Personalberater Karsten Matthes: „Wir müssen uns viel, viel schneller anpassen“
"Lösungen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, werden in den Fokus rücken und uns in Zukunft einiges abnehmen."Health Relations: Was sollte man unbedingt mitbringen, um in der Healthcare-Branche Karriere zu machen?Karsten Matthes: Im Zentrum sollte die Frage stehen: Was wird in Zukunft wichtig sein? Das erfordert, die Dinge vom Ende her zu denken und sich die Frage zu stellen, worauf das eigene Handeln abzielt. Gegenüber anderen Industrien haben Mitarbeiter der Gesundheitsbranche einen klaren Vorteil: Die Frage nach einer sinnstiftenden Tätigkeit liegt hier näher – ist das Handeln doch am Ende auf das Gemeinwohl eines Patienten ausgerichtet. Im Zentrum des eigenen Tuns steht ganz klar der Mehrwert für den Patienten. Genau hier wird die Digitalisierung eine immer größere Rolle spielen. Das bedeutet auch, neue technische Möglichkeiten zu kennen und sich aktiv mit ihnen auseinander zu setzen. Lösungen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, werden in den Fokus rücken und uns in Zukunft einiges abnehmen. Man sollte verstehen, um was es hier geht und auch damit umgehen können. Ansonsten spielen natürlich die aktuell typischen Themen wie Vernetzung, Digitalisierung und Agilität eine große Rolle und sind relevante Aspekte für die eigene Karriere. Health Relations: Das heißt also, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung ein wichtiger Baustein für eine Karriere im Healthcare-Bereich ist? Karsten Matthes: Ich glaube, es gibt ja aktuell kaum eine Industrie, die diese Buzzwords nicht nutzt und im täglichen verwendet. Es ist ein absolutes Muss. Sei es bei Big Pharma oder anderen Unternehmen im Gesundheitswesen und natürlich in der Start-up-Szene. Überall ist das Thema Digitalisierung präsent – das würde ich gar nicht mehr infrage stellen. Karriere machen zu wollen, ohne dabei die Digitalisierung in den Mittelpunkt zu stellen, wird nicht mehr funktionieren. Health Relations: Das ist dann wohl auch die größte Veränderung in den letzten fünf Jahren, oder?Karsten Matthes: Ich denke, das hat vor allem für eine hohe Geschwindigkeit in den Veränderungsprozessen gesorgt. Nehmen wir nur ein Beispiel aus dem Bereich der Onkologie. Wenn es gelingt, Daten geschickt auszuwerten, dann haben wir heute schon die Möglichkeit, Therapien und somit das Leben von Patienten zu verbessern – ohne eine neue Therapie zu haben. Damit umzugehen und auch ethische Fragen zu beantworten, das erfordert ein massives Umdenken bei allen Beteiligten.
"Die Zyklen werden immer kürzer und man muss sich an die sich verändernden Rahmenbedingungen viel, viel schneller anpassen können."Health Relations: Diese Fortschritte verändern ja ganze Industriezweige und somit auch Karrierewege. Was muss jemand in diesen Zeiten mitbringen? Reicht es, ein „digital native“ zu sein? Oder müssen wir alle einfach lernen, schneller zu denken?Karsten Matthes: Ein zentraler Aspekt ist die Anpassungsfähigkeit. Die eigene Geschwindigkeit kann man ja auch daran ablesen, wie anpassungsfähig man ist. Es gibt die Situation einfach nicht mehr, dass man in der Schule Dinge lernt, daran anknüpft und das Wissen im Studium weiter aufbaut, um es dann in den nächsten zehn Jahre oder mehr anzuwenden. Die Zyklen werden immer kürzer und man muss sich an die sich verändernden Rahmenbedingungen viel, viel schneller anpassen können. Wenn man das unter dem Stichwort „agiles Management“ zusammenfasst, dann hat man eben so Punkte wie: Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und ein agiles Mindset. In puncto Karriereplanung hat dies natürlich auch Auswirkungen auf das Verständnis von Führung. Ein neues Führungsverständnis ist dezentral, das bedeutet, es ist selbstorganisiert, selbstverantwortlich. Man hat eher fluide Organisationsstrukturen, die in Projekten abgebildet sind und man muss als Führungsperson in der Lage sein, ein „big picture“ zu vermitteln und die Leute zu überzeugen. Das klassische Bild vom Boss, der aufgrund seiner Stellung die Autorität besitzt, hat ausgedient. Vorgesetzte sind heute mehr Coach, als dass sie Machtzentrum sind.
