze zu schließen.
Eine besondere Stärke des Unternehmens liegt in der Kombination von internen Kompetenzen und externen Partnerinnen und Partnern. Markt-Niederreiter: „Wir haben ein eigenes Team für Advanced Analytics und KI, das uns große Freiheiten gibt, neue Ideen auszuprobieren. Gleichzeitig arbeiten wir mit strategischen Partnern wie Veeva zusammen, um unsere Lösungen weiterzuentwickeln.“
Skalierbarkeit als Erfolgsfaktor: Warum der lange Atem zählt
Für Markt-Niederreiter ist die Skalierbarkeit von digitalen Lösungen ein zentraler Hebel für die Zukunft der Gesundheitsversorgung. „Natürlich generieren digitale Lösungen anfangs weniger Umsatz als klassische Medikamente. Aber ihre Reichweite ist potenziell viel größer“, sagt er. Er veranschaulicht dies am Beispiel von digitalen Plattformen: „Wenn wir es schaffen, eine umfassende Plattform für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln, könnten wir Millionen von Patientinnen und Patienten weltweit erreichen. Das ist eine Dimension, die mit klassischen Ansätzen nicht zu realisieren ist.“
Doch Skalierbarkeit braucht Geduld – und einen Paradigmenwechsel im Denken der Branche. „Wir müssen wegkommen von der Idee, dass digitale Lösungen sofort enorme Umsätze generieren müssen. Stattdessen sollten wir ihre langfristigen Potenziale betrachten – sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Verbesserung der Patientenversorgung.“
Auf dem Weg dahin sieht Markt-Niederreiter die Rolle des Marketings als Schlüssel: „Unser Marketing muss von Anfang an global und divers gedacht werden. Unterschiedliche Zielgruppen – von Patientinnen und Patienten bis hin zu Fachärztinnen, Fachärzten – erfordern individuell angepasste Anspracheformen. Dies macht das Marketing komplexer, aber auch effektiver.“
Von Mut und Führung: Pharmamarketing gestaltet an der Zukunft mit
Der Weg zu innovativen Lösungen ist jedoch kein leichter. Markt-Niederreiter beschreibt, wie wichtig es ist, eine Kultur des Ausprobierens und des Scheiterns zu etablieren: „Es ist essenziell, Dinge zu testen und auch akzeptieren zu können, wenn etwas nicht funktioniert. Nur so können wir herausfinden, was wirklich sinnvoll ist.“ Diese Haltung fordert er nicht nur von seinen Kolleginnen und Kollegen, sondern auch von sich selbst: „Wir brauchen Führungskräfte, die bereit sind, mutig neue Wege zu gehen und andere dabei mitzunehmen.“
„Stellen Sie sich vor, wir hätten eine gemeinsame App für Krebspatientinnen und Krebspatienten, die alle relevanten Informationen bündelt. Das wäre ein riesiger Fortschritt.“
Ein weiteres Hindernis sieht Markt-Niederreiter in der mangelnden Zusammenarbeit innerhalb der Branche. „Was wir in der Pandemie geschafft haben – die Kooperation zwischen Pharmafirmen, um Impfstoffe schnell zu entwickeln – sollte auch in anderen Bereichen möglich sein. Stellen Sie sich vor, wir hätten eine gemeinsame App für Krebspatientinnen und Krebspatienten, die alle relevanten Informationen bündelt. Das wäre ein riesiger Fortschritt.“
Für die Umsetzung dieser Vision setzt Daiichi Sankyo auch auf die Integration von KI. „Wir verwenden KI nicht nur zur Datenanalyse, sondern auch, um Inhalte gezielter und effizienter zu erstellen. Das hilft uns, nicht nur schneller, sondern auch besser zu werden“, sagt Markt-Niederreiter.
Fazit: Eine neue Art des Pharmamarketings
Daiichi Sankyo zeigt, wie modernes Pharmamarketing aussehen kann: weniger Massenkommunikation, mehr Relevanz. Weniger Einzelkämpfertum, mehr Zusammenarbeit. Weniger kurzfristige Gewinne, mehr langfristige Visionen. „Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, die die Gesundheitsbranche nachhaltig verändern wird“, resümiert Patrick Markt-Niederreiter. „Und wir haben die Chance, diese Veränderung aktiv zu gestalten – wenn wir mutig genug sind, groß zu denken.“