Liebesbriefe, Shitstorms – oder absolute Stille? Was Healthcare-Unternehmen in der Social-Media-Welt erwartet, bringt viele Unsicherheiten mit sich. Corinna Brucker von cyperfection ist überzeugt: Ein sinnvoll aufgesetztes Community Management lenkt den Aufbau einer Community in eine sinnvolle Richtung – für alle Beteiligten.
Was ein Unternehmen in Sachen Social-Media-Community erwartet, hängt von vielen Faktoren ab – zuerst von der eigenen Erwartungshaltung. Mittlerweile eigentlich eine Binse, trotzdem aber nach wie vor die Basis: Social Media ist, egal welcher Kanal, keine kommunikative Einbahnstraße, sondern steht und fällt durch einen regen Austausch mit der Community. Genau darin liegen zwar etliche Fallstricke, aber eben auch die eigentlichen Chancen. Natürlich sollen, können und müssen Healthcare-Unternehmen Social Media nutzen, um ihre Zielgruppen dort abzuholen, wo sie aktiv sind und entsprechend ihre (Produkt)Botschaften platzieren. Nur eben in dem Bewusstsein, dass es in diesem Raum auch Reaktionen geben wird, die professionell moderiert werden wollen.

Community Management = aktiv zuhören und mitreden wollen

Auf Social Media ist es heute so, wie es eigentlich immer gewesen ist: Die Leute reden – über ihre Erfahrungen und Bedürfnisse. Und äußern dabei natürlich auch ihre Meinung über andere, über Produkte, über Unternehmen. Gerade in Sachen Gesundheit ziehen die Nutzer neben Dr. Google immer mehr Social-Media-Kanäle zurate und tauschen sich aktiv über gesundheitsrelevante Themen aus. Vermehrt auch mit dem Wunsch von Unternehmen und Herstellern z.B. von Medizinprodukten oder OTC-Marken direkte, fachkundige und vertrauenswürdige Antworten zu bekommen. Gar keine Reaktion oder im schlimmsten Fall fehlende Kontaktmöglichkeiten, zeichnen in jedem Fall kein gutes Bild. Doch ob nun eine Marke oder ein Unternehmen auf Social Media präsent ist oder nicht, die Community redet trotzdem. Dann halt irgendwo anders – und ohne, dass man es mitbekommt oder Einfluss nehmen könnte. Warum dann nicht gleich mitreden? Wenn Kunden etwas über Marken oder Produkte sagen, ist aktives Zuhören der wichtigste Schritt, um eine nachhaltige Beziehung aufzubauen und idealerweise ihren Weg zum treuen Fan zu ebnen – selbst wenn der eine oder andere Kommentar vielleicht nicht gerade schmeichelhaft ausfällt. Sie sind jedoch immer ein Ausgangspunkt die Dinge besser zu machen.

Shitstorm, Social Media-Troll oder unzufriedener Kunde?

Bei den Überlegungen, Social Media zu einem Teil ihrer externen Kommunikation zu machen, schrecken manche Healthcare-Unternehmen bereits vor dem großen S-Wort zurück. Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, wollen viele erst gar nicht aktiv auf ihre Community zugehen. Vielleicht auch, weil „Big Pharma“ es in der öffentlichen Wahrnehmung auch so schon häufig nicht einfach hat. Doch echte Shitstorms, die einen nachhaltigen Image-Schaden anrichten könnten, sind in der Regel ein eher seltenes Phänomen. Mehrere außergewöhnliche Faktoren sind nötig, die einander in eine unaufhaltsame Abwärtsspirale hochschaukeln. Und Hand aufs Herz: Bei einem echten Shitstorm hat meist wirklich jemand ordentlich Mist gebaut, der dann auch über die eigene Community hinaus Aufmerksamkeit generiert und sich zum globalen Thema steigert. Negative Kommentare von unzufriedenen Kunden oder frustrierten Nutzern sind hingegen in der Social Media-Welt vollkommen normal. Nur positive Bewertungen, Berichte oder Erfahrungen gelten in vielen Communitys sogar als nicht repräsentativ und unglaubwürdig. Tauchen negative Stimmen auf, bietet das zudem für Unternehmen oder Marken die Chance, eigene Fehler einzugestehen und sich so als nahbar, ja sogar „menschlich“ zu zeigen. Wenn etwas für den Nutzer oder Kunden schiefgelaufen ist und er dies über Social Media kundtut, ist es vor allem wichtig ihn ernst zu nehmen und nachhaltige Lösungen anzubieten. Leider gibt es auf Social Media auch eine ganz spezielle Gattung, die zum Glück eher selten ist: der Social Media-Troll. Er zeichnet sich durch wahllos negative Äußerungen und sogar Beleidigungen aus, die wenig Inhalt haben und nur ein Ziel verfolgen: Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das beste Mittel den Troll zum Schweigen zu bringen: ignorien und ggf. aus der Community ausschließen.

Was zeichnet gutes Community Management aus?

