Patient Centricity stellt den Patienten in den Mittelpunkt. Bei der Behandlung und bei allen Marketingaktivitäten. Wir zeigen Ihnen, wie Sie dabei praktisch vorgehen.
Patient Centricity steht für eine patientenzentrierte Behandlung, bei der alle Module (wie etwa die Vorbereitung auf eine OP durch den Hausarzt, die OP selbst und die Reha) darauf ausgerichtet sind, dem Patienten einen reibungslosen Ablauf zu bieten.
Jetzt ist Patient Centricity aber zum neuen Marketing-Modewort geworden. Ganz platt ist damit gemeint: Wie erreiche ich den Patienten, damit er meine Marke beim Arzt nachfragt?
Der aufgeklärte Patient
Natürlich verbirgt sich hinter Patient Centricity aber mehr als das bloße Fokussieren auf den Patienten.
Der aufgeklärte Patient von heute macht sich nicht nur im Internet schlau, sondern will auch mehr in die Behandlung einbezogen werden.
Diesem Informationsverhalten müssen Marketing- und Kommunikationsstrategien gerecht werden. Das hörige Entgegennehmen von Anweisungen durch den Arzt ist passé, wie auch der letzte
Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung aufzeigte: Fast ein Viertel der ambulant tätigen Ärzte gaben an, dass mehr als 30 % der Patienten mit selbst recherchierten oder zufällig erfahrenen medizinischen Informationen in ihre Praxis kämen.
Ziel für Pharmakunden ist es hier: Hochwertigen medizinischen Content, leicht verständlich aufbereitet, anzubieten und zielgruppengerecht auszusteuern. Das erhöht die Compliance beim Patienten und die Anforderungen an Healthcare-Kommunikation.Werden Ärzte überflüssig?
Und wie sieht es hinter dem Schreibtisch aus? Waren Ärzte gut über das Informationsangebot für Patienten informiert oder hatten sie bereits eine Fortbildung zu dem Thema besucht, so bewerteten sie die Eigeninitiative der Patienten häufiger positiver als Kollegen, die sich damit noch nicht beschäftigt hatten.
Wer sich also selbst mit einem Thema noch nicht auskennt, will nicht vom Patienten belehrt werden. Keine besonders smarte Reaktion – schon bei der letzten
eyeforpharma conference im März wurde das Thema heiß diskutiert, und es stellte sich in diesem Zusammenhang sogar die Frage: "
Will Physicians Become Obsolete?" (zu deutsch: Werden Ärzte überflüssig?) Das ist natürlich sehr ketzerisch formuliert, bedeutet aber auch: Der Arzt muss sich zusammen mit dem Patienten weiterentwickeln.
Die Pharmabranche kommt nur langsam in die Gänge
Die Pharmaseite hat allerdings noch genauso viel dazuzulernen. Paul Wicks, VP of Innovation bei
PatientsLikeMe, formuliert es so: "Wenn ich mit einem Pharmakunden arbeite, sehe ich mir erstmal den Jahresbericht an und zähle, nach wie vielen Seiten zum ersten Mal das Wort 'Patient' auftaucht. Mein Rekord liegt bei 26 Seiten." Auf Plattformen wie PatientsLikeMe oder Selbsthilfegruppen im Internet
tauschen sich Betroffene miteinander aus; im deutschsprachigen Raum sind die Foren und Portale meistens nach Erkrankungen aufgeteilt. Die "European Platform for Patients’ Organisations, Science and Industry" (
Epposi) gibt es sogar schon seit 1994 und versucht seitdem, den
Dialog zwischen Patienten und der Industrie herzustellen. Dem Zustand der Webseite nach zu urteilen, scheint dieses Gespräch aber eingeschlafen zu sein.
5 Tipps für Patient Centricity
Dabei gibt es doch so viel zu sagen - und zwar in Richtung Patient UND Arzt.
Hier sind unsere Tipps, um beide Zielgruppen in Sachen Patient Centricity zu mobilisieren:- Machen Sie sich und Ihren Kollegen klar, dass der Weg zum Patienten auch, aber nicht mehr nur über den Arzt führt. Guy Yeoman, Vize-Präsident für Patient Centricity bei AstraZeneca, sagt: "Als Branche sind wir sehr stark darauf fokussiert, für Patienten zu entwickeln statt mit ihnen" – folgerichtig haben AstraZeneca und PatientsLikeMe schon 2015 eine Zusammenarbeit gestartet.
- Treten Sie in Kontakt mit Patientenportalen, Selbsthilfegruppen und Foren. Dabei sollten Ihnen die möglicherweise verfügbaren Daten genauso wichtig sein wie der Austausch: Was bewegt den Konsumenten? Was erwartet er von einer Therapie? Und:
- Wie können Sie den Patienten während seiner Behandlung begleiten? Dazu gehören nicht nur der Besuch beim Arzt, sondern womöglich auch regelmäßige Anwendungen, das Einnehmen von Medikamenten oder sogar eine Lebensumstellung. Machen Sie sich mit den Lebensumständen vertraut. Welche Werkzeuge können Sie dem Patienten bei der Therapie an die Hand geben?
- Informieren Sie den Arzt. Die Zusammenarbeit ist deutlich leichter, wenn der informierte Patient auf einen ebenso vorbereiteten Arzt trifft. Bieten Sie Schulungen an – auch online! –, gestalten Sie (interaktives) Informationsmaterial, stehen Sie dem Arzt bei der Behandlung zur Seite. Dazu gehört auch die Kenntnis über mögliche Begleitwerkzeuge (siehe Punkt 3).
- Bleiben Sie am Ball. Das Vertrauen von Arzt und Patient stellt sich nicht über Nacht ein. Betreuen Sie Ihre Social-Media-Kanäle mit Hingabe, denken Sie sich in die Köpfe Ihrer Zielgruppe ein, und machen Sie Patient Centricity zu einem fortlaufenden Thema. Ihr Engagement wird sich auszahlen!
Illustration: © social.eyeforpharma.com
Titelbild: © istock.com/rue_wi