Technologien wie Künstliche Intelligenz und datengesteuerte Prozesse verändern nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch das Pharmamarketing grundlegend. Stefan Schmidt, Group Product Manager bei Bayer, gab anlässlich des Veeva Commercial Summit Europe 2024 in Madrid in einem Interview Einblicke, wie Bayer auf „harmonisierte Daten“ setzt, um neue Anwendungen zu entwickeln und Arbeitsprozesse zu optimieren.

„Die Pharmaindustrie hat das Potenzial, mit neuen Technologien wie KI einen enormen Mehrwert zu schaffen. Doch dieser Prozess beginnt mit harmonisierten Daten“, erklärt Schmidt. Gemeint sind damit Daten, die aus verschiedenen Quellen konsolidiert und standardisiert werden, um eine einheitliche Grundlage für Analysen und Entscheidungen zu schaffen. Bei Bayer entschied man sich daher bewusst für die Integration einer einheitlichen Datenbank („OpenData“) ins CRM-System, um globale Standards zu schaffen. Gleichzeitig obliegt es den jeweiligen Unternehmensvertretungen in den einzelnen Ländern, selbst zu entscheiden, wie sie harmonisierte Datenquellen implementieren und nutzen. OpenData“ ist eine Veeva-spezifische Lösung, die standardisierte Daten über HCPs und Gesundheitsorganisationen bereitstellt. Dabei handelt es sich um eine kommerzielle Lösung, die in das Veeva-Ökosystem integriert ist, und nicht um „offene Daten“ im klassischen Sinne.

Ein praktisches Beispiel aus dem Bayer-Außendienst zeigt, wie schnell harmonisierte Daten eine Veränderung bewirken: „Ein Sales-Mitarbeiter bereitete sich auf ein Meeting mit einem Arzt vor, dessen Daten noch nicht im System waren. Als er nach dem Meeting zurückkam, waren die Daten bereits verfügbar,“ berichtet Schmidt. Solche schnellen Prozesse schaffen Vertrauen und Akzeptanz bei den Mitarbeitenden.

Digitalisierung als Kulturwandel

Die Einführung neuer Technologien erfordert nicht nur technische Lösungen, sondern auch einen kulturellen Wandel. Gerade im Außendienst zeigt sich, dass jüngere und technikaffine Mitarbeitende oft schneller bereit sind, neue Tools zu nutzen. „Wir müssen unsere Mitarbeitenden dort abholen, wo sie stehen,“ betont Schmidt. Bayer setzt dabei auf eine Kombination aus benutzerfreundlichen Features und gezielter Kommunikation. „Wenn die Tools den Alltag erleichtern, steigt die Akzeptanz automatisch.“

Ein spannendes Potenzial sieht Schmidt im Einsatz von Voice-Technologien: „Wenn Systeme wie Alexa oder Siri als Vorbild dienen, könnten wir ähnliche Nutzererfahrungen schaffen, die den Außendienst noch stärker entlasten.“ Aber auch hier gilt: Der Nutzen muss klar erkennbar sein, und die Einführung erfolgt schrittweise.

Engere Zusammenarbeit von Medical und Commercial

Eine zentrale Herausforderung in der Pharmaindustrie ist die Zusammenarbeit zwischen Medical und Commercial. Schmidt erläutert: „Es gibt regulatorische Vorgaben, die eine vollständige Integration verhindern. Dennoch arbeiten wir daran, die Kommunikation zwischen den Teams zu verbessern.“ Ein Beispiel ist die Implementierung von Instant Messaging-Lösungen, mit denen Außendienstmitarbeitende medizinische Anfragen schnell weiterleiten können, ohne dass es zu Kommunikationsbrüchen kommt. Diese Verbesserungen haben nicht nur interne Vorteile, sondern stärken auch die Wahrnehmung des Unternehmens bei der Zielgruppe. „Ärztinnen und Ärzte wollen das Gefühl haben, mit Bayer als Ganzes zu kommunizieren und nicht mit separaten Abteilungen.“

„Das Fundament dauert immer am längsten, aber sobald es steht, können wir mit spannenden Entwicklungen und Erkenntnissen rechnen.“

Die Harmonisierung der Daten bildet die Basis für viele zukünftige Entwicklungen. Schmidt hebt hervor, wie wichtig es ist, dieses Fundament zuerst zu schaffen, bevor man neuartige Projekte angeht: „Das Fundament dauert immer am längsten, aber sobald es steht, können wir mit spannenden Entwicklungen und Erkenntnissen rechnen.“

Ein Beispiel für zukünftige Entwicklungen sind digitale Assistenten und KI-gestützte Lösungen, die personalisierte Customer Journeys ermöglichen. „Eine Customer Journey sollte wie eine Melodie gestaltet sein,“ beschreibt Schmidt. Bayer plant, neue Tools zu testen, um diese Vision umzusetzen.

Erst das Fundament, denn die „spannenden Sachen“

Langfristig sieht Schmidt die Rolle der Pharmaindustrie in einem umfassenderen Kontext. „Ich glaube, dass Pharma in Zukunft eine stärkere Rolle in der Gesundheitsaufklärung spielen wird, auch in Richtung Patientinnen und Patienten. Allerdings ist der Weg dorthin gerade in Deutschland noch mit Herausforderungen gepflastert, insbesondere im Bereich Datenschutz.“ Der erste Schritt sei die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen, um qualitativ hochwertige Informationen bereitzustellen.

Bayer zeigt, wie die Kombination aus technologischer Innovation, harmonisierten Daten und kulturellem Wandel die Basis für den Erfolg im digitalen Zeitalter legt. Mit einem klaren Fokus auf Kooperation, schrittweiser Einführung und der Optimierung interner Prozesse sieht sich das Unternehmen gut gerüstet, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Wie Schmidt abschließend betont: „Sobald das Fundament steht, fangen die spannenden Sachen an.“