Dr. Kati Wegner, Pfizer: „Die Herausforderung ist die Orchestrierung aller Kanäle“

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Kati Wegner über personalisiertes Targeting
Omnichannel Lead, Patient & Healthcare Experience Germany bei Pfizer, © Pedro Becerra - STAGEVIEW
Dr. Kati Wegner ist Director Omnichannel Marketing bei Pfizer. Im Interview spricht sie über Voraussetzungen für gutes Omnichannel-Marketing, an welchem Punkt die Pharmaunternehmen dahingehend gerade sind und welche Rolle LLM in Zukunft übernehmen könnten.
In diesem Beitrag lesen Sie:

Health Relations: Wie hat sich das Pharmamarketing in den letzten Jahren, vor allem im Hinblick auf die Digitalisierung verändert?

Dr. Kati Wegner: Grundsätzlich hat sich durch die Nutzung digitaler Kanäle auch in der Pharmaindustrie das Marketing in den letzten Jahren erheblich verändert. Fast alle Unternehmen arbeiten Multichannel und bieten Kommunikation in push und pull auf vielen Kanälen an. Die Herausforderung für uns alle ist die Orchestrierung aller Kanäle, auch über mehrere Brands hinweg und konsequent einen datenbasierten Omnichannel-Ansatz zu bieten. Dazu wird in vielen technologischen Bereichen getestet und pilotiert, die Bewährungsprobe ist dann der routinemäßige Einsatz im „Business as usual“. Gerade auch in Bezug auf die generative KI wird viel experimentiert. Hier gilt es sich auszuprobieren und die besten Anwendungsfälle zu finden. Bevor wir in die regelmäßige Nutzung gehen, müssen auch regulatorische Fragen geklärt sein. Neue Technik fordert gern alte Gesetzmäßigkeiten heraus. Hier werden wir in Kürze, beziehungsweise sind wir schon mittendrin, große, disruptive Veränderungen in unseren Arbeitsweisen und Möglichkeiten erleben.

Medienpartnerschaft

Dr. Kati Wegner ist Speaker bei der DigIT Pharma & eHealth 2024

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Health Relations: Ja, das Thema KI ist ein echter Game-Changer. An welcher Stelle genau stehen wir mit KI?

Dr. Kati Wegner: KI hat im Pharmamarketing bereits bedeutende Fortschritte gemacht, aus meiner Sicht befinden wir uns jedoch noch immer in der Anfangsphase. Etabliert sind bereits Next Best Action Anwendungen, für den Vertrieb noch stärker als im Marketing. Auch hier gilt es, die Piloten in die Routine zu überführen. Hohes Potenzial sehe ich in der Personalisierung von Inhalten, sowohl in der dazu notwendigen Datenanalyse als auch in der Erstellung von personalisiertem Content. Zu berücksichtigen sind dabei Datenschutz und Urheberrecht.

„Hohes Potenzial für KI sehe ich in der Personalisierung von Inhalten, sowohl in der dazu notwendigen Datenanalyse als auch in der Erstellung von personalisiertem Content.“

Health Relations: Kommen wir zum Thema Omnichannel. Welchen Stellenwert sollte das im Pharmamarketing einnehmen?

Dr. Kati Wegner: Durch den Omnichannel-Ansatz wollen wir für medizinische Fachkräfte eine bessere Kundenerfahrung – Customer Experience – schaffen. Sie wünschen eine nahtlose Erfahrung über alle Kanäle eines Unternehmens oder Brands hinweg, mit für sie relevanten und personalisierten Inhalten. Grundlage eines erfolgreichen Omnichannel-Marketings ist die Integration und Analyse von Daten. Dies ermöglicht uns, Präferenzen zu erkennen und personalisierte und relevante Inhalte zur Verfügung zu stellen. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Bedürfnisse unserer Zielgruppen bedienen und diese mit uns interagieren.

Health Relations: Was sind Ihrer Erfahrung nach die effektivsten Omnichannel-Kanäle?

Dr. Kati Wegner: Das kommt immer auf das Ziel und die Zielgruppe an. Ein wichtiger Kanal im ganzen Spektrum ist der Außendienst. Natürlich bespielen wir die klassischen Online-Kanäle wie unser Ärzteportal Pfizerpro, den Newsroom, Headquarter- und Außendienst-E-Mails. Der Vorteil unserer eigenen Kanäle ist, dass wir die Daten und das Engagement von Ärzt:innen, die uns dazu die Erlaubnis geben, erfassen und damit arbeiten können. Dies bietet uns die Möglichkeit, noch persönlichere Angebote zu liefern. Deswegen sind das nach wie vor die wichtigsten Kanäle. Darüber hinaus nutzen wir eine große Bandbreite an Kanälen – von Social Media, über Paid Media bis zu HCP-Communitys.

Health Relations: Wie sieht es mit Print aus?

Dr. Kati Wegner: Print-Marketing spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Es werden immer noch Papierprodukte gelesen, sie werden sehr glaubwürdig wahrgenommen und bieten eine haptische Erfahrung. Gerade für Zielgruppen, die weniger digital affin sind, stellen sie eine gute Ergänzung dar. In einer umfassenden Omnichannel Strategie kann Print sehr gut mit digitalen Kanälen kombiniert werden. Eine Grundfrage bei Print bleibt die der Messbarkeit.

Health Relations: Was bedeutet das dann für die Festlegung einer sinnvollen Omnichannel-Strategie?

