Im Rahmen des Cases-Feuerwerks beim COMPRIX Campus stellte Jens-Christian Jensen, Managing Director bei Publicis Pixelpark, die Gewinnerkampagne für Dentsply Sirona vor. Wir sprachen mit ihm und Client Service Director Florian Wehde darüber, wie heute Kampagnen geplant werden: mit Datenanalysten.
Wie lassen sich technisch anspruchsvolle Produkte in eine strukturierte Kommunikation transferieren, die auch digital funktioniert? Mit dem Kommunikationskonzept zur Markteinführung von CEREC Zirconia von Dentsply Sirona ist nach Ansicht einer dentalen Fachjury unter der Leitung von Norbert A. Froitzheim, Verleger und Geschäftsführer des Deutschen Ärzteverlags, exakt das gelungen. Die Kampagne „CEREC Zircona – Einfach Schneller“ erhielt je einen Award in der brandneuen COMPRIX-Kategorie "Non Rx , Non OTC – Dental-/Oral-Care – Fachkreise" sowie in "Digitale Medien – Integrierte Kampagne digital – Fachkreise". Wir sprachen mit Jens Jensen und Florian Wehde von Publicis Pixelpark über Kampagnenplanung mit Datenanalysten.
Health Relations: Beschreiben Sie doch bitte die Kampagne für Dentsply Sirona.Florian Wehde: Den Kunden Dentsply Sirona betreuen wir noch gar nicht so lange. Eines unserer letzten Projekte war der Produktlaunch von CEREC Speedfire: Das ist ein neuer Sinterofen, der schnell und komfortabel Kronen und Inlays sintern kann. Dazu kommt das Material Zirkonoxid, das bei Zahnärzten enorm beliebt ist, weil man es sehr gut verarbeiten kann und es lange haltbar und passgenau ist. Zirkonoxid konnte aber bisher von den meisten Öfen nicht verarbeitet werden. Das ist mit dem Speedfire kein Problem mehr und dauert nur noch 10-15 Minuten.
Zu der Headline „Simply Faster“ zeigen wir Personen, die gerade von einem schnellen Windstoß überrascht werden – als ob sie in einem Cabrio sitzen und gerade ein Auto an ihnen vorbeigefahren ist. Die Quelle der Bö ist aber die mit dem Ofen verbundene Schnelligkeit. Wir haben fünf verschiedene Motive entwickelt, die diese überraschende Effizienz zeigen: natürlich den Zahnarzt, natürlich die Helferin, aber auch den Patienten. Das ist zwar in der Branche nicht üblich, aber wir wollten den Mehrwert für beide Seiten herausstellen.
Die Motive der Kampagne haben wir in mehr als zehn Kanälen gestreut und auf eine Landingpage verwiesen, auf der wir die Vorteile des Speedfire plakativ vorstellen. Wir haben Social Media und kurze Clips gemacht, in denen der Speed-Effekt erscheint und die Haare fliegen – dieses Motiv haben wir sozusagen als Preroll für weitere Videos verwendet. So haben wir durch den Medienmix eine runde Mischung erzielt, und der Kunde hat zum Launch zweimal so viele Einheiten wie geplant verkauft.Der Casefilm für die Kampagne zum COMPRIXHealth Relations: Wie denken Sie über die neue COMPRIX-Kategorie?Jens Jensen:Zahnärzte ticken anders.Zahnärzte ticken anders. Wenn wir als Agentur Pharmakunden oder Kunden aus Medizin und Technik betreuen, ist das anders als bei Zahnärzten. Pharma muss den Arzt in der Praxis becircen und unterliegt dabei einem starken Reglement. Die meisten Zahnärzte aber entscheiden selbst, was sie kaufen. Die Kommunikationsszenarien sind also unterschiedlich. Deswegen finden wir die neue COMPRIX-Kategorie auch gut. Der Zahnarzt ist wirtschaftlich und von Produktseite verantwortlich, aber es gibt da genauso verschiedene Typen wie zum Beispiel bei Autokäufern: Der eine ist technophil, der andere will eine schöne Farbe oder ein langlebiges Produkt. Vielleicht hat der Zahnarzt gerade erst angefangen und nur eine kleine Finanzierung, oder er steht ein paar Jahre vor der Rente und möchte die letzten Jahre mit dem besten Equipment arbeiten. Durch die eigene Kategorie werden diese Anforderungen vergleichbarer. In der alten Kategorie ist der Medizinartikler fürs Großkundengeschäft gegen den Dentalprofi und das nicht-verschreibungspflichtige Medikament angetreten.
