Dr. Holger Bartos ist Head Global Patient Engagement Center of Excellence bei Boehringer Ingelheim International. Sein Job: die Patientenperspektive im Unternehmen zu verankern. Zum Beispiel mit dem Global Patient Partnership Summit, der in diesem Jahr erstmals in Präsenz stattfand.
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Global Patient Partnership Summit
Boehringer Ingelheim entwickelte den Kongress
Global Patient Partnership Summit (GPPS) in Zusammenarbeit mit einem Board aus Patientenorganisationen, Patient:innen und Care Givern. Die dreitägige Veranstaltung ist länder- und therapieübergreifend konzipiert. Zum ersten Mal fand das GPPS 2021 in rein digitaler Form statt, 2023 folgte die Fortsetzung in Präsenz an drei Orten gleichzeitig: Miami, Singapur und Wien. Der Erfahrungsaustausch und Dialog über Best Cases mündet in Projekten, die das Gesundheitssystem nachhaltig verbessern sollen. Bis zu 80 Teilnehmende pro Standort zählte das Summit. Einige Inhalte wurden zusätzlich digital begleitet.
Health Relations: Das Global Patient Partnership Summit hat sich als Ziel gesteckt, konkrete Projekte zu entwickeln, die die Situation von Erkrankten verbessern können. Was sind das für Projekte?Holger Bartos: Das können unterschiedliche Projekte sein, die wir als Boehringer Ingelheim zusammen mit Patientenorganisationen oder die Teilnehmenden selbstständig umsetzen. Nach dem ersten Summit 2021 haben wir vier Projekte identifiziert, mit denen wir gestartet sind. Da ging es zum Beispiel darum, einen Blueprint zu erstellen, wie wir sinnvoll Patient:innen und ihre Perspektive in die Entwicklung von Medizinprodukten einbringen können. Weiterhin ging es um eine bessere Einbindung von Patient:innen in das Design von klinischen Studien. Ein weiteres Projekt beschäftigte sich intensiv mit der Patient Journey und der Frage, wie und an welchen Stellen wir Patient:innen besser unterstützen müssen. Das vierte Projekt behandelte die Frage, wie man über Hausärzte Patient:innen weitergehende Informationen zu ihrer Krankheit und zu relevanten Patientenorganisationen zur Verfügung stellen kann.
Health Relations: Wie wählen Sie die Partner:innen für das GPPS und die jeweiligen Indikationen aus?Holger Bartos: Patient Engagement ist Teil unserer Unternehmenskultur. Das heißt, dass wir langfristige Zusammenarbeiten mit Patient:innen und Patientenorganisationen unterhalten. Natürlich in den Indikationen, in denen wir als pharmazeutisches Unternehmen tätig sind. Von daher haben wir Boards für langfristige Zusammenarbeiten, denn wir haben auch andere Projekte mit Patientenorganisationen, um Patient Engagement zu fördern und gemeinsame Lösungen für die Verbesserung von Gesundheitssystemen zu erarbeiten. Im Sinne von einer mehr patientenzentrierten Behandlung. Mit einem internationalen Patienten-Board haben wir auch vor der GPPS 2023 zusammen die Themenbereiche Patient Empowerment, integrative Therapie, Mehrfach-Erkrankungen und Patient Experience Data festgelegt. Das sind Daten zu den Erfahrungen von Patienten und Patientinnen über ihre Krankheit und ihre Behandlung sowie über ihre Bedürfnisse und ihre Erwartungen. Die Frage ist, wie man es Patientenorganisationen ermöglichen kann, diese Daten mit wissenschaftlich anerkannten Methoden zusammenzutragen, denn Zulassungsbehörden und Erstatter gehen mehr und mehr auch auf Patientenorganisationen zu, um jene Informationen von ihnen abzurufen. Zusammen sind wir dann auf dem GPPS 2023 mithilfe von agilen Methoden wie Design Thinking in sehr kurzer Zeit zu Lösungsvorschlägen für diese vier Themen gekommen und sind jetzt dabei, daraus konkrete Projekte abzuleiten.
