WEFRA LIFE: Precision Marketing braucht ein neues Mindset
Niklas Kurz: In dem WEFRA LIFE-spezifischen Healthcare-Kontext begreift Precision Marketing, dass es in der Kommunikation von Themen immer mehr um Präzisions-Therapien und Präzisions-Medizin geht. Um spezifische Themen. Darauf reagieren wir mit Präzisions-Marketing. Es geht um die individuelle Ansprache des Arztes oder der Ärztin, bei Patienten um die individuelle Therapie. Christiane Lafrentz und ich haben bereits im B2C-Segment Erfahrungen gemacht, die wir jetzt auch in die Healthcare-Branche einbringen wollen. Das Brandneue am Precision Marketing ist also, dass wir immer mehr spezifische
Kundensegmente und Kundengruppen ansprechen und dafür sehr präzise Daten nutzen können.
Christiane Lafrentz: Ich würde gern noch ergänzen: Es geht bei dem Begriff weniger um Prozesse und Maßnahmen als um eine Denkweise. Die natürlich in einen Prozess gegossen wird, der aber alles andere als starr ist. Precision Marketing ist eine Herangehensweise und meint, dass wir einfach bei jedem Kunden und bei jeder Kundin, auch für jede Dienstleistung in welchem Fachbereich auch immer, versuchen, diese datenbasiert und evidenzbasiert zu machen. Ich erläutere das gerne am Beispiel Media: Die Print-Planung basiert auf einer auf einer LA-MED-Studie oder, im Consumer-Bereich, auf einer Media Analyse. Ansonsten hat man daraus aber keine Learnings gezogen, außer dass man vielleicht bessere Rabatte herausgeschlagen hat. Und heute? Im digitalen Segment sind im Consumer-Bereich natürlich schon ganz andere Möglichkeiten da und auch teilweise schon implementiert im Markt. Im Pharmabereich ist das noch völliges Neuland, zum Beispiel ein präzises Targeting, das es ermöglicht, wirklich den Onkologen zu erreichen. Und ich weiß auch, dass es ein Onkologe ist, den ich da gerade erreiche. Das sind Fragestellungen, die im B2C-Bereich schon seit rund zehn Jahren diskutiert werden, im Healthcare-Bereich erst seit kurzem, weil die Möglichkeiten auch einfach nicht da waren. Wir bewegen uns jetzt gerade langsam mit Anbieter:innen, mit Kunden:innen, mit Vermarkter:innen dahin.
Health Relations: Wir sprechen also über eine möglichst präzise Kundenansprache. In diesem Kontext kommen verschiedene Themen zusammen. Da haben wir einmal das Thema Content und einmal das Thema Kanäle. So wie ich es verstanden habe, ist das Besondere beim Precision Marketing auch, dass ich diese Themen automatisch verschmelze und nicht mehr als getrennte Bereiche bearbeite. Habe ich das richtig verstanden?Niklas Kurz: Ja, genau das ist unser Job im WEFRA LIFE Innovation Hub. Der Hub an sich ist ein zentraler Knotenpunkt in der Agentur-Gruppe, der zum Beispiel Content-Kanäle, mit denen die WEFRA LIFE Solution arbeitet, und die Media-Kanäle vereint. Genau das ist die Funktion dieser Schnittstelle: Dass wir die Themen zusammenführen. Dass wir Media-Ausspielung und Daten, die wir dort generieren, verwenden, um auf der anderen Seite die ganzen Informationen, die aus dem Channel kommen, zu verwenden, um den Content und die Kreation entsprechend abzustimmen. Aktuell besteht immer noch die Gefahr von Diskrepanzen zwischen der Message und dem Channel, wo diese Message ausgespielt wird, und dem Touchpoint oder der Lebenssituation, in der der User dann in dem Moment ist. Das Ziel ist, die Relevanz bei Patient:innen, beim Arzt und der Ärztin oder bei dem User hochzuhalten, und zwar dadurch, dass ich den richtigen Content zur richtigen Zeit im richtigen Channel spiele.