Florian Wehde: Die Dentalbranche ist eine wahnsinnig innovative Branche. In vielen Fachrichtungen hat sich in den letzten 20 Jahren nicht essentiell viel getan, aber im Dentalbereich sehen wir durch die Digitalisierung oder die High-End-Materialien eine fortlaufende Entwicklung.Health Relations: Hat sich mit der Digitalisierung der Abläufe auch die Kampagnenplanung geändert?Jens Jensen: Dieser Entwicklung begegnen wir mit einem holistischen Marketingansatz. In der Kommunikationsbranche hat man jetzt verstanden, dass man aus gesammelten Daten – über Kunden, vergangene Kampagnen oder Bewegungsdaten – wichtige Informationen für Kampagnen, aber auch für das gesamte Business ableiten kann. Datensammeln ist eigentlich nicht schwer, und Big Data ist keine Kunst.Datensammeln ist eigentlich nicht schwer, und Big Data ist keine Kunst. Die Herausforderung ist, aus diesen Daten Wissen zu schöpfen und es anwendbar zu machen. Wenn ich dieses Wissen habe, kann ich bessere Kampagnen machen. Früher hat sich der Planner irgendwelche Studien oder Mediaverkaufszahlen aus den Verlagen organisiert und versucht, daraus eine Strategie zu machen. Heute haben wir eine andere Generation Planner, die versteht, wie digital funktioniert: Ich bin in der Lage, einen Nutzer über mehrere Kontaktpunkte über Monate hinweg zu versorgen und begleiten. Diesem Planner stellen wir einen Datenanalysten zur Seite, der mit Trackingdaten umgehen kann und dem Planner Ableitungen aufzeigen kann. Gerade im Pharma- und Medizintechnikbereich haben wir Kunden mit sehr ausgefuchsten CRMs, anders als etwa in der Lebensmittelbranche: Das ist eher ein Massenmarkt, bei dem der Endkunde als Person weniger im Fokus steht. Aber wir kennen ja die Zahnärzte! Wissen wir anhand des CRMs, wen wir wie ansprechen müssen, wer ist in welchem Stadium des Lifecycles? Diese Informationen sind die Grundlage für die kreative Arbeit, die bei einer Kampagne nach der Planning-/Strategiephase kommt.
Wie kann ich Stellen für Datenanalysten schaffen und die Leute zum Umdenken motivieren, wenn die vielleicht schon seit 20 Jahren Broschüren entwickeln?
Health Relations: Wie kommt dieser Wandlungsprozess beim Kunden an?Jens Jensen: Bei den Kunden rennen wir mit diesem Ansatz offene Türen ein. Allerdings muss sich der Kunde dazu verändern, und da reden wir nicht über Technik, sondern über Kompetenz und Kultur. Oft hat der Kunde bereits Personas, das ist gut, aber diese sind top down gedacht – besser sind so genannten Segmente, die mit einemDatenanalysten bottom up entstehen: Also welche statistischen Häufungen und Cluster hat der Kunde in seinen Bewegungsdaten? Wir fungieren bei diesem Wandel als Partner und helfen ihm auch beim Umbau seiner Marketingabteilung. Wie kann ich Stellen für Datenanalysten schaffen und die Leute zum Umdenken motivieren, wenn die vielleicht schon seit 20 Jahren Broschüren entwickeln? Die Broschüreninhalte sind immer noch wichtig, aber das Format stimmt nicht mehr.
Werbung macht seit 100 Jahren einen großen Fehler, nämlich das Überbringungswerkzeug als Organisationsmedium für ihre eigene Struktur zu nutzen. Fernsehwerbung, Annoncen in Zeitungen, Broschüren und Webseiten waren oft verschiedene „Silos“ innerhalb der Unternehmen, weil die ganze Wertschöpfungskette auf das Überbringungsmedium ausgerichtet war. Im Digitalbereich sieht das ähnlich aus: Die CRM-, die Webseiten- und die Shopleute haben das gleiche Problem. Damit die Mitarbeiter keine Angst um ihren Job haben, muss man ihnen erklären, dass es immer um Reichweite, Presales, den Abschluss und danach um die Retention-Phase im Lifecycle geht, und dass wir immer Content brauchen, um den Kunden in die nächste Stufe zu hieven. Und darum kümmern sich alle. Wir versuchen, die Mitarbeiter über die Content-Klammer zu einen. Man muss channelübergreifend arbeiten und integrierte Kampagnen machen.
