Pfizer Healthcare Hub Berlin: Wie funktioniert ein Hub?
Der Pfizer Healthcare Hub Berlin schmiedet Kooperationen zwischen dem Pharma-Konzern und Healthcare-Start-ups. Aber wie läuft so eine Zusammenarbeit ab? Wir haben mit Hub-Leiterin Ekaterina Alipiev und Alexander Puschilov, Gründer der Plattform Viomedo, über Kollaboration, Hürden und Chancen gesprochen.
Start-ups und große Healthcare-Unternehmen unterscheiden sich in ihrer Denk- und Arbeitsweise. Sie sollten voneinander lernen, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Alexander Puschilov (31), einer der zwei Gründer des Start-ups Viomedo, hat von Anfang an den Kontakt zu großen Pharma-Unternehmen gesucht. Viomedo ist eine Plattform, die Patienten mit medizinischer Forschung matcht und ihnen den Zugang zu medizinischen Studien verschafft. Für Pfizer ist das ein interessantes Geschäftsmodell: Die Zusammenarbeit mit Viomedo gehört zu den ersten Kooperationen, die im Pfizer Healthcare Hub Berlin zustande gekommen sind. Seit 2014 ist der Hub in der Hauptstadt aktiv. Das Ziel: Passende junge Unternehmen im Gesundheitsbereich zu finden, um im Rahmen einer individuellen Kollaboration von deren innovativen Ideen zu profitieren. Im Gegenzug steht das Pfizer-Hub-Team den Gründern beratend zur Seite, stellt Infrastruktur oder den Zugang zu Zielgruppen bereit. Ekaterina Alipiev (29) leitet den Pfizer Healthcare Hub Berlin. Sie kennt beide Perspektiven: Die der Gründer und die des Pharmaunternehmens. Wir haben uns mit ihr und Alexander Puschilov über deren Kooperation, über Ziele, Gründertum und Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit unterhalten und gefragt: Wie genau arbeitet der Hub? Health Relations:Frau Alipiev, Sie sind selber Start-up-Gründerin. Sie haben 2014 die App Jourvie ins Leben gerufen. Welche Erfahrungen haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen, die in Ihre Funktion bei Pfizer einfließen?Ekaterina Alipiev: Ich fungiere hier als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen Pfizer und der Start-up-Szene. In der Zusammenarbeit mit den Gründern ist es extrem hilfreich, die Szene zu kennen, um Brücken bauen zu können. Denn beide Seiten haben unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen. Konkret heißt das, dass wir beispielsweise Verständnis dafür erzeugen, dass manche Sachen im Pharma-Sektor so lange brauchen wie sie brauchen. Viele Prozesse erscheinen sehr langatmig. Umgekehrt ist es wichtig zu verstehen, was die Zusammenarbeit mit einem großen Unternehmen für Start-ups in einer frühen Phase bedeutet und die unterschiedlichen Erfahrungen zu berücksichtigen.Ekaterina Alipiev (29) gründete 2014 mit Jourvie eine App, die sich an Menschen mit Esstörungen richtet. Gleichzeitig begleitete sie den Pfizer Healthcare Hub Berlin beim Aufbau und der Entwicklung. 2018 übernahm sie dessen Leitung. Der Hub kooperiert mit einigen Start-ups auf vertraglicher Ebene, andere wiederum erhalten Mentoring von Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Unternehmensbereichen. Hinzu kommt der Austausch über verschiedene Veranstaltungen wie Hackathons und Start-Up-Sprechstunde. Aufgrund der vielfältigen Formen der Kooperation nennt Pfizer keine konkreten Zahlen bez. der von Ihnen betreuten Start-ups.
Health Relations: Haben Sie mit Ihrem Start-up damals die Zusammenarbeit mit großen Partnern oder einem Hub wie dem Pfizer Healthcare Hub Berlin gesucht?Ekaterina Alipiev: Sicherlich, wir haben von Anfang an die Zusammenarbeit mit großen institutionellen Partnern wie Krankenkassen oder Universitätskliniken gesucht. Das ist essentiell, um das Produkt bestmöglich zu entwickeln und Zugang zu Zielgruppen und Netzwerken zu erhalten. Der Austausch mit erfahrenen Experten ist hilfreich für ein junges Team mit wenig Erfahrung im Gesundheits-Sektor. Health Relations: Herr Puschilov, sind Sie zielgerichtet auf den Pfizer Healthcare Hub zugekommen?Alexander Puschilov: Zuerst einmal muss ich sagen, dass uns aufgrund unseres Geschäftsmodells die Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen immer als konsequent logischer Schritt erschien. Wir haben von Beginn an den Kontakt gesucht, die Kooperation mit dem Pfizer Healthcare Hub lag für uns letztendlich aus unterschiedlichen Gründen auf der Hand. Wir sind in Berlin beheimatet, unser Geschäftsmodell ist für Pharma interessant, denn Studien ermöglichen am Ende Innovationen.
