Johannes Inama, Angelini Pharma: „Aus Reibung kann ein konstruktiver Prozess entstehen“

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Johannes Inama, Geschäftsführer und Country Manager von Angelini Pharma in Deutschland (Foto: Angelini Pharma)
Johannes Inama, Geschäftsführer und Country Manager von Angelini Pharma in Deutschland (Foto: Angelini Pharma)
Mit Johannes Inama steht Angelini Pharma in Deutschland seit Kurzem ein erfahrener Pharma-Experte als Geschäftsführer und Country Manager vor. Im Interview erzählt Inama, wie er Angelini in Deutschland entwickeln will, welche Herausforderungen er am hiesigen Markt sieht und wieso es jetzt vor allem eines braucht: Mut.

Health Relations: Vor Ihrem Wechsel zu Angelini Deutschland waren Sie bei einigen großen Namen der Pharma-Branche tätig, darunter CureVac, GlaxoSmithKline und ViiV Healthcare. Was hat Sie an Ihrer neuen Aufgabe gereizt?

Johannes Inama: Ich kannte Angelini Pharma zugegeben nur aus der Distanz, musste mich also erst mal einlesen. Und fand zwei Dinge faszinierend: Zum einen hatte ich nach vielen Jahren in Konzernen für mich selbst erkannt, wie sehr mich KMU begeistern. Bei Angelini als familiengeführtem Unternehmen konnte ich den CEO der Holding kennenlernen, der die Familie vertritt, und fand die Kultur und das Umfeld spannend. Zum zweiten hat mich die besondere Kombination aus der Specialty Care für Epilepsie im RX-Bereich und der OTC-Säule gereizt. Ich selbst komme aus der RX-Welt und freue mich, in Sachen OTC einen Schritt aus der Komfortzone zu machen.

Health Relations: Mit welchen Zielen sind Sie in Ihre neue Rolle gestartet?

Johannes Inama: Während Angelini international schon mehr als 100 Jahre alt ist, ist die deutsche Niederlassung von Angelini Pharma – 2020 gegründet – noch sehr jung. Entsprechend musste sie in den ersten Jahren erst mal auf die Beine kommen. Mein Ziel ist nun, Angelini in Deutschland in die nächste Phase zu begleiten: auf dem geschaffenen Fundament aufzubauen und das Unternehmen vom „Start-up“ zum echten Player auf dem deutschen Markt zu entwickeln. Dafür gilt es, unsere vermeintlich unterschiedlichen Standbeine RX und OTC zusammenzubringen und aus diesem Mix einen Wettbewerbsvorteil zu entwickeln.

Health Relations: Gerade hatten Sie Halbjähriges in Ihrer neuen Position. Mit welchen Themen haben Sie sich in den ersten Monaten besonders beschäftigt?

Johannes Inama: Der Start war ein ganz intensives Reinhören in die Organisation. Schritt eins war ein lokales Reinhören, ein intensives In-den-Austausch-gehen zum Beispiel mit Außendienst, Innendienst, Finanzabteilung und Vertrieb. Im zweiten Schritt habe ich mich intensiv mit Kolleg:innen in der Zentrale ausgetauscht und ihre Perspektiven eingeholt. Und Schritt drei war, ins Gespräch mit unseren Kund:innen zu gehen. Im Grunde war ich das erste halbe Jahr immer auf der Suche nach Meinungen, Eindrücken und Perspektiven.

„Wie die Patient:innen ihren Alltag meistern, welchen Mut es braucht, in der Therapie etwas umzustellen: Diese Gespräche haben mich lange und nachhaltig beschäftigt.“

Health Relations: Gab es in diesen Gesprächen ein besonderes Aha-Erlebnis?

Johannes Inama: Da ich in der Vergangenheit vor allem im RX-Bereich tätig war, war im Consumer-Health-Bereich quasi alles ein Aha-Erlebnis (lacht). Aber auch im RX hatte ich Aha-Erlebnisse in der Indikation der Epilepsie: Erzählungen darüber, wie Menschen Epilepsie tatsächlich erleben. Wie die Patient:innen ihren Alltag meistern, wo sie mit Stigmata konfrontiert sind, welchen Mut es braucht, in der Therapie etwas umzustellen. Diese Gespräche haben mich lange und nachhaltig beschäftigt.

Health Relations: Welche Maßnahmen leiten Sie nun daraus ab?

Johannes Inama: Wir haben Maßnahmen entwickelt, die sich drei Säulen zuordnen lassen: unseren Business Units OTC und RX sowie unserer Unternehmenskultur. Um mit dem RX-Bereich, der Epilepsie zu starten: Wir haben jetzt in den letzten Monaten unsere Präsenz im Markt aufgestockt, den Vertrieb vergrößert. Hier geht es darum, den Mut zum Investieren zu haben, weil wir in dem Bereich viel Potenzial – auch Wachstumspotenzial – sehen. Auch wollen wir Mut zu zeigen, dass das Therapieziel in der Epilepsie komplett neu zu definieren ist: Bisher wird das Therapieziel der Anfallsfreiheit von sehr vielen Behandler:innen und Patient:innen nicht wirklich gesehen oder für realistisch gehalten. Wir haben uns das Ziel der Anfallsfreiheit auf die Fahne geschrieben und wollen auf einen Paradigmenwechsel hinarbeiten.

Im Bereich Consumer Health und dort vor allem in der Steuerung des Außendienstes gehen wir neue Wege. Wir wollen die Außendienstleitung mehr in die Verantwortung nehmen, selbst zu gestalten, eigene Lösungen zu finden. Auch mal den Mut zum Experimentieren zu haben. Ein größeres Maß an Freiheiten zu geben. Gleichzeitig geht mit Freiheit auch Verantwortung für die Ergebnisse einher. Das gilt es im Sinne einer Kultur in die Organisation hineinzutragen.