Health Relations: Banale Frage, aber eine wichtige: Woher wissen Sie, wo der oder die Ärzt:in in diesem Moment ist, in dem Sie ihn oder sie mit Ihrem Content zu erreichen suchen? Sprich: Woher kommen die Daten?Niklas Kurz: In der klassischen Media-Planung gibt es natürlich die ganzen Reichweitenstudien, die wir bereits ansprachen. Bei den digitalen Kanälen gibt es die Möglichkeit, jede einzelne Impression, jede einzelne Interaktion des Users mit der ausgespielten Kampagne zu tracken. Da geht es nicht um repräsentative Informationen über Leser, sondern um absolute Zahlen, die wir verwenden können, und das in Echtzeit. Ein anderer großer Datenpunkt, der auch im B2C-Bereich immer wichtiger wird, auch im Kontext von Google Sandbox oder Cookieless Targeting, sind tatsächlich die First Party-Daten. Sowohl Verlage wie auch Pharmaunternehmen müssen immer stärker darauf setzen, eigene Daten aufzuarbeiten und Datenstämme aufzubauen und so First Party-Daten zu generieren. Auch mit diesen Daten arbeiten wir. Heißt: Alles, was aus den Themen Channel und First Party Daten unserer Kunden kommen, fließt bei uns zusammen. Das sind die beiden größten Datenquellen, mit denen wir arbeiten.
Health Relations: Wie wichtig ist das Thema "Echtzeit", das sie bereits ansprachen, in diesem Kontext?Niklas Kurz:Das kommt auf die Message an, die man aussendet. Wir legen mit dem Kunden gemeinsam fest, wie oft wir die Kampagne monitoren. Das kann täglich sein, das kann wöchentlich sein. In Echtzeit heißt theoretisch, dass ich die Kampagne in Notfällen sofort auch stoppen oder eben auch jederzeit optimieren kann.
Christiane Lafrentz: An diesem Punkt kommt auch wieder unser Mindset ins Spiel, das Zusammenspiel aus Content und Channel ist super wichtig. Wenn ich zum Beispiel sofort sehe, die Kampagne performt einfach nicht in der Zielgruppe oder das Werbemittel funktioniert einfach nicht, dann habe ich eben die Möglichkeit, den Content sofort zu tauschen. Ich muss nicht die Kampagne stoppen, ich gehe stattdessen wieder in die Kreation und sage: Okay, Leute, das hat nicht funktioniert. Wir brauchen einen anderen Content, wir brauchen ein anderes Creative für dieselbe Zielgruppe.
Health Relations: Sie erwähnen auf ihrer Homepage, mit diesen Maßnahmen, mit dieser sehr präzisen Kundenansprache schaffen Sie einen höheren Return on Invest. Ist das wirklich nachweisbar?Christiane Lafrentz:Wir legen zu Beginn mit dem Kunden bzw. der Kundin die KPIs fest. Es ist enorm wichtig, mit dem Kunden wirklich über seine Ziele zu sprechen. Oftmals werden die erst im Gespräch klar und wir machen dann die KPI-Ableitung daraus. Dadurch können wir am Ende natürlich auch einen Return on Investment ausweisen. Zu KPIs wie Conversion Rate, Awareness, Zustimmung zu bestimmten Abfragen ist das einfacher, als wirklich ein Return on Investment auf Abverkauf zu rechnen. Das müssen Sie dann tatsächlich modellieren. Dazu brauchen Sie eine Zeitreihe, es müssen wirklich komplett die Daten, auch so etwas wie Saisonalität und so weiter, einfließen. Das geht, ist aber aufwendig. Da ist dann auch mal die Frage: Rechnet es sich für den Kunden, zu investieren in diesen Aufwand und wirklich komplett durchzumessen? Oder reicht es vielleicht auch, zu sagen: Ich brauche eigentlich nur reine Digital-KPIs und dann kann ich mir den Rest erschließen. Auch das erarbeiten wir mit dem Kunden oder der Kundin.
