„Erst das Herz gewinnen und dann den Verstand begeistern“ – was Pharma von FMCG lernen kann
"Was RX-Kommunikation mit Kommunikation im Allgemeinen zu tun hat – wir sprechen mit Menschen."Health Relations: Heißt das, Pharmakunden sind offen für ungewöhnliche Kampagnenideen? Oder möchten Kunden doch lieber die sichere Nummer?Christoph Damanik: Primär möchten Kunden ja ihre Ziele erreichen und gleichzeitig ihre Investition absichern. Die Befürchtung etwas zu verlieren, wiegt schwer! Zumindest ist das eine FMCG-Erfahrung. In der Pharmawelt gibt es diese Bedenken sicher auch; allerdings sind die Entscheider, mit denen wir bis jetzt zu tun hatten, eine ganze Ecke mutiger. Health Relations: Und warum ist das so?Christoph Damanik: Darüber kann ich nur spekulieren. Ein Grund ist vielleicht der spürbare Anstieg des Konkurrenzdrucks. Und um mit Kommunikation einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, braucht es neue, schlaue und mutige Lösungen. Vielleicht ist ein Kunde aber auch nur so mutig, wie die Agentur es ist. Bisher konnten wir Bestands- und Neukunden mit strategischen und überraschenden Ideen überzeugen. Eine sichere Nummer legen wir meist direkt in die „runde Ablage“.
"Einem Patienten stehen nicht die gleichen Informationen zur Verfügung wie dem Profi. In meiner FMCG-Denke wäre das wie eine Wurst, von der nur mein Fleischereifachverkäufer weiß."Health Relations: Die Pharmakommunikation ist gerade im RX-Bereich restriktiv. Wie sollte der Arzt angesprochen werden?Christoph Damanik: Was RX-Kommunikation mit Kommunikation im Allgemeinen zu tun hat – wir sprechen mit Menschen. Und da gibt es Weisheiten, die allgemeingültig sind. Wenn man ins Gespräch kommen will, hilft es, den Gesprächspartner zu kennen und zu verstehen. Was wir suchen sind Insights – Wahrheiten, die auf einem tieferen Verständnis beruhen, für das, was dem Arzt wirklich wichtig ist. Insights helfen uns, das Interesse des Arztes zu wecken. Daten und Fakten hingegen sind die Inhalte, über die wir dann gemeinsam sprechen wollen. Also erst das Herz gewinnen und dann den Verstand begeistern. Das ist ein bisschen wie beim Flirten. Bevor man loslegt mit dem was man alles kann und weiß – besser erst mal hinhören, dann klappt’s bestimmt auch mit dem Arzt oder Apotheker. Health Relations: Gibt es hierbei etwas, das Healthcare von FMCG lernen kann? Christoph Damanik: In der FMCG-Welt ist der faktische Produktunterschied zwischen Marke A und B oft marginal. Und zusätzlich hat der Konsument weder Zeit noch Lust sich für seine Entscheidung in Details zu vertiefen. Wie kann also Camembert A im Vergleich zu Camembert B die Wahl für sich entscheiden? Über beschreibende Produkteigenschaften wie „cremig“ oder „portionierbar“ oder über emotionale Produkt-Benefits wie „lecker“ oder „praktisch“ oder eher durch zielgruppenrelevante Insights wie „für den Franzosen in dir“ oder „mit Frische in den Tag“? Viele Produkte in der Pharma-Welt haben vergleichbare Probleme wie manch ein FMCG-Hersteller. Daher sind Strategien und Ideen teilweise übertragbar, dienen als Referenz oder inspirieren zu neuen, spezifischen Lösungen. Außerdem ist in der FMCG-Welt die „Marken- und Kampagnendenke“, d. h. die inhaltliche und zeitliche Orchestrierung der Kommunikation, bereits ziemlich ausgeklügelt und fortgeschritten. In der Pharma-Welt liegt der Fokus oft noch auf der sachlichen Information der Ärzte und Apotheker durch unterschiedlichste Infounterlagen. Eine Marke bzw. ein Markenerlebnis wird so kaum aufgebaut. Ich denke, es gibt einiges, das man voneinander lernen kann. Und viele unserer Kunden mögen uns genau wegen unseres branchenübergreifenden Hintergrundes. Klar ist aber auch, dass man nichts gedankenlos kopieren darf, denn in der Pharma-Welt gelten natürlich ganz eigene Spielregeln.
"Das ist ein bisschen wie beim Flirten. Bevor man loslegt mit dem, was man alles kann und weiß – besser erst mal hinhören, dann klappt’s bestimmt auch mit dem Arzt oder Apotheker."Health Relations: Und umgekehrt, gibt es etwas, was in Pharma überhaupt nicht funktionieren würde?Christoph Damanik: In Deutschland darf die Kommunikation einer RX-Marke nur von Healthcare-Professionals gesehen werden. Oder anders ausgedrückt, einem Patienten oder seinen Angehörigen stehen nicht die gleichen Informationen zur Verfügung wie dem Profi. In meiner FMCG-Denke wäre das wie eine Wurst, von der nur mein Fleischereifachverkäufer weiß. Über die Wurst könnte ich als Verbraucher kaum etwas in Erfahrung bringen. Und so kommt der Verkäufer auch nie in die Verlegenheit, mir jemals Rede und Antwort stehen zu müssen – eine seltsame Vorstellung. Bei OTC-Produkten ist die Gesetzeslage weniger restriktiv. Das erhöht natürlich die Sichtbarkeit und den Freiheitsgrad und macht Spaß. Das macht den Aufbau einer Kampagne allerdings genauso komplex wie in der FMCG-Welt. Health Relations: Was reizt Sie persönlich daran, nun für Pharmaprodukte und nicht mehr für Konsumgüter Werbung zu kreieren?Christoph Damanik: Die stärkste Motivation für mich – die Branche entdeckt gerade erst, was für einen Unterschied strategisch kreative Kommunikation machen kann. Und das macht mir Spaß. Das Schöne an meinen Gesprächen ist, egal ob intern mit unseren wissenschaftlich geprägten Medical Writern oder extern mit unseren Kunden, Kreativität wird geschätzt und ist nicht nur eine Variable in einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Außerdem gibt es eine gewisse strategisch-kreative Aufbruchstimmung hier bei der Havas Life. Und unsere Kunden beweisen ein ums andere Mal den Mut, diesen Weg mit uns zu gehen. Das begeistert mich. Trotzdem empfinde ich auch sehr viel Respekt für die Aufgabe. Denn die Tragweite eines Krebsmittels unterscheidet sich deutlich von der Tragweite eines Brotaufstrichs. Zum Glück gibt es in dieser für mich noch neuen Healthcare-Welt so viel zu lernen. Ich denke, ich bin genau am richtigen Ort zur richtigen Zeit.
Seit 2018 ist Christoph Damanik Creative Director bei der auf Healthcare spezialisierten Agentur Havas Life in Düsseldorf. Zuvor arbeitete der Produkt Designer u.a. für Havas Germany, J. Walter Thompson, Ogilvy und BBDO/Proximity. Im FMCG-Bereich betreute er national und international Brands wie "Scholl" (Reckitt Benckiser), "Fol Epi/Geramont & Brunch" (Savencia) und "Iglo/Birds Eye". Außerdem entwickelte er Kampagnen für E.ON, Yello Strom, Smart, car2go, Mazda und Citroën. Bei Havas Life betreut er Novartis, Sandoz, Hexal, Lilly und Janssen.