Patientinnen und Patienten, die auf Social Media krankheitsbezogenen Content erstellen, könnten in der Healthcare-Kommunikation in Zukunft eine Schlüsselfunktion einnehmen. Dr. Judith Keller von Schmittgall HEALTH über seriöse Patienten-Influencer und die Relevanz von Qualitätsstandards für Patient Generated Content.

In den letzten 10 Jahren haben sich vor allem auf Instagram, TikTok und YouTube große und aktive Patienten-Communities in einer Vielzahl von Krankheitsbildern entwickelt. Patienten-Influencer genießen dort ein besonderes Ansehen. Sie fungieren als Sprachrohr für ihre Communities, leben in der Regel selbst mit einer meist chronischen Krankheit und/oder einer Behinderung und können so authentisch aufklären. Aber nicht alle von ihnen sind vertrauenswürdig.

Das kennzeichnet seriöse Patienten-Influencer

  • Sie bespielen mit ihrem Content eine definierte Nische mit dem Schwerpunkt auf ihre eigene Krankheit.
  • Sie verfügen über einen Status als Expertin oder Experte in der Patienten-Community, unter anderem durch Auftritte bei relevanten Events, Publikationen und Erwähnung in anderen Medien.
  • Sie sind gut mit anderen Betroffenen vernetzt, die mit derselben Erkrankung leben.
  • Die Anzahl ihrer Follower steht in einem angemessenen Verhältnis zur Häufigkeit der Krankheit.

Patienten-Influencer sind weder Healthcare-Professionals noch verfügen sie zwingend über eine medizinische Ausbildung. Sie beschreiben das alltägliche Leben mit ihrer Krankheit und bringen so Themen zur Sprache, die möglicherweise in der Arztpraxis aus Zeitgründen zu kurz kommen. Damit geben sie anderen Betroffenen Halt, Inspiration und das Gefühl, mit der Krankheit nicht allein zu sein.

Kooperationen mit Patienten-Influencern: fruchtbar, aber aufwändig

Patienten-Influencer investieren viel Zeit in ihre Arbeit und spielen oft mit verschiedenen Contentformen. Naheliegender wäre daher die Bezeichnung Patient Creator. Doch egal, wie man sie nennt, Fakt ist, dass die Zusammenarbeit mit Patienten-Influencern für ein Healthcare-Unternehmen fruchtbar sein kann. Die direkte Kommunikationsmöglichkeit über den Influencer mit der Zielgruppe verbessert das Verständnis über eine Erkrankung und damit auch ein Bewusstsein dafür, was Menschen mit einem bestimmten Krankheitsbild helfen kann, um die Lebensqualität zu verbessern. Das kann die Patientenzufriedenheit signifikant steigern und das Vertrauen in das Unternehmen stärken.

Aber ganz einfach ist die Zusammenarbeit in der Realität nicht. Zum einen erfordert die sorgfältige Evaluation von geeigneten Patienten-Influencern, ihrer professionellen und fachlichen Eignung für eine Kampagne, Zeit und Knowhow in der Social-Media-Welt. Die Algorithmen von Instagram, TikTok und YouTube sind heutzutage hochkomplex und verändern sich ständig. Content-Kreatoren müssen deshalb ihre Strategien anpassen, um sicherzustellen, dass ihre Inhalte sichtbar bleiben. Zum anderen unterliegt die Kommunikation im Gesundheitsbereich strengen Richtlinien und gesetzlichen Vorgaben, die dafür sorgen sollen, dass Informationen korrekt, verantwortungsbewusst und ethisch vermittelt werden. Das bedeutet: Wer mit einer Patient Creator-Kampagne einen optimalen Impact erreichen will, sollte den Aufwand, den die kontinuierliche Betreuung der Kreatoren und die Umsetzung der Kampagne mit sich bringen, nicht unterschätzen.

TÜV-Siegel für Gesundheits-Content?

Nicht alle Gesundheitsinformationen, die in Social Media zu finden sind, sind inhaltlich belastbar. Auch der Content von Patientinnen und Patienten ist mitunter fragwürdig. In Deutschland gibt es für die Arbeit von Patienten-Influencern bisher keinen definierten Qualitätsstandard. Dabei würde genau das die Zusammenarbeit von Healthcare-Unternehmen mit Patienten-Influencern erleichtern. Auch den Followern könnte es mehr Sicherheit im Umgang mit Patient Generated Content geben. Wie ein TÜV-Siegel für Gesundheits-Content. Beispielsweise kennzeichnet YouTube Health ganz bewusst Content, der von medizinischem Personal erstellt wird und den festgelegten Qualitätskriterien entspricht.
Ein Qualitätsstandard für potenzielle Patienten-Influencer sollte mehrere Kriterien umfassen.

Qualitätsstandard für Patienten-Influencer

  • die persönliche Eignung,
  • der Expertenstatus,
  • das Wissen über die betreffende Community,
  • die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und Pflichten.

Besonders wichtig ist, dass Influencer sich mit den Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb auskennen und die Vorschriften zur Pharmakovigilanz beachten. Hier könnten Unternehmen Influencern im Healthcare-Bereich regelmäßige Schulungen anbieten, in denen Fragen wie ‚Was ist rechtlich erlaubt?‘, ‚Was ist moralisch vertretbar?‘ und ‚Wo liegen die Grenzen?‘ thematisiert werden. Das könnte dazu beitragen, die Content-Qualität kontinuierlich zu gewährleisten.

Fazit

Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sucht heute bereits in den sozialen Netzwerken nach Gesundheitsinformationen. Social Media wird künftig mit Blick auf die Gesundheitskompetenz neben dem Arztbesuch eine immer größere Rolle dabei spielen. Patienten-Influencer könnten in diesem Kontext in Zukunft Schlüsselfiguren sein. Sie bieten Zugänge zu ihren Communities, zu deren Needs und Fragen im Umgang mit ihrer Erkrankung. Die Zusammenarbeit mit ihnen bietet Healthcare-Unternehmen viele Chancen, birgt aber durch organisatorische und rechtliche Hürden Risiken. Genau deshalb ist die Etablierung von Qualitätsstandards für Patient Generated Content unerlässlich.