Die re:publica Berlin ist defintiv keine Pharmaveranstaltung, trotzdem sind einige Unternehmen aus der Branche dort präsent. Warum – und was lässt sich daraus ableiten?
Die vielfältige digitale Gesellschaft ist bedroht, die Krisen verschärfen sich, es braucht mehrdimensionale Antworten. Diese Antworten liefern Menschen, die sich kümmern. Auf der
re:publica 2024 fanden sie eine Bühne und einen Versammlungsort – auch einige
Pharmaunternehmen waren auf der Veranstaltung aktiv.
Das war die re:publica Berlin 2024
Drei Festivaltage mit insgesamt 30.000 Besuchen, über 880 Sessions mit 1.600 Sprecher:innen und Performer:innen. Vom 27. - 29. Mai 2024 fand in der STATION Berlin die
re:publica 24 (rep24) statt. Die 18. Ausgabe des Events war erstmalig in ihrer Geschichte ausverkauft. Das Motto lautete in diesem Jahr "Who Cares". Sie versammelte prominente Köpfe, KOLs und Persönlichkeiten aus der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien. Nach eigenen Angaben ist das Festival für die digitale Gesellschaft die größte Konferenz ihrer Art in Europa.
Pharma auf der rep24: Raus aus der Blase
Carolin Crockett, Pfizer: "Wir haben eine hohe Wertschöpfung, eine hohe Innovationskraft, auch eine Bedeutung für die Wirtschaft. Das stimmt, genau deshalb müssen wir uns für die Gesellschaft auch noch weiter öffnen und auf breiteren Podien sprechen." ©Pfizer
Pfizer engagierte sich
als Sponsor für den Themenschwerpunkt "Gesundheit". Die re:publica ist keine klassische Pharmaveranstaltung, trotzdem war es dem Unternehmen wichtig, hier als Partner und Förderer präsent zu sein. Aus unterschiedlichen Gründen, sagt Carolin Crockett, Director External Communications Germany bei Pfizer. "Ich finde grundsätzlich, die re:publica ist
eine der spannendsten Veranstaltungen des Jahres. Weil die Verantwortlichen es mit Fingerspitzengefühl schaffen, ein relevantes Thema herauszuarbeiten, das auch ein breites, gesellschaftliches Thema ist. Kreativ und interdisziplinär, mit vielen verschiedenen Perspektiven, durchaus auch streitbar und provokativ." Zum anderen hätte sich das zentrale Motto in diesem Jahr angeboten. "Es ging um die Gesundheit der Gesellschaft und jener, die sich darum bemühen. Das ist eine Herausforderung, die wir alle angehen müssen. Deswegen gab es natürlich tolle Anknüpfungspunkte zu KI, zum Thema Lebensqualität, Innovation."
"Daten, Quantum, KI sind die treibenden Themen der Digitalisierung – die rep24 zeigte, dass wir in letzter Zeit mehrere Schritte weitergekommen sind."
Diese Touchpoints nutzten auch
Boehringer Ingelheim und
Roche.
Maro Bader, Excellence Lead Digital Transformation bei Roche, und Communications Manager
Ege Hüsemoglu stellten in einem Vortrag das Datenplattform-Projekt Sphin-X vor (wir
berichteten). Boehringer Ingelheim-Deutschlandchef
Fridtjof Traulsen und Brigitte Fuhr (Digital Health Lead Inflammation) hielten gemeinsam eine Kurz-Session mit dem Titel "Krankheiten besiegen durch KI & Co. - Warum Digitalisierung gut für die Gesundheit ist". Boehringer Ingelheim-Communications Manager
Michael Kühnapfel war ebenfalls vor Ort – und zeigt sich erfreut über das hohe Interesse an der Session. "Speziell das Thema Gesundheitsdaten - welche gibt es, wie wollen wir damit umgehen, welche Vorteile und auch welche Risiken gibt es, welche technischen Antworten und gesetzgeberische Rahmenbedingungen sind sinnvoll - haben viel Raum im Programm der re:publica gehabt", fasst er zusammen. Dabei würden der Optimismus und die "Can -Do"- Perspektive im Fokus stehen. "Daten, Quantum, KI sind die treibenden Themen der Digitalisierung – die rep24 zeigte, dass wir in letzter Zeit mehrere Schritte weitergekommen sind. Es findet eine versachlichte und stärker faktenbasierte Betrachtung statt, dennoch sind viele Fragen unbeantwortet."
https://www.youtube.com/watch?v=vfdphBVzIsA&t=147s
Jetzt geht es daran, Antworten zu suchen. Die rep24 ist dafür ein guter Ort, denn sie bietet Raum für Austausch. Das findet auch
Alexandra Negt, Multichannel Editor & Producer beim
vfa (Verband
"Für uns in der Pharmabranche, wo Vertrauen und Verantwortung zentrale Werte sind, sind diese Diskussionen von enormer Bedeutung. Sie helfen uns, die Bedürfnisse und Anliegen aller Beteiligten im Gesundheitssystem besser zu verstehen und darauf einzugehen." Alexandra Negt, vfa
© vfa/B. Brundert
forschender Arzneimittelhersteller). Sie besuchte unterschiedliche Sessions auf dem Event und sagt: "Die re:publica ermutigt dazu, über Branchengrenzen hinweg zu denken und eigene Ideen aus neuen Perspektiven zu betrachten. Sie hat sich im Laufe der Jahre zu einem Schmelztiegel der digitalen Gesellschaft entwickelt, an dem nicht nur Technikbegeisterte, sondern zunehmend auch Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Kultur zusammenkommen."