Health Relations: Wie sind Sie an Pfizer herangetreten? Haben Sie eine Kurzbewerbung gesandt oder wie kam der Kontakt zustande?Alexander Puschilov: Ich bin in Berlin gut vernetzt und so kam ein erster Austausch durch persönliche Kontakte zustande. Wir haben uns dann zeitnah zusammengesetzt und in einem fast drei Stunden langen Meeting unsere Idee von A bis Z erörtert. Das war der Kick-off, seit dem arbeiten Viomedo und Pfizer zusammen. Health Relations: Wie gestaltet sich die Kooperation? Entwickeln beide Partner miteinander gemeinsame Visionen oder definieren Ziele?Alexander Puschilov: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ein Produkt auf dem Markt, die Viomedo-Suchmaschine war schon mit mehreren hundert Studien online. Aber wir hatten trotzdem immer noch sehr, sehr viele Fragen. Welche Probleme hat Pharma, die wir lösen können? Wie können wir die lösen? Womit fängt man an? Wie sieht das finanziell aus? Wie rechnet man bestimmte Dinge ab? Welche Ressourcen braucht man auf beiden Seiten? Wie müssen wir unsere Dienstleistung entwickeln? Können wir überhaupt Verträge machen, wenn wir als Zulieferer bei Pfizer noch nicht registriert, noch nicht qualifiziert sind? Wie laufen diese Prozesse? Ich kann nur sagen: Es ist nicht einfach, im Gesundheitswesen zusammenzuarbeiten, selbst wenn beide Seiten es wollen. Health Relations: Frau Alipiev, waren Sie bei diesem ersten Meeting auch anwesend?Ekaterina Alipiev: Nein, aber ich hörte, dass es sehr gut vorbereitet war seitens Viomedo und sehr fruchtbar war. Viomedo war eine der ersten Kooperationen im Pfizer Healthcare Hub und ist im Unternehmen ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation. Beide Seiten waren sehr offen und bereit, sich kennenzulernen. Verständnis für einander aufzubauen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten zu wollen, das ist eine der maßgeblichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation. Nur wenn diese gegeben ist, kann man sich bewusst werden über mögliche Hürden, diese identifizieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Das hat hier wunderbar funktioniert."Es ist nicht einfach, im Gesundheitswesen zusammenzuarbeiten, selbst wenn beide Seiten es wollen." Alexander Puschilov
Health Relations: Was beinhaltet die Kooperation für Pfizer?Ekaterina Alipiev: Alle rekrutierenden Studien in Deutschland sind auf der Plattform in deutscher und verständlicher Laiensprache verfügbar, um den Patienten dieses Wissen zukommen zu lassen. Es ist nach wie vor so, dass alle Pfizer-Studien auf Viomedo zur Verfügung gestellt werden. Wir waren das erste Unternehmen, das dort wirklich alle Studien aufbereitet hat und setzen diese Zusammenarbeit auch fort."Wir investieren keine Gelder oder kaufen Anteile von Kooperationspartnern." Ekaterina Alipiev
Alexander Puschilov (31) war relativ frisch am Markt, als er 2014 zusammen mit Stefan Nietert die Plattform Viomedo ins Leben rief. Der studierte Gesundheitsökonom hatte damals zwar erst fünf Jahre Arbeitserfahrung, war aber seit 2010 immer an der Schnittstelle zwischen digitalen Geschäftsmodellen und der Gesundheitsindustrie tätig. 2018 wurde das Berliner Start-up vom Schweizer Unternehmen Clariness gekauft. Die Plattform hatte 2018 nach eigenen Angaben durchschnittlich 50.000 Nutzer im Monat.