Schwieriger wird es in den Bereichen Newsletter oder Direct Mailing. Früher hat man einmal im Monat einen Newsletter verschickt, oder alle A-Kunden haben eine kleine Kiste bekommen und alle C-Kunden einen Brief. Da stand aber überall dasselbe drin, und das wurde top down durchorganisiert. Heute baut man komplexe CRM- und Newslettersysteme auf, die mit unterschiedlichem Content bestückt werden. Die Systeme entscheiden selbst, wann was an wen verschickt wird, und es müssen stattdessen Content-Bausteine für die verschiedenen Segmente entwickelt werden. Anhand der Conversion-Rate kann man dann sehen, welcher Content wie gewirkt hat.
Health Relations: Wie kam es zu dem Wandel bei Dentsply Sirona?Jens Jensen: Der Kunde hat eine neue Leadagentur für die Kampagnen gesucht, die gleichzeitig die komplette digitale Infrastruktur austauschen sollte. Angefangen haben wir damit, die Kampagnenkommunikation zu übernehmen und in jeder Kampagne Bausteine für die digitale Infrastruktur zu sammeln – also etwa Text, Bild, Liste, Link, Lead-Genererierung. In anderthalb Jahren haben wir so aus über 20 Kampagnen die Bausteine gesammelt, die der Kunde braucht. Daraus haben wir ein neues, zentrales System aufgebaut, das medienübergreifend alle Kampagnen beinhaltet und alle digitalen Touchpoints ausliefert. So haben wir auch die Grundlage für ein übergreifendes Tracking geschaffen. Früher gab es für jede Kampagne eine eigene Microsite – heute haben wir ein Baukastensystem, aus dem sich jedes Land eigenständig bedienen kann; wir liefern nur noch die Bausteine, die fehlen. Wir kümmern uns nur noch um den Trackingausbau, die Segmentierung und die Dashboards für bessere Entscheidungen, und wir liefern Systeme für Onsite-Personalisierungen.
Health Relations: Inwiefern wirken sich die Umstellungen auf den Umfang der Projekte aus?Jens Jensen: Zu Anfang haben wir noch geglaubt, dass diese Art Projekte langwierig und aufwändig sein müssen, mit einer hohen Anschubfinanzierung und einer langen Time to Market. Das machen wir so aber nicht mehr. Wenn sich heute ein Kunde Data-driven Marketing wünscht, starten wir mit einem Pilotprojekt. Wir nehmen uns dann eine bereits gelaunchte Produkteinführungskampagne oder eine Bestandskommunikation für eine bestimmte Indikation vor und versuchen, diese Kampagne mit Datenanalysten prototypisch in einem Data-driven-Kontext aufzubauen. Der Kunde muss auch die Software nicht mehr unbedingt anschaffen, sondern kann sie mieten oder auf unser Rechenzentrum zurückgreifen. Auch bei Dentsply Sirona haben wir zunächst Kampagnen ausgewählt, die sich für unser Szenario eignen, um beim Kunden das Wissen zu „provozieren“.
Jens-Christian Jensen ist Managing Director bei Publicis Pixelpark in Berlin. Er ist seit zehn Jahren in unterschiedlichen Funktionen für die Agentur tätig. Gemeinsam mit den Kunden schaffen 120 Mitarbeiter/innen am Standort Berlin Neues aus Ideen und Technologien. So entstehen die besten Lösungen für Marken, Kommunikation und E-Business. In Deutschland hat Publicis Pixelpark weitere Agenturen in Bielefeld, Erlangen, Frankfurt, Hamburg, Köln und München.Florian Wehde ist Client Service Director bei Publicis Pixelpark. Er betreut unter anderem den Account von Dentsply Sirona und war in den vergangenen acht Jahren für Publicis Pixelpark auf unterschiedlichen Position an den Standorten München, Berlin und New York tätig.