Niklas Kurz: Ich kann beispielsweise modellieren: Wo kommt der Kunde her? Wie oft war er auf meiner Website, bis er etwas gekauft? Hab ich am Ende mein Ziel erreicht, wurde eine Shopping Order abgesetzt? Bei Pharmaunternehmen kann das eine Anmeldung zu einem Seminar sein. Das bringe ich in Verbindung mit Fragen wie: Wie viel habe ich in welchen Kanal investiert, um eine Conversion zu erreichen. Wie hoch ist der Customer Value, also wie viel bringt mir der Kunde und wie viel darf ich für den Kunden ausgeben, dass er sich für ein Event anmeldet? Damit gehen wir eigentlich über das reine Marketing hinaus. Da kommen dann die ganzen Sales-Leute dazu, da kommen die Vertriebskanäle dazu. Da kommt auch PR dazu, da kommen die E-Commerce Leute dazu. Diese Komplexität aber benötigt eine Umstrukturierung auf der anderen Seite, in den Unternehmen. Zum Teil bedeutet das, neue Prozesse zu schaffen, anders zusammenzuarbeiten, produktiv zusammenzulegen, Transparenz zu schaffen zwischen den Teams, was auch das große Ziel ist.
Health Relations: Sie haben es bereits angedeutet: Für Pharmaunternehmen scheint Precision Marketing oftmals noch Neuland zu sein. Würden Sie Ihre Einschätzung diesbezüglich präzisieren?Niklas Kurz: Die Branche begibt sich mittlerweile schon sehr stark auf die Reise. Ein Riesenthema sind Technologien, um zum Beispiel Themen zu tracken, um Themen auch auszuspielen, messen zu können. Das sind komplett neue Bausteine, die auch erst mal Investments mit sich bringen. Auch das braucht Beratung. Dafür müssen die Teams zusammengebracht werden, auch auf Kundenseite, weil ich eben nicht nur die Kommunikationsabteilung habe, sondern auch die IT. Oder das Sales-Team, und die müssen sich auch einig werden über die Technologie, die sie verwenden. Das kann auf Kundenseite zu einem sehr langsamem Abstimmungsprozess führen, den wir gerne begleiten und quasi als Mediator agieren, wenn nötig.
Health Relations: Corona ist ein Treiber für die Digitalisierung in Deutschland gewesen. Nehmen Sie das für sich und Ihr Geschäftsfeld, über das wir hier sprechen, auch wahr?Niklas Kurz: Ich persönlich schon. Viele Kunden und Kundinnen wussten anfangs nicht, wie es weitergehen wird. Gibt es überhaupt noch Point of Sales-Kommunikation? Heißt: Alles, was mit klassischem Marketing zu tun hatte, wurde erst mal in Frage gestellt. Auf der anderen Seite waren viele Kund:innen auch bereit für Innovationen und Veränderung.
Health Relations: Nun ticken Ärzt:innen vielleicht zunehmend digitaler, aber das Fax beispielsweise ist ja durchaus noch gelebtes Kommunikationsmittel in der Branche.Christiane Lafrentz: Absolut. Die klassischen Kanäle sind natürlich immer noch Reichweiten-Treiber. Wir bieten weiterhin das gesamte Spektrum an, nur ist unser Anspruch, die Kommunikation nicht einfach durchlaufen zu lassen, sondern zu optimieren. So wie es im B2C-Bereich auch stattgefunden hat, wird eine Verschiebung zu digital stattfinden über die nächsten Jahre, mit einem veränderten Verhalten der Ärzte und auch mit größer werdenden Angeboten und besser werdenden Targeting-Möglichkeiten im Markt. Das wird passieren. Das heißt nicht, dass es ab morgen keine Printmedien in dem Bereich mehr gibt, sie werden weiterhin auch ihre Berechtigung haben.
Niklas Kurz: Wir als WEFRA LIFE sind eine der größten Mediaprint-Buchungsagenturen in dem Bereich. Das sind aktuell unsere Kernkompetenzen. Aber wir ziehen in eine Richtung und wir ziehen alle gemeinsam hin. Digitales Präzisionsmarketing in Perfektion ist für uns die Zukunft, und darauf arbeiten wir hin. Der Innovation Hub ist in diesem Kontext ein Katalysator.
