Nach dem großen Markenrelaunch bei Merck folgte der Umbau der Unternehmenswebseite. Für den vierten Teil unserer Merck-Serie sprachen wir mit dem Head of Digital Channels über Ablauf und Erkenntnisse des Relaunches.
Innerhalb von sieben Monaten hat ein 30-köpfiges Kernteam die
Unternehmenswebseite von Merck komplett überarbeitet und dem neuen Markenkern angepasst. Der Head of Digital Channels, Frank Sielaff, hat uns verraten, wie der Relaunch vorbereitet wurde, welche Stolpersteine und Learnings es gab und was er für Projekte dieser Art rät.
Health Relations: Wie haben Sie die inhaltliche Schwerpunkte der neuen Unternehmenswebseite festgelegt?Frank Sielaff: Die alte Unternehmenswebseite haben wir im Jahr 2007 erstellt. Nachdem das Unternehmen seitdem zwar immer wieder kleine Anpassungen vorgenommen hat – zuletzt im Oktober 2015 zum Markenrelaunch –, wir die ganze Webseite ziemlich radikal umgestellt. Gestartet haben wir mit der globalen Webseite und werden in den nächsten Monaten auch die jeweiligen Länderseiten überarbeiten.
Unsere Zielgruppen befinden sich im Corporate-Umfeld: Journalisten, Investoren, Business-Kunden, Innovationspartner – und ein ganz großer Teil sind Bewerber. Recruiting und Employer Branding sind daher zwei neue Schwerpunkte: Es gibt eine neue Bildwelt, einen neuen Tone of Voice. Das alles hebt uns klar vom Wettbewerb ab.
Nach dem Projektstart haben wir zunächst Mitarbeiterbefragungen aus verschiedenen Geschäftsbereichen durchgeführt. Parallel lief eine Umfrage auf unserer Unternehmenswebseite. Zusammen mit den Trackingstatistiken der alten Webseite ergab sich ein interessantes Bild davon, welche Inhalte relevant sind. Diese Ergebnisse bildeten die Basis unseres Content Audits. Darauf aufbauend haben wir die Informationsstruktur und den Content Stream entwickelt. Er legt fest, auf welche Bereiche wir uns konzentrieren. Unsere Zielgruppen hatten wir dabei natürlich immer fest im Blick.
Die derzeit laufende digitale Markenkampagne #catchcurious liefert zum Beispiel sehr schönen Content. Weitere Inhalte kommen aus den Geschäftsbereichen.
In Zukunft wollen wir den Fokus neben der klassischen Content-Produktion auf Content Marketing legen. Dazu haben wir im letzten Jahr schon sehr erfolgreiche Tests durchgeführt.
Der "War Room" beim Relaunch der Unternehmenswebseite von Merck.
Health Relations: Wie haben Sie den Ablauf des Projekts geplant?Scrum ist ein Vorgehen im Projektmanagement, bei dem ein komplexes Projekt in viele Zwischenschritte runtergebrochen wird. Frank Sielaff: In den ersten Monaten der Konzeption haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie wir unsere Abstimmungsstrukturen – unser Content Decision Board – und unsere internen Prozesse neu strukturieren. Technisch haben wir uns für eine agile Entwicklung entschieden und das Projekt über Scrum vorangetrieben.
Um diese neue Methode einzuführen, haben wir zunächst einen Prototyp aufgesetzt. Dabei hat sich schon nach zwei Monaten gezeigt, dass die Kombination aus internen Ressourcen und dem gewählten Lieferantenset nicht zu den gewünschten Ergebnissen führte. Am Ende des Prototypen mussten wir feststellen, dass das Team aus technischer Entwicklung und Designer/Konzepter nicht gut funktioniert hat. Das hatte persönliche Gründe, die Zeitzonen lagen weit auseinander und es gab kulturelle Unterschiede… Daraufhin mussten wir auf Seiten der technischen Umsetzung, der Kommunikation, der Konzeption und des Designs harte Schnitte vornehmen und ein paar der Lieferanten wechseln. Als Folge dessen haben wir uns dazu entschieden, die Abstimmung zwischen Design und Technik nicht mehr intern abzuwickeln, sondern auszulagern. Wir haben uns also eine Agentur gesucht, die beides kann und die Unternehmenswebseite innerhalb von sieben Monaten umgesetzt hat.