Health Relations: Und damit wären wir bei der Unternehmenskultur als dritter Säule: Welche Unternehmenskultur lebt Angelini Pharma in Deutschland und was planen Sie hier?

Johannes Inama: Zum ersten sind wir sehr stolz auf unsere diverse Aufstellung. Als deutsche Vertriebsorganisation sind wir ein internationales Team mit unterschiedlichsten Backgrounds. Unsere heutige Aufstellung ist entstanden aus der Zusammenführung aus ThermaCare und Tantum Verde auf der einen Seite, das organisch von Angelini stammt. Und dem Thema Epilepsie auf der anderen Seite, das vor gut drei Jahren zugekauft wurde. Mit den neuen Produkten wurden auch Kolleg:innen, sogar ganze kleine Teams „importiert“. Auf diese Weise ist eine menschliche und auch fachliche Diversität entstanden, die wir noch stärker als Schlüssel zum Erfolg begreifen müssen. Es ist immens wertvoll, so viele verschiedene Perspektiven im Unternehmen zu haben.

Health Relations: Führt besagte Vielseitigkeit auch mal zu Reibung, zu Diskussionen?

Johannes Inama: Absolut und das ist nicht immer bequem. Wichtig dabei ist, immer davon auszugehen, dass alle Beteiligten aus einer positiven Absicht heraus agieren. Außerdem muss in der Diskussionskultur klar sein, dass es um die Sache geht – das gilt es, vom Zwischenmenschlichen zu trennen. Wenn man das lebt, lässt sich Reibung in einen konstruktiven Prozess übersetzen.

Sehr positiv finde ich, dass es bei Angelini Deutschland trotz aller Diversität ein starkes Wir-Gefühl gibt. Das ist aufgrund unserer Historie keine Selbstverständlichkeit, gerade anfangs gab es viele personelle Wechsel, viele unterschiedliche Erwartungshaltungen etc. Unser Wir-Gefühl musste sich also erst entwickeln – es weiter zu stärken, ist eine Aufgabe für die kommenden Monate und Jahre.

„Ich möchte im Unternehmen noch stärker die Sichtweise implementieren, dass sich Mut auszahlt.“

Last not least möchte ich im Unternehmen noch stärker die Sichtweise implementieren, dass sich Mut auszahlt. Auch da sind wir in der Entwicklung: Alle dürfen den Mut haben, Dinge auszuprobieren, sie weiterzuentwickeln. Dafür einen sicheren Rahmen herzustellen und zu vermitteln, sehe ich als eine meiner Aufgaben.

Health Relations: Vor welchen Herausforderungen sehen Sie die Pharmabranche derzeit mit Blick auf den Standort Deutschland?

Johannes Inama: Über beide Units hinweg ist das ganz klar ein schrumpfendes Budget im deutschen Gesundheitssektor – ein wachsender Finanzdruck bedingt durch die diversen wirtschaftlichen und politischen Krisen der letzten Jahre. Es wird immer herausfordernder, den Wert sichtbar zu machen, der in der Innovation steckt.

Health Relations: Wie lässt sich diese Herausforderungen stemmen?  

Johannes Inama: Der zentrale Schlüssel zum Erfolg ist immer das Miteinander. Politik, Kassen, Pharma, Ärzteschaft, Versorger: Die großen Herausforderungen im Gesundheitssystem können wir als unterschiedliche Akteur:innen nur gemeinsam lösen und das heißt, über Schatten zu springen und aufeinander zuzugehen. Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren zwischen Politik und Industrie zum Teil eher noch auseinander- als zusammengewachsen sind. Auch da ist Reibung im System und das muss auch sein. Aber wir müssen uns fragen: Ist das noch konstruktiv? Auch hier sollten wir das kulturelle Prinzip verfolgen, einander eine positive Absicht zu unterstellen.

Health Relations: Wie trägt Angelini Pharma Deutschland dazu bei?

Johannes Inama: Unser Ziel für die nächsten zwei, drei Jahre ist, dass wir aktiver im deutschen Gesundheitswesen mitgestalten. Konkret wollen wir wesentlich stärker zum Ansprechpartner etwa für Ärzte- und Apothekenvertreter:innen werden. Wir sind kein Pharmariese, können aber sehr konstruktiv an Lösungsansätzen arbeiten und auch Brücken bauen. Wir wollen nahbar und erreichbar sein, gemeinsam am Tisch sitzen und überlegen: Wie können wir dazu beitragen, dass es Menschen in Deutschland besser geht? Das bedeutet auch, rein kommerzielle Interessen einmal hinten anzustellen.

Health Relations: Wenn Sie fünf Jahre nach vorne blicken: Welche Entwicklungen bei Angelini Pharma Deutschland möchten Sie dann umgesetzt sehen?

Johannes Inama: Mit Blick auf unsere Unternehmenskultur möchte ich die Faktoren Diversität, Wir-Gefühl und Mut so weit entwickelt haben, dass sie nicht nur intern, sondern auch extern spürbar sind. In Sachen Brain Health ist das Ziel, dass wir einen Beitrag dazu leisten, noch viel mehr Menschen mit Epilepsie ein nahezu anfallfreies Leben zu ermöglichen. Und auch im Bereich Consumer Health wollen wir mit der Produktqualität überzeugen und zur Verbesserung der Lebensqualität in den Indikationen beitragen, in denen wir präsent sind. Wenn unsere Produkte den Menschen helfen, gelingt auch der Rest.

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