Health Relations: Sie als Agentur – und Partner – werden messbar sein in dieser Zukunft. Weil die kommunikativen Maßnahmen von ihren Kund:innen messbar sind. Schafft das nicht Druck für Sie?Christiane Lafrentz: Wir wollen auf jeden Fall auch messbar sein und unsere Leistung messbar machen lassen. Das ist unser Anspruch. Jeder Kunde soll uns nach unserer Leistung beurteilen können.
Health Relations: Sie haben gerade eben gesagt, die Unternehmen müssten investieren, um Strukturen zu schaffen, um für die digitale Zukunft gerüstet zu sein. Wie sieht es mit der WEFRA LIFE Group aus?Niklas Kurz: Wir investieren natürlich auch in die Tools, die man braucht. Cloud-Infrastrukturen, Datenmanagement-Plattformen, in Daten-Integrations-Tools, in die ganzen Lizenzen, die wir benötigen, um auch beim Kunden die Dinge zu visualisieren und umzusetzen, die wir brauchen. Das Thema Talent steht bei uns ebenfalls ganz oben: Wir bauen unsere Teams aus, haben neue Leute in unseren Daten-Teams, einen neuen Head of Data und Analytics, sowie einen neuen Lead in der von uns gegründeten Healthy Programmatic. Das ist ein Invest in People und Technologie.
Health Relations: Das Thema Talent ist mit Sicherheit eine Challenge für Sie als Agentur, oder? Die besten Leute auf dem Arbeitsmarkt zu sichern und zu begeistern?Niklas Kurz: Oh ja. Es ist wichtig, sich die richtigen Leute zu suchen und es wird für alle genau gleich schwierig, also auch für unsere Kund:innen, die richtigen digitalen Talente zu bekommen. Auch dafür brauchen wir neue interne Strukturen. Ziel ist es, durch die Technologien und die veränderten Prozesse interne Themen zu optimieren, um auch die Leute ein bisschen freier zu machen und Raum für neue Themen zu geben.
Health Relations: Wenn wir jetzt in die Zukunft schauen, mit dem Schwerpunkt Precision Marketing, wo ist die Herausforderung in den nächsten fünf Jahren für die Pharmabranche? Aus Ihrer Sicht?Christiane Lafrentz: Das eine ist das Verständnis dafür, dass sich ein Unternehmen bewegen muss. Also wenn jemand jetzt sagt, es funktioniert doch alles für mich noch recht gut, sage ich: In fünf Jahren wird es das nicht mehr. Das heißt, man muss jetzt die Weichen stellen und auch überlegen: Wo muss ich bei mir im Unternehmen vielleicht Abteilungen fusionieren, Köpfe und Themen zusammenbringen, damit ich aufgestellt bin für die Zukunft. Das ist das eine. Und das zweite ist, denke ich, Investment in technologische Voraussetzungen. Die Daten, die man hat, in den Griff zu bekommen. Das sind die zwei Herausforderungen.
Niklas Kurz: Ja, und auf der anderen Seite glaube ich auch, dass die Organisation der Dynamik nicht verloren gehen darf. Neue Technologien bedeuten auch immer neue Prozesse. Da muss man auch den Mut haben, die richtigen Schritte zu gehen. Weil es immer neue Talente gibt, die einfach mit viel mehr Speed, mit viel mehr Dynamik und viel mehr Power in die Märkte reinkommen. Zum Beispiel Amazon oder eben auch Google, wenn es um Informationen im Gesundheitsbereich geht – mit dem Verweis auf die Kooperation zwischen Google und dem Bundesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr. Oder Pharmaunternehmen, die sich letztes Jahr auch komplett neu groß aufgebaut haben. Wie Biontech sich gerade strukturiert, ist ziemlich beeindruckend. Das ist eine Herausforderung: Wie können etablierte Pharmaunternehmen sich umstrukturieren, um weiter mit im Spiel zu bleiben.
Health Relations: Precision Marketing heißt zu Deutsch schlicht präzises Marketing. Was meint Precision Marketing im WEFRA LIFE-Kontext?