"Viele Organisationen sagen, sie wollen die Querdenker und Kritiker. Leider ist es aber oft so, dass die Organisationen eben diese Personen gar nicht aushalten."Health Relations: Spielt da auch die jeweilige Persönlichkeit eine Rolle? Will meinen: Kann das jeder? Nehmen wir mal einen Geschäftsführer der alten Schule, der seine Organisation machtzentriert führt – wie schafft eine solche Persönlichkeit diesen Wandel?Karsten Matthes: Ich würde mal von der Einzelperson weggehen, da hat man sicherlich aus der eigenen Erfahrung viele Beispiele vor Augen. Es ist tatsächlich so, dass man es manchen Personen einfach nicht abnimmt, da sie über Jahre in einer gewissen Weise geführt haben und sich diese Art kaum verbannen lässt. Da merkt man schon, dass diese Führungskräfte zwar auf der einen Seite einen solchen Change wollen, aber gleichzeitig sträubt sich alles gegen die Veränderung und die neue Art zu führen. Man braucht dafür mehr Dialogfähigkeit und muss mit seinen Leuten konstruktiv zusammen arbeiten und diverse Meinungen zulassen. Ein guter Begriff ist hier: „diversity of thoughts“. Es geht darum, auch wirklich andere Gedanken zuzulassen. Viele Organisationen sagen, sie wollen die Querdenker und Kritiker. Leider ist es aber oft so, dass die Organisationen eben diese Personen gar nicht aushalten und man sie dann wieder in andere Ecken bringt, denn die stören ja. Manche schaffen diesen Change aber tatsächlich und dann gilt es auch, diesen Führungskräften der alten Schule die Chance zu geben, den Wandel zu vollziehen. Health Relations: Was ist Ihre Empfehlung für Young Potentials?Karsten Matthes: Portfolio-Denken ist meines Erachtens sehr wichtig: Für sich zu überlegen, was habe ich anzubieten, was fehlt mir eventuell noch? Und auch das Thema Fort- und Weiterbildung ist nicht zu vernachlässigen. Sich mit anderen zu vernetzen ist ein weiterer wichtiger Baustein. Hier geht es nicht nur um ein gutes Netzwerk innerhalb des Unternehmens, sondern vor allem auch außerhalb. Da helfen natürlich Plattformen wie zum Beispiel Young Excellence in Healthcare sehr. Hier hat man einfach auch die Möglichkeit, Kontakte zu verschiedenen Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Zweigen der Branche zu treffen und sich auszutauschen. Health Relations: Zum Schluss noch ein Blick in die Kristallkugel: Wird sich der Trend der Digitalisierung mit all seinen Buzzwords fortsetzen?Karsten Matthes: Trend klingt mir zu kurzfristig. Hier geht es nicht um einen Trend. Das Internet geht nicht mehr weg, damit werden wir in Zukunft leben. New Work, Agilität, etc. sind Bewegungen, die schon vor Jahren aufgekommen sind – also sprechen wir hier gar nicht von etwas Neuem. Vielmehr handelt es sich hier um Bewegungen, die nun mehr ins Bewusstsein gerückt sind. Die Notwendigkeit ist heute viel akuter. Wie schon angesprochen, werden die Zyklen kürzer und entsprechend muss auch gehandelt werden: Ganze Geschäftsbereiche und -ideen verschwinden von Markt, wenn die Protagonisten nicht schnell genug agieren. Ich gehe auch davon aus, dass da aktuell noch genug Spielraum sein wird.
Über Young Excellence in Healthcare Mit über 200 Mitgliedern ist Young Excellence in Healthcare (YEH) das führende Netzwerk der für den interdisziplinären Austausch zwischen Young Professionals aus dem Gesundheitsmarkt. Seit 2016 bietet YEH ein Mentoring-Programm an, welches von Karsten Matthes als Schirmherren unterstützt wird. Ziel ist es, ausgewählte Fach- und Führungskräfte im Gesundheitswesen noch intensiver zu fördern und den professionellen Austausch mit Senior Executives im Gesundheitswesen zu ermöglichen. Hiermit öffnet sich den Teilnehmern die Chance, den Blickwinkel über den eigenen Tellerrand zu richten und über die persönliche Position sowie Zukunftschancen zu reflektieren.Mitglied werden: Auf www.excellence-healthcare.de können sich Interessierte direkt mit der Gruppe in Verbindung setzen und sich für eine Mitgliedschaft anmelden. Auf der Website finden sich außerdem weitere Informationen zur Teilnehmerstruktur und aktuelle Veranstaltungen. Sponsoren haben die Möglichkeit, YEH näher kennenzulernen und in Kontakt zu treten.