Health Relations: Digital vs. Präsenz: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, was kam besser bei den Teilnehmenden an?Holger Bartos: Teile des Summits konnten digital verfolgt werden, wir haben auch Online ein Forum für den Austausch geschaffen. Aber der Wunsch war, zusammenzukommen, sich zu vernetzen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Da hilft es, wenn man sozusagen vor Ort zusammen in einem Raum ist. Das belegt auch die positive Resonanz, die wir nach dem Summit von den Teilnehmenden erhalten haben.
Health Relations: Konnten sich auch Personen jenseits der existierenden Partnerschaften für eine Teilnahme bewerben?Holger Bartos: Nein, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren weitgehend alles Organisationen, mit denen wir schon längerfristig zusammenarbeiten. Das war auch sehr vorteilhaft, um einen guten Mix zu haben zwischen den verschiedenen Indikationen, verschiedenen Ländern, Betroffenen, Expert:innen und auch Mitarbeiter:innen. Zwei Drittel der Anwesenden waren Patient:innen und Vertreter:innen von Patientenorganisationen.
Health Relations: Wie lange haben Sie die Veranstaltung vorbereitet?Holger Bartos: Also im Prinzip haben wir nach dem ersten Summit bereits angefangen mit der Planung des zweiten. Das eine ist dabei die Planung für den nächsten Event. Wir fangen jetzt bereits an mit der Planung für unser GPPS 2025. Das andere ist, dass nach jedem Summit entsprechende Projekte initiiert werden, die dann sowohl in globale Projekte, regionale Projekte oder auch lokale Projekte übertragen werden.
"Wir ermöglichen auch die direkte Einbindung von Patienten, Patientinnen und Patientenorganisationen in die Entwicklung unserer Medikamente und Gesundheitslösungen."
Health Relations: Lassen Sie uns kurz über Ihr Team und Ihre Position sprechen. Sie haben in diesem Jahr den Summit in Miami geleitet. Wie sind Sie in dem Team positioniert und was will es genau erreichen?Holger Bartos: Ich habe Biologie studiert, war dann in der Entwicklung von Medizinprodukten in der Bio-Pharma und im Digital Health-Bereich tätig und bin seit zwei Jahren in unserer Abteilung Global Patient Engagement tätig. Diese Abteilung hat die Aufgabe, systematisch die Patientenperspektive in all unseren Entscheidungen und Handlungen einzubringen und unsere Patient Centricity Culture weiterzuentwickeln. Und dazu treten wir frühzeitig in der Entwicklung unserer Therapien und Serviceangebote mit Patientenorganisationen, Patient:innen und Care Givern in Kontakt, um von deren Erfahrungen zu lernen und herauszufinden, was für die jeweilige Indikation die Bedürfnisse und Präferenzen der Patient:innen sind. Wir ermöglichen auch die direkte Einbindung von Patienten, Patientinnen und Patientenorganisationen in die Entwicklung unserer Medikamente und Gesundheitslösungen. Das ist das, was wir als Patient Engagement bezeichnen. Wir möchten so zum bevorzugten pharmazeutischen Partner für die Patient:innen werden.
Health Relations: Wie ist Ihre Abteilung aufgebaut?Holger Bartos: Die Global Patient Engagement-Abteilung ist in einzelne Units gegliedert. Ich selber leite innerhalb dieser Abteilung ein Team mit dem Namen Global Patient Engagement Center of Excellence. Die Aufgabe dieses Teams ist es, sicherzustellen, dass die Patient:innen-Perspektive von Beginn an systematisch über die gesamte Therapie-Entwicklung bis zur Zulassung und darüber hinaus berücksichtigt wird. Zum Beispiel durch die Anpassung von Prozessen und Verfahrens-Anweisungen, aber auch in Form von Trainings für Cultural Change. Wir wollen es unseren Entwicklerteams so einfach wie möglich machen, mit Patient:innen zusammenzuarbeiten. Sie wissen, wir sind als Pharmaunternehmen in einem regulierten Umfeld unterwegs. Es gibt viele Dinge zu berücksichtigen, das sind natürlich auch Barrieren. Sie können nicht einfach die Patienten und Patientinnen anrufen und nach ihren Erfahrungen fragen. Zum anderen wollen wir es natürlich auch den Patient:innen so einfach wie möglich machen, mit uns zusammenzuarbeiten, zum Beispiel dadurch, dass wir eine vereinfachte Vertragsgestaltung haben mit einer Sprache, die auch Nichtjuristen verstehen.
