Als inhaltsgetriebenes Medium mit Unterhaltungscharakter ist der Podcast dort besonders stark, wo Fachliches anschaulich wird, weiß Gunther Brodhecker von Schmittgall HEALTH. Für Health Relations erklärt er, wie Pharmaunternehmen über die Ohren in die Köpfe und Herzen von Ärzt:innen und Patient:innen gelangen. Und wie intelligente Podcast-Formate Abstrahleffekte auf Rx-Produkte haben können.
Grundsätzlich kann man etwas zugespitzt sagen: Gesundheit klingt nicht, sie kommuniziert visuell. Denn: Gesundheitsmarken haben nur selten eine
Audio-Identität. Einige Ausnahmen finden sich im OTC-Bereich, Umckaloabo ist ein Beispiel.
Woran liegt das? Zum einen ist ein Grund hierfür sicherlich die Tatsache, dass verschreibungspflichtige Medikamente meist weniger als Marke, sondern als Produkt gegenüber den Healthcare Professionals (HCPs) vermarktet werden. Das heißt: Häufig wechselnde visuelle Auftritte und Botschaften prägen das Bild.
Wirklich nachhaltig aufgebaute Markencharaktere sind selten. Begründet wird das oft mit den Restriktionen des Heilmittelwerbegesetzes und dem vergleichsweise kurzen Lebenszyklus der Rx-Produkte. Hinzu kommt, dass die Zielgruppe der Ärzte und Ärztinnen als besonders gebildet gilt – das heißt: wenig beeinflussbar durch Markenkommunikation.
Und dennoch: Eine Audio-Identität aufzubauen lohnt sich. In dem Format Podcast steckt viel Potenzial auch für verschreibungspflichtige Medikamente.
Storytelling und Wissensvermittlung mit Fachpodcasts
Aber was genau können Podcasts für Rx-Produkte leisten? Grundsätzlich gilt: Das Audio-Format kann komplexe Inhalte kurzweilig und ansprechend transportieren. Das gelingt beispielsweise durch fachlichen Dialog, audioinszeniertes Storytelling oder durch starke fachliche Influencer.
Im Gewand eines Fachpodcasts ist es daher möglich, medizinisch anspruchsvolle und spannende Themen an eine Fachzielgruppe heranzutragen. Beispiele sind hier der Fachpodcast „Nervennahrung“ von Roche, der sich an Neurolog:innen richtet. Oder der eigens für die Fachzielgruppe PTA entwickelte Podcast „Brennpunkt Sodbrennen“ von Riopan aus dem Hause DR. KADE. Hier finden fachlicher Diskurs und Wissensvermittlung statt, die durch Elemente der Diskussion und des Storytellings unterhalten. (Lesen Sie dazu auch den Health Relations Artikel:
Diese Podcasts machen erfolgreiches Pharmamarketing)
Gesundheit und Podcast-Formate: Die neue Artenvielfalt
Am anderen Ende des Spektrums tummeln sich in der Healthcare-Branche auch diverse Publikumspodcasts zu allgemeinen Gesundheitsthemen und bestimmten Indikationen. Besonders beeindruckend sind hier Audio-Formate, die Patient:innen zu Influencern machen. Anschaulich macht das beispielsweise der ADHS-Patient:innen-Podcast „ADHS & ich“ von Takeda. Unter dem Titel „Mein Leben auf Umwegen“ erzählt der erwachsene Adam im Stil eines Hörbuchs von seinem Leben als Erwachsener mit ADHS. Der Podcast richtet sich insbesondere an erwachsene ADHS-Betroffene und
deren Familien. Das Ziel: Über Austausch Gemeinschaft zu schaffen.
In jüngster Zeit entstehen immer mehr
Mischformen zwischen Fach- und Publikumspodcasts, wie zum Beispiel der „Merck Cast“. Dieser richtet sich sowohl an Ärztinnen und Ärzte als auch an Laien. Mit Themen wie Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen (CED), allgemeine Gesundheit, Kardiologie und Diabetologie ist er daher breit aufgestellt. Hier gelingt es dem Podcast sogar, traditionelle Grenzen aufzubrechen. Was das bedeutet? Man stelle sich vor, es gäbe ein Printmedium, das Ärztinnen und Ärzte sowie Patient:innen gleichermaßen fesselt, eine Mischung aus Ärztezeitung und Apothekenumschau.