 Wenn es um die eigene Gesundheit oder die der Liebsten geht, sind Menschen aus guten Gründen emotionaler involviert als etwa beim Thema Laufschuhe (extreme Nerds ausgenommen, auch wenn gerade diese die Social-Media-Welt überproportional zu bevölkern scheinen). Auf unpassend empfundene Ansprachen oder zu offensichtliche „Werbung“ wird häufig empfindlicher reagiert als das bei sonstigen Themen der Fall ist. Auf der anderen Seite werden Therapien, Produkte und Hersteller, die das Leben spürbar erleichtern, auch entsprechend positiv bewertet – und die Bereitschaft, die eigene Meinung hinsichtlich möglicher Optimierungen kundzutun, ist ebenfalls oft höher. Social Media legt gerade im Healthcare-Bereich einen direkten Draht zu den Zielgruppen. Durch den aktiven Austausch mit der Community wird eine viel feinere Differenzierung quasi auf dem Silbertablett serviert: Während ein junger, technik-affiner Mensch mit Typ-1 Diabetes eine bestimmte Insulinpumpe aufgrund ihrer Features in seinen Kommentaren feiert und interessante Verbesserungsvorschläge aus dem Köcher zaubert, verdammt sie ein anderer Nutzer aus fast denselben Gründen. Die Aufgabe eines guten Community Managements liegt darin, beide abzuholen. Zunächst kommunikativ im Dialog nach außen, und im zweiten Schritt nach innen: Was lässt sich für Produktentwicklung und Marketing aus solchen Meinungen für die Zukunft ableiten?

Wie kann Community Management in der Praxis funktionieren?

Und hier sind wir auch schon mitten in der Praxis angekommen. Denn einfach loszukommentieren, ist meist wenig zielführend. Wichtig ist, Zeit und Ressourcen einzuplanen, um den Kommentar und den Nutzer, von dem dieser stammt, etwas genauer anzuschauen:
  • Handelt es sich, um einen treuen Fan, einen unerfahrenen Neukunden, einen unzufriedenen Kunden oder gar den Social-Media-Troll?
  • Was ist der Inhalt des Kommentars?
  • Welche Stimmung schwingt in dem Kommentar mit?
  • Erwartet der Nutzer eine direkte Antwort oder möchte er vielleicht nur seine Erfahrungen für die Community selbst äußern?
Ein erster Schritt ist, die Stimmen aus der Community einzuordnen und nach Faktoren wie Dringlichkeit, Relevanz und Inhalt zu clustern. Anschließend können passende Strategien für die verschiedenen Arten von Reaktionen aus der Community entwickelt werden. Bei einem Nutzer mit einem akuten Problem oder einer Beschwerde ist es wichtig, unmittelbar eine Lösung anzubieten, eventuell auch im direkten Austausch mittels privater Nachrichten. Lob oder sogenannte Liebesbriefe verlangen keine unmittelbare Reaktion, sollten aber dennoch zeitnah gewürdigt werden, z.B. durch ein „Dankeschön“ oder, wenn möglich, durch das Teilen im eigenen Feed. Für ein gutes Community Management muss selbstverständlich nicht auf jeden Kommentar in den nächsten fünf Minuten reagiert werden. Vielmehr geht es im Großen und Ganzen darum, der Community das Gefühl zu vermitteln gehört zu werden, ihre Anliegen ernst zu nehmen und Antworten zu bekommen.

Pharmakovigilanz - wichtige Besonderheit für die Praxis

Pharmakovigilanz. Die sogenannte PV-Meldung nimmt im Community Management für Healtcare-Unternehmen einen enormen Stellenwert ein. Denn Nutzer diskutieren via Social Media häufig ausgiebig über die Anwendung und Wirkung von z.B. OTC-Produkten. Aber auch für den relativ aufwendigen Ablauf von PV-Meldungen braucht es keine Raketenwissenschaft – aber um der Sorgfaltspflicht adäquat nachkommen zu können, sind klar definierte Prozesse, Aufgabenverteilungen und Muster notwendig, um Reaktionen aus der Community zu filtern und einzuordnen.

Fazit

Aktives Zuhören ist entscheidend, wenn Kunden über Marken oder Produkte sprechen, um eine nachhaltige Beziehung zu fördern und treue Fans zu gewinnen, selbst wenn es negative Kommentare gibt. Negative Meinungen sind in sozialen Medien normal und können Chancen bieten, Fehler zuzugeben und menschlich zu wirken. Im Gesundheitsbereich ist es wichtig, ansprechend und nicht zu werblich zu kommunizieren, da hier besonders empfindlich reagiert wird. Ein gutes Community Management bedeutet, auf Kommentare einzugehen, die Community ernst zu nehmen und Antworten bereitzustellen, ohne sofort auf jeden Kommentar reagieren zu müssen.

Über den Autor

Corinna Brucker ist Senior Redakteurin bei cyperfection, der Agentur für kreative Business-Lösungen mit Standort in Ludwigshafen. Sie ist überzeugt davon, dass in der Healthcare-Kommunikation gute Texte nur dann zu wertvollen Inhalte werden, wenn diese in die Lebenswelten der Zielgruppen eintauchen und medizinisch-fachliche Informationen so aufbereiten, dass sie einen Unterschied in der Lebensqualität machen können.