DiGA werden bekannter, aber von Ärztinnen und Ärzten noch selten verschrieben. Die Stiftung Gesundheit zeigt in ihrer Studienreihe „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“ zum Thema DiGA Spannungsfelder auf – und Ansätze, diese aufzulösen.
Die Stiftung Gesundheit widmet sich in der aktuellen Ausgabe der jährlichen Studienreihe „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“ dem Thema DiGA. Wie steht es um die Akzeptanz von medizinischen Apps auf Rezept? Sind Digitale Gesundheitsanwendungen in der ärztlichen Praxis angekommen? Die Studie erfolgte via Onlinefragebogen. Insgesamt 569 Ärzt:innen, psychologische Psychotherapeut:innen sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen haben ihn beantwortet. Die Erhebung erfolgte vom 20. Oktober bis 15. November 2021, sie knüpft an die Erkenntnisse einer ersten Befragung zum Zeitpunkt der Einführung von DiGA an. Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz gegenüber Apps auf Rezept in diesem Zeitraum gewachsen ist.
Was die Studie allerdings auch abbildet, ist die Gap zwischen steigender Akzeptanz und der Bereitschaft, die App auch zu verschreiben.
Fast 86 Prozent aller Befragten haben noch nie eine DiGAauf Rezept verschrieben, 2020 waren es sogar 99 Prozent. Das ist umso erstaunlicher, weil der Nutzen von medizinischen Apps von den Befragten als durchaus vorhanden eingeschätzt wird. Rund 83 % der Umfrageteilnehmenden schätzen die Tagebuchfunktion von Apps, zum Beispiel bei der Dokumentation von Allergien, und sehen Potenzial in der Ernährungsberatung (77 %) oder zur Aufzeichnung von Vitalparametern, zum Beispiel bei Herzrhythmusstörungen oder Asthma (76 %). Nur 37 % glauben, dass ihr Einsatz bei Depressionen und suizidalen Gedanken oder bei Suchtverhalten (knapp 33 %) hilfreich ist. Ärzt:innen sind offen für Apps auf Rezept, dennoch verschreiben oder empfehlen sie diese nur selten. Woran liegt das?

5 Bedenken, die Ärzt:innen bei DiGA haben

Vernachlässigen darf man bei dieser Studie sicherlich nicht die Geschehnisse, die zum Zeitpunkt der Einführung der DiGA Ärzte und Ärztinnen stark belastet haben. Ende 2020 gewann in Deutschland die zweite Corona-Infektionswelle an Dynamik und mündete in einem monatelangen Lockdown. Dennoch liefert die Studie durchaus aufschlussreich Erkenntnisse, warum es innerhalb der Ärzteschaft Bedenken gegenüber Digitalen Gesundheitsanwendungen gibt und worin diese begründet sind. Aus ihnen können Pharmaunternehmen Handlungsempfehlungen ableiten, um den Prozess der Einführung von Apps ggf. kommunikativ zu begleiten und der Ärzteschaft die Informationen zur Verfügung stellen zu können, die sie brauchen.
Die Bedenken der Befragten lassen sich also in fünf Themenfelder gliedern:
  • datenschutzrechtlicher Vorgaben
  • mangelnde Testmöglichkeiten für behandelnde Ärzt:innen
  • organisatorische Hürden
  • Zweifel an der Motivation der Patient:innen
  • Zweifel an der Wirksamkeit

5 Rückschlüsse, die Pharmaunternehmen daraus ziehen können

1. Vertrauen schaffen Der Datenschutz und die Digitalisierung, das ist ein komplexes Thema, das vollkommen nachvollziehbar bei Ärztinnen und Ärzten für Unsicherheit sorgt. So manche und so mancher vermeidet aus Sorge vor juristischen Scherereien lieber gleich das Thema DiGA. Abhilfe kann hier eine eindeutige Regelung und klar verständliche Kommunikation rund um den Datenschutz und Haftungsfragen liefern. Der Hinweis: „Wir arbeiten datenschutzkonform“, reicht vielen Medizinern nicht. Hier sollten sich Anbieter und Unternehmen tief in die Karten schauen lassen, um Vertrauen zu stiften. 2.  Unterstützung der Arzt-Patientenkommunikation Was hilft die beste App auf Rezept, wenn der oder die Patient:in sie nicht oder nur mangelhaft nutzt? Je besser die Patient:innen über den Sinn und die Funktion einer DiGA informiert sind, je besser sie den Mehrwert für die eigene Gesundheit verstehen, umso eher werden sie die App in ihren Alltag einbinden. Diese Informationen sollten dem Arzt zur Verfügung gestellt werden, damit dieser sie weiterreichen kann. Patientengerecht aufbereitet und leicht verständlich, verfasst in unterschiedlichen Sprachen, vielleicht sogar in Leichter Sprache, als Flyer, Tutorial oder Erklärfilm.3. Transparenz bei Wirkung und Nebenwirkungen Wie wirksam sind Apps auf Rezept wirklich? Die Studie zeigt, dass viele Ärzt:innen ihre Wirkung bei Depression oder Suchtkrankheiten eher kritisch sehen. Diese Kritik sollten Pharmaunternehmen ernst nehmen und transparent über Wirkung und Nebenwirkungen von Digitalen Gesundheitsanwendungen informieren. Wie wirken sich Apps beispielsweise auf das Suchtverhalten oder das Sozialverhalten von Patient:innen aus? Wurden Verhaltensveränderungen beobachtet? Eindeutige Nachweise für die Wirkung von Apps sind elementar. Dazu gehört auch ihre Einordnung in das Gesamtgefüge der ambulanten Behandlung. Welchen Mehrwert hat eine DiGA im Vergleich zu bereits bestehenden Therapien? Wie steht es um den Kosten-Nutzen-Faktor innerhalb der Vergütungsstrukturen? Es ist ratsam, Fragen wie diesen nicht auszuweichen, sondern sich ihnen offen zu stellen. 4.  Erfahrungen ermöglichen DiGA sind neu, damit Ärzt:innen ein Gefühl für sie erhalten, sollten Pharmaunternehmen ihnen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ermöglichen, diese auszuprobieren. Sei es über den Außendienstler oder bei einem Tag der offenen Tür. Wer Erlebnisse schafft, kann die Ärzteschaft für die technologische Innovation begeistern – und damit auch von deren Mehrwert überzeugen. 5. Organisatorische Hürden abbauen Nicht nur Patient:innen, auch Ärzt:innen benötigen praxisrelevante, zielgruppengerecht aufbereitete und leicht verfügbare Informationen über eine DiGA, um diese überhaupt erst verschreiben zu können. Sie sollten sich Informationen nicht erst erarbeiten müssen. Diese Informationen können in Form von Webinaren, Flyer oder Schulungen vermittelt werden. Darüber hinaus ist eine Einbindung von DiGA in einschlägige Leitlinien wünschenswert, um dem Arzt wirklich alle Optionen einer Therapieempfehlung auf einem Blick bieten zu können. Was erleichtert es Ärztinnen und Ärzte also, DiGA zu verschreiben?  Digitale Gesundheitsanwendungen sind, so scheint es, auf dem Weg, fester Bestandteil unserer Gesundheitsversorgung zu werden. Aber dieser Prozess wird von vielen Fragen und Zweifeln der Patient:innen und der Ärzteschaft begleitet. Pharmaunternehmen sollten sie ernst nehmen und den Dialog suchen. Denn diesen Weg werden alle Beteiligten – Unternehmen, Patient:innen und Ärzteschaft – nur gemeinsam gehen können.

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