Publikumspodcasts erzielen indirekte Effekte
Doch wo bleibt bei all diesen Podcast-Typen das zu vermarktende Rx-Produkt? Ganz klar: Bei Publikumspodcasts findet es natürlich gar nicht statt – das HWG lässt grüßen. Hier kann der Hersteller als Unternehmensmarke vor allem Awareness und Community-Feeling für eine Indikation schaffen.
Publikumspodcasts tun viel für die Wahrnehmung des sponsernden Unternehmens,
aber natürlich wenig bis gar nichts für die Rx-Produktmarken hinter bestimmten Indikationen.
Nicht zu unterschätzen ist jedoch die
indirekte Wirkung von Publikumspodcasts über die Fachzielgruppen. „Die meinen es wirklich ernst mit der Indikation XYZ“, kann die Reaktion der Fachzielgruppen auf einen gelungenen Publikumspodcast sein. Eine Reaktion, die mittelbar auch Auswirkungen auf die Verschreibung des Rx-Produkts des jeweiligen Unternehmens haben wird.
Vorteile von Fachpodcasts für Rx-Marken
Anders sieht es bei den Fachpodcasts aus.
Hier zeigen Pharmahersteller mit der Entwicklung und nachhaltigen Umsetzung von Podcast-Formaten echtes Engagement für die Therapie in einer Indikation. Denn der generierte wertvolle Content wird von Ärztinnen und Ärzten zu Recht als „Service beyond the pill“ verstanden. Hier wird Kommunikation zum echten Nutzen.
Auch gelingt es solchen Podcasts häufig, Rx-Produktmarken in der Wahrnehmung der Ärztinnen und Ärzte aufzuladen, auch wenn die Rx-Produktmarken fast ausschließlich als Sponsoren auftreten – im Sinne von „Dieser Podcast wurde ermöglicht durch XYZ“. Denn eine echte Werbebotschaft im redaktionellen Teil des Podcasts würde den Podcast als Ganzes entwerten.
Auf die Themensetzung kommt es an
Produktbezogene Werbung ist also nicht möglich, intelligente Themensetzung allerdings schon. Die Nennung von Rx-Marken als Sponsoren und ein maßgeschneidertes redaktionelles Konzept ermöglichen es, das Rx-Produkt in einen spannenden Kontext zu stellen.
Das können beispielsweise Fachdiskurse über den jeweiligen „Mode of Action“ (MoA) einer Medikamentenklasse sein
, also die Wirkweise einer Arzneimittelgruppe. Oft geht es auch um die Darstellung der Lebenswirklichkeit von Patient:innen, der „Burden of Disease“, die mit dem Nutzen des Produkts verknüpft wird. Hier kommt es zum einen auf die redaktionell saubere Arbeit an, zum anderen kann eine sinnvolle Themensetzung dem Produkt Rückenwind geben.
Die Marke des Rx-Produkts kann von einem Fachpodcast erheblich profitieren. Nur eben nicht direkt über Werbung, sondern intelligent über das Engagement für eine Indikation, das sich in einem Podcast dokumentiert, über spannende Diskurse, interessante Gesprächspartner:innen, also über die Qualität der Inhalte selbst. Und über intelligente Themensetzung, die dem Produkt Rückenwind gibt. Und nicht zuletzt über ein klares Branding, das das Hörerlebnis mit der Rx-Marke verbindet.
Fazit
Kann der Podcast also den Weg über die Ohren in die Rezeptblöcke der Ärztinnen und Ärzte finden? Auf jeden Fall! Aber nicht im Sinne eines Quick Wins.
Ein intelligentes, nachhaltiges Podcast-Format aufzubauen und über Jahre frisch zu halten, erfordert einen langen Atem. Dann aber kann es bei Fachzielgruppen eine große Kraft entwickeln, sowohl für die Reputation des Pharmaunternehmens als auch für das verschreibungspflichtige Produkt. Denn mit einem Podcast – auch einem Rx-Podcast – ist es wie mit einem Song: einmal im Ohr, immer im Ohr.
Über den Autor
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© Schmittgall HEALTH[/caption]
Gunther Brodhecker ist seit 2017 als Creative Director und Mitglied der Geschäftsführung bei Schmittgall HEALTH in Stuttgart tätig und betreut in seiner Funktion nationale und internationale Healthcare-Kunden. Er hat mehr als 20 Jahre Agenturerfahrung gesammelt und machte u.a. Station bei Kastner & Partner, Lowe Lintas Change, Saatchi & Saatchi und J. Walter Thompson.