Dr. Kati Wegner: Eine Omnichannel Strategie ist immer ganzheitlich zu sehen und beinhaltet Online- und Offline Maßnahmen. Bei der Erstellung einer solchen Strategie wird analysiert, welche Punkte in der Customer Journey – sei es für Patient:innen oder Ärzt:innen – am besten unterstützt werden können. Hier gilt es die Inhalte und Kanäle zu bestimmen, die am effektivsten für die jeweilige Zielgruppe sind. Neben gemessenen Daten arbeiten auch wir mit Annahmen und Benchmarks. Wir integrieren diese in Datensysteme, um eine effektive Omnichannel-Strategie zu entwickeln. Marktforschung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie gibt Einblicke, was medizinische Fachkräfte tun möchten oder denken zu tun. Gleichzeitig ermöglicht das Messen des tatsächlichen Verhaltens ein genaueres Bild. Die Kombination beider Datenquellen – was Menschen sagen und was sie tatsächlich tun – liefert ein umfassenderes Verständnis und optimiert die strategische Ausrichtung.

Health Relations: Wie kann man sicherstellen, dass die erstellten Marketingmaterialien im digitalen Bereich tatsächlich genutzt und relevant sind, und wie sollte man auf Feedback reagieren, wenn sie nicht genutzt werden?

Dr. Kati Wegner: Hier hilft uns wieder ein gutes, datenbasiertes Zielgruppenverständnis. Treffen wir die Bedürfnisse in Kanal, Inhalt und Format? Um sicherzustellen, dass erstellte Marketingmaterialien tatsächlich genutzt werden, messen wir kontinuierlich, welche Inhalte geklickt und genutzt werden. Wenn bestimmte Materialien nicht genutzt werden, ist konsequentes Handeln erforderlich: Analysieren und dann Anpassen oder Abschalten. Ebenfalls wichtig ist eine Feedbackschleife zum Vertrieb. Für den Außendienst ist es sehr wichtig zu wissen, was online passiert und nicht selten auch überraschend, welche Materialien bei den Ärzten besonders gut ankommen. Dieses Feedback ist wichtig, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten und sicherzustellen, dass die wertvollsten Inhalte bereitgestellt werden.

Health Relations: Wie sehen Sie das Potenzial für den Einsatz von Large Language Models (LLMs) im Pharmamarketing?

Dr. Kati Wegner: Da sehe ich ein sehr, sehr großes Potenzial, besonders in der personalisierten Kommunikation. Mit LLMs kann man generell Content erstellen und die Inhalte für verschiedene Kundensegmente und Personas anpassen, verschiedene Sprachtypen und Bildwelten nutzen. Übersetzungen in viele Sprachen werden einfacher und schneller möglich. Das ermöglicht eine wesentlich individuellere Ansprache und erleichtert die Arbeit im Marketing erheblich. Zu berücksichtigen sind dabei ein verantwortungsvoller Einsatz der Technik, um immer ethische und datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

„Neben gemessenen Daten arbeiten auch wir mit Annahmen und Benchmarks.“

Health Relations: Könnte das auch bedeuten, dass man schneller neue Ideen ausprobieren kann, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen?

Dr. Kati Wegner: Definitiv, genau das ist der Punkt. Mit LLMs kann man schnell verschiedene Inhalte erstellen, testen und analysieren. Früher war das oft zu aufwendig, aber jetzt kann man einfach mal Dinge ausprobieren und sehen, was funktioniert. Wichtig ist dabei, die Anzahl der Variablen zu begrenzen, um statistisch valide Ergebnisse zu bekommen.

Health Relations: Haben Sie konkrete Beispiele, wie LLMs im Pharmamarketing bereits eingesetzt werden?

Dr. Kati Wegner: Ja, beispielsweise in der Marktforschung und Textanalyse. LLMs können Freitextfelder in Umfragen auswerten, was bisher sehr zeitaufwendig war. Auch das Tagging von Inhalten kann durch LLMs automatisiert werden, was die Fehleranfälligkeit reduziert und uns erlaubt, uns auf die Inhalte zu konzentrieren. Texte werden in der Tonalität und bei Schlüsselwörtern an Empfänger angepasst, z. B. in E-Mails. Individualisierte Social Media Posts und Artikel für Blogs und Webseiten werden personalisiert und wir können Patientenvideos in mehreren Sprachen anbieten.

Health Relations: Das klingt nach vielen Vorteilen. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?

Dr. Kati Wegner: Neben der Datenqualität liegen die Herausforderungen vor allem im regulatorischen Bereich: Datenschutz und Sicherheit. LLMs passen oft noch nicht zu unseren Standard Operating Procedures (SOPs) und es ist komplex, sie in bestehende Systeme zu integrieren. Auch das Thema Bildrechte und Datenrechte spielt eine große Rolle, ebenso wie die Notwendigkeit, neue technische Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln. Jeder, der mit LLM arbeitet, muss sich bewusst sein, dass LLMs auch fiktive Inhalte erstellen können. Das menschliche Fachwissen wird nach wie vor gebraucht!

Health Relations: Das heißt, die Implementierung erfordert auch Geduld und Investitionen?

Dr. Kati Wegner: Absolut. Man muss bereit sein, Zeit und Geld zu investieren, um LLMs sinnvoll zu implementieren. Dabei ist es wichtig, Geduld zu haben und darauf zu achten, dass man die neuen Technologien sinnvoll nutzt und integriert.

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