Ein Sprint ist der jeweils nächste Zyklus eines Scrum-Projekts.Der Prototyp hat uns geholfen, uns intern zu finden – so ein Entwicklungsschritt ist nicht zu unterschätzen! Auch für die Aufmerksamkeit für unser Projekt seitens der oberen Managementebenen war dieses Vorgehen gut: Eine Unternehmenswebseite neu aufzubauen bedeutet schließlich auch, eine Darstellung des Gesamtunternehmens zu schaffen. Und das ist für Merck als Unternehmen mit drei unterschiedlichen Unternehmensbereichen alles andere als einfach. Dank der neuen Projektstruktur war unser agiler Ansatz dann sehr erfolgreich: Design und technische Implementierung konnten wir jeweils in Zwei-Wochen-Sprints abarbeiten.
Health Relations: Wie haben Sie die Motivation des Kernteams aufrecht gehalten?Der Backlog ist der Detailplan eines Scrum-Projekts.Frank Sielaff: Ein wichtiger Aspekt war, allen Projektbeteiligten unseren agilen Ansatz immer wieder zu erläutern. „Agil“ hat zwar den Effekt, dass man irgendwann definiert, was für Komponenten man im Backlog haben möchte. Aber es kann auch passieren, dass diese Komponente etwas später kommt. Wenn jetzt jemand auf genau diese Komponente gewartet hat, um die Freigabe von seinem Vorgesetzten einzuholen und die Komponente zum Termin nicht fertig war, dann frustriert das.
Um das aufzufangen, haben wir uns zum ersten Mal einen Change Manager fürs Projekt ins Boot geholt. Er hat uns in der internen Kommunikation unterstützt und regelmäßig sogenannte „Health Checks“ durchgeführt. Einmal im Monat hat er das gesamte 30-köpfige Kernteam interviewt: Wie klar ist dir der Scope des Projekts? Wie sehen deine Ressourcen aus? Wie stehst du zum Projekt? Das hat mir geholfen, eine „Unmutsstimmung“ rechtzeitig zu erkennen. Die Interviews haben wir analysiert, Ergebnisse monatlich im Kernteam veröffentlicht und Korrekturmaßnahmen ergriffen. Ich kann also schön zeigen, welche Probleme wann auftraten und wie wir darauf reagiert haben.
Kaffeetassen im War Room
Das Wechseln des Dienstleistersetups nach dem Prototyp hat das Team natürlich teilweise demotiviert, was ich auffangen musste.
Change Acceptance ist eine Sache – wir haben dann aber auch einen Leader-Workshop mit den Vorgesetzten meines Kernteams gemacht, um noch mal Vision und Mission des neuen Projekts zu bestimmen. Anschließend spürte ich deutlich eine bessere Stimmung und Motivation.
Neuer Ansatz beim Relaunch der Unternehmenswebseite: Barcamps
Frank Sielaff: Aufgrund der regelmäßigen Health Checks haben wir zum Beispiel auch frühzeitig gemerkt, als es gerade im Bereich Content schwierig wurde. Das Feedback der Geschäfte war: „Wir gehen im Tagesgeschäft unter, wir wissen nicht, wie die neuen Komponenten aussehen werden, und für die vielen Abstimmungen haben wir keine Zeit.“ Daraufhin haben wir drei Barcamps initiiert. In den letzten drei Monaten vor dem Launch haben wir jeweils an zwei Tagen versucht, alle Projektbeteiligten an einen Tisch zu bringen und diverse Themen zu besprechen. Das war für viele ein neues Format und hat eine tolle Dynamik erzeugt.
Health Relations: Wie haben Sie den Relaunch gefeiert?Frank Sielaff: Den Abend des Relaunches haben wir im Innenhof unseres Innovationszentrums bei Barbecue und Cocktails gefeiert. Physisch feiert es sich dann doch besser als nur digital.
Keine Angst vor großen Projekten!
Frank Sielaff: Der Relaunch der Unternehmenswebseite hat klar gezeigt:
Die Zeiten der Monsterprojekte sind vorbei. Es ist viel sinnvoller, sich auf Zeitfenster von wenigen Monaten zu konzentrieren und mit einem agilen Ansatz kleine Einheiten zu entwickeln. Schließlich findet auch ein Webseiten-Projekt in einem sich ständig ändernden Umfeld statt. Allein in meinem Kernteam haben im Verlauf des Projekts sieben Personen die Rollen gewechselt. Es findet ständig so viel Veränderung statt, dass es sinnvoll ist, ein großes Projekt in kleine Abschnitte aufzuteilen.
Und es ist auch nicht schlimm, wenn mal was schiefgeht.Frank Sielaff leitet die Einheit „Digital Channels” in der Konzernkommunikation von Merck, einem globalen Wissenschafts- und Technologieunternehmen. Dort verantwortet er die digitale Kommunikationsstrategie, den Corporate-Web- und Social-Media-Auftritt, sowie das Merck-interne globale Social Intranet. Zuvor hatte Frank Sielaff verschiedene Positionen innerhalb der Merck-Unternehmens-IT inne.Alle Bilder: © Merck