Vernetzen und lernen
"Ich finde es umso schöner, dass die Veranstaltung eine so holistische Angelegenheit ist, dass die Menschen sich für ihr Fachgebiet, aber dann auch noch darüber hinaus eine Dosis Inspiration abholen können", sagt Carolin Crockett, die in diesem Jahr Mitarbeitende aus dem Bereich Kommunikation nach Berlin sandte. Michael Kühnapfel war für seinen Arbeitgeber Boehringer Ingelheim bereits 2019 auf der Digital-Konferenz unterwegs (wir
berichteten). In diesem Jahr war er mit dem deutschen Landesleiter sowie mehreren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abteilungen vor Ort, u.a. aus der Strategieabteilung, Kommunikation und aus der IT.
Sachlicher und fundierter öffentlicher Diskurs
"Ein Learning, das ich gerne weitergebe: Ich habe keine Gruppe, keinen Vortrag erlebt, die oder der grundsätzlich verneint hat, dass es wichtig und richtig ist, dass wir mehr aus unseren Daten machen im Gesundheitswesen." Michael Kühnapfel, Boehringer Ingelheim © Boehringer Ingelheim
"Vernetzen war ein wichtiger Aspekt", sagt er (Michael Kühnapfel). "Der Fes
tivalcharakter ist dabei sehr förderlich. Man kann sich sehr schnell, sehr einfach mit den verschiedenen Person vor Ort verabreden." Aber darüber hinaus könne man selber lernen, von Experten und Expertinnen zu unterschiedlichen Themen. "Es ging teilweise sehr konkret um Pflege und Pflegepolitik, die Gestaltung des Pflegeberufes, Tools und Weiterentwicklung der Pflege in Deutschland in verschiedensten Facetten. Für uns als Pharmaunternehmen spielen Angehörige und Pflegende eine sehr wichtige, auch eine zunehmend wichtige Rolle. Deshalb sind diese Gruppen bei uns auch im Bereich Patient Engagement, Patient Advocacy in zunehmendem Maße involviert. Auf der re:publica konnten wir einiges von diesen Personen mitnehmen." Vernetzen, lernen, Impulse einsammeln – auch aus den Medien. "Diese Branche ist i
m Umbruch, was für uns natürlich sehr spannend ist", ergänzt Carolin Crockett. "Und auf der re:publica treffen sich
KOLs, Medienmacher, Diskursbegleitende. Du erreichst eben die, die ihre Eindrücke auch weitergeben, verarbeiten und auf breiteren Plattformen kommunizieren." Alexandra Negt bestätigt diese Einschätzung. "Mein wichtigstes Learning von der re:publica ist die Notwendigkeit, unsere
Kommunikationsstrategien in politisch herausfordernden Zeiten, in denen Populismus und politische Polarisierung die öffentliche Meinung beeinflussen, kontinuierlich weiterzuentwickeln: Durch einen sachlichen und fundierten öffentlichen Diskurs können wir viel erreichen! Vielleicht könnte das Motto der rp 2025 ja lauten: 'Voice matters'."
Fazit: ein Puzzlestein in der Strategie
Viele Mehrwerte, dennoch war die Pharmabranche eher zaghaft vertreten. "Es gab kein Pharmaklassentreffen in irgendeiner Art vor Ort", fasst Michael Kühnapfel zusammen. Boehringer Ingelheim aber wäre entdeckungsfreudig, kollaborativ und verbindlich - und hätte sich daher auf der re:publica genau richtig gefühlt. "Grundsätzlich ist es überhaupt wichtig, sich zu auf
diversen Veranstaltungen zu zeigen, um mit den unterschiedlichen Zielgruppen in den Austausch zu kommen.
Dazu zählen auch die Tech- und Health-Konferenzen wie
Digital Health Conference von bitkom oder die HealthTech. Die re:publica ist einfach ein Puzzlestein in dem Ganzen." Gerade beim Thema Talent Attraction gibt es Veranstaltungen mit mehr Potenzial.
Die re:publica ist diskursgeladen und weniger Ort der Präsentation. Sie bietet den Blick über den Tellerrand und zeigt Zusammenhänge auf. Für Pharma kann das spannend sein. Das hat sich herumgesprochen, die Branche sucht aktiv den Diskurs, will als Gestalter wahrgenommen werden. Damit rücken eben auch Veranstaltungen wie diese in den Fokus. Die Veränderung ist spürbar. "Ich finde, dass es der Pharmabranche guttut, ein wenig aus den Fahrwassern herauszukommen, die man sonst immer bespielt. Auf vielen der klassischen Pharma- und Gesundheitskongressen sprechen wir viel auch mit uns selber. Manchmal habe ich deswegen ein Störgefühl", sagt Carolin Crockett. "Ja, die Materie ist streckenweise sehr komplex. Aber ich finde, wir haben einfach noch zu viele Touchpoints, an denen wir mit uns selber reden. Deswegen sind alle Anlässe, bei denen wir es schaffen, noch andere Perspektiven einzuholen, uns breiter zu informieren oder eben auch breiter zu kommunizieren, meiner Meinung nach sehr wichtig." Für die
Zukunft plant sie, sich mit ihrem Arbeitgeber weiterhin auf der re:publica einzubringen – so weit es die Rahmenbedingungen und das Event zulässt. "Die Veranstalter:innen sind sehr streng mit ihren Vorgaben, das verstehe ich aber auch gut. So schön es ist, sich beteiligen zu können als Unternehmen, ich wünsche mir sehr, dass die re:publica so provokativ und hinterfragend bleibt, wie sie jetzt ist."