Health Relations: Wenn wir auf das große Ganze schauen: Welche Funktion kann die Pharmabranche einnehmen, um ein Value Based Gesundheitssystem in Deutschland zu gestalten?Holger Bartos: Wir sind Teil des Gesundheitssystems und hier sicherlich auch in einer gewissen Schlüsselposition, wenn es darum geht, Patient:innen Gehör zu verschaffen. Dadurch, dass wir wirklich Patient:innen einbinden, um innovative Medikamente und Gesundheitsleistungen entwickeln, die einen Mehrwert für sie darstellen. Aber auch wir selber müssen als Pharmabranche Patient Engagement noch mehr leben. Ich glaube, dass die Pharmabranche auf einem guten Weg ist. Glücklicherweise hat sich das Rollenverständnis von Patient:innen im Gesundheitswesen in meinen Augen bereits maßgeblich verbessert, sie sind mehr gleichberechtigte Partner in der Therapie. Ich bin überzeugt, dass Projekte wie das GPPS dazu beitragen, Verbesserungen im Gesundheitssystem zu erzielen.
Health Relations: Der Arzt, die Ärztin spielt beim GPPS eine untergeordnete Rolle, richtig?Holger Bartos: Sie sind natürlich ein ganz wesentlicher Stakeholder im Gesundheitssystem und wir haben entsprechend auch viele Aktivitäten und Zusammenarbeiten mit ihnen. Aber mit Blick auf das GPPS ist es in der Tat so, dass wir uns auf die verschiedenen Patientenorganisationen aus den verschiedenen Indikationen fokussieren.
" Der Ansatz war ambitioniert, aber gut. Ob es die gleichen Standorte werden, das werden wir prüfen."
Health Relations: 2025 findet also das nächste Global Patient Partnership Summit statt. Bleibt es bei der Auswahl der Orte und bei dem Konzept?Holger Bartos: Wir werden sehen. Ich denke, es war gut, drei regionale Veranstaltungen zu machen und trotzdem zu versuchen, ein Dach darüber zu bilden. Auch durch die Möglichkeit, sich virtuell zu vernetzen, über die Standorte hinaus Informationen zu teilen und Teilnehmenden virtuell eine gewisse Beteiligung zu ermöglichen. Der Ansatz war ambitioniert, aber gut. Ob es die gleichen Standorte werden, das werden wir prüfen.
Health Relations: Haben Sie für diese Veranstaltung eine eigene Plattform geschaffen, über die sich die Teilnehmenden vernetzen können?Holger Bartos: Wir haben eine eigene App programmiert.
Health Relations: LinkedIn war einer Ihrer Kommunikationskanäle für die Veranstaltung. Haben Sie auch hier die Teilnehmer:innen einbezogen?Holger Bartos: Wir haben an die Teilnehmenden eine Information herausgegeben, dass wir sie nicht einschränken in dem, was sie schreiben möchten in Social Media. Wir haben aber darauf hingewiesen, dieses dem HWG und anderen, internationalen Regularien entsprechend zu tun, also Produktnamen etc. zu vermeiden. Damit haben wir die Teilnehmer:innen bewusst in die Kommunikation einbezogen in Abstimmung mit unseren Social-Media-Guidelines. Auch das ist ein Teil dessen, was wir als Patient-powered Progress bezeichnen.