Health Relations: Obwohl das Unternehmen inzwischen von Clariness gekauft wurde?Alexander Puschilov: Es stimmt, wir sind Teil von Clariness. Aber das hat mit der Zusammenarbeit mit Pfizer nichts zu tun. Diese läuft weiter. Was den Inhalt der Kooperation zu Beginn angeht: Wir konnten sehr offen mit den Kollegen von Pfizer sprechen und so sehr schnell Punkte identifizieren, die wir optimieren müssen. Zum Beispiel entstand auf diese Art ein zentrales Tool, das die Anfrage von Patienten, die Interesse an einer bestimmten Studie haben, auch direkt bei dem Arzt landet, der für diese Studie verantwortlich ist. Dieses Tool haben wir auf Anraten Pfizers sehr schnell implementiert. Pfizer stand uns somit beratend zur Seite und hat uns wertvolles Feedback gegeben, gerade für die Weiterentwicklung. Health Relations: Wie war und ist die Kooperation organisiert?Ekaterina Alipiev: Dadurch, dass wir kein Accelerator oder Inkubator mit festem Programm sind, haben wir verschiedene Ebenen der Zusammenarbeit. Hier unterscheiden wir uns wesentlich von anderen Hub-Modellen. Wir haben eine Plattform, die es uns ermöglicht, die Zusammenarbeit mit Start-ups individuell zu gestalten. Sei es durch Mentoring, Unterstützung im Vertrieb oder Zugang zu Netzwerken und Zielgruppen. Darüber hinaus bieten wir unterschiedliche Veranstaltungsformate wie Hackathons oder die Start-up-Sprechstunde. Wir arbeiten interdisziplinär mit Pfizer-Teams in unterschiedlichen Fachbereichen zusammen, um Start-ups individuell zu betreuen. Unser Team für klinische Studien beispielsweise hat Viomedo bei der Plattform-Entwicklung unterstützt. Was wir grundsätzlich nicht machen: Wir investieren keine Gelder oder kaufen Anteile von Kooperationspartnern. Uns geht es um den Austausch und die Entwicklung von Lösungen im Sinne des Patienten und seiner Patient Journey. Health Relations: Herr Puschilov, gab es im Rahmen der Zusammenarbeit Aha-Momente und signifikante Stationen?Alexander Puschilov: Es gab viele kleine Aha-Momente. Eine der größeren Stationen ist der Launch von viomedo.at in Österreich Ende Mai mit Unterstützung mehrerer Pharma-Unternehmen. Auch hier agiert Pfizer als Partner. Health Relations: Wie sieht es mit dem Clash of Culture aus? Sie haben es am Beginn erwähnt: Start-ups und Unternehmen denken und arbeiten unterschiedlich. Läuft die Zusammenarbeit immer reibungsfrei?Alexander Puschilov: Alle Leute, die ich traf, sind agil, schnell, persönlich involviert und motiviert. Was natürlich ganz anders ist, sind die Vorgaben, die man im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Pfizer erfüllen muss. Da gibt es umfangreiche Check-Listen. Aber davon lernen wir: Wir werden nicht Pfizer verändern, wir wollen ja Anteil haben an dieser Welt, rein in deren Business. Ekaterina Alipiev: Ihr als Start-ups habt immer wieder großartige Ideen und denkt dabei häufig in völlig neue Richtungen Richtungen – immer mit dem Patienten fest im Blick. Viomedo als Plattform, die einen einfachen Zugang zu klinischen Studien ermöglicht, ist ein ideales Beispiel dafür. Health Relations: Wie langfristig ist Ihre Kooperation angelegt?Alexander Puschilov: Wir haben eine Zusammenarbeit entwickelt, die kein definiertes Ende hat: die Veröffentlichung der Studien auf Viomedo. Das geht hoffentlich noch jahrelang. Ekaterina Alipiev: Genau. Das ist ja gerade das Besondere an unserem Pfizer Healthcare Hub Modell: Wir haben kein festes Programm und keinen festen Durchlauf. Jede Kooperation ist individuell. Health Relations: Frau Alipiev, wie finden Sie weitere erfolgreiche Kooperationspartner wie Viomedo?Ekaterina Alipiev: Wir nutzen unterschiedliche Wege. Einerseits screenen wir den Markt zu unseren Therapie-Schwerpunkten ab, auf der anderen Seite bekommen wir auch Anfragen von Start-ups oder aus unserem Netzwerk. Dann evaluieren wir die diese zusammen mit den entsprechenden Pfizer Geschäftsbereichen. Trifft das Start-up einen Bedarf unserer Patienten? Wenn ja, laden wir es ein. Health Relations: Herr Puschlilov, wie lautet Ihre Empfehlung an die Kollegen für die Gründung eines erfolgreichen Healthcare-Start-ups?Alexander Puschilov: Gründungen im Gesundheitsbereich sind extrem komplex. Man muss über einen langen Atem verfügen, weil viele Dinge lange dauern. Und eine klare Zielgruppen- und Nutzen-Analyse im Kopf haben.
Dieses Thema könnte Sie auch interessieren: https://www.healthrelations.de/digital-hubs-healthcare-merck-novartis-pfizer/