Braucht die Pharmabranche noch Präsenzveranstaltungen?
dfv Mediengruppe untersucht. Um den Einflussdimensionen auf den Grund zu gehen, befragte die Agentur in 20 tiefenpsychologischen Interviews Personen in Entscheidungspositionen zu diesem Thema. Welche Erwartungen haben diese an Events? Welche Faktoren sind ausschlaggebend bei einer Entscheidung für eine physische Teilnahme an einer Veranstaltung?
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Braucht die Pharmabranche noch Präsenzveranstaltungen, wenn es um die Kommunikation mit Fachgruppen geht? Oder sind Inhalte nicht genauso gut digital vermittelbar? Die Kölner Marktforschungsagentur Rheingold Salon hat die Funktion und Erwartungen an analoge Events in der Studie „B2B-Präsenz-Veranstaltungen – Relevanz, Bedeutung, Perspektiven“ im Auftrag der Wahrhaftigkeit und B-Noten-Check
Digitale Events haben Vorteile. Sie sind leichter zu organisieren. Reiseaufwände entfallen. Der Termindruck in der Ärzteschaft ist hoch, Zeit kann mitunter eine knappe Ressource darstellen. Die jüngere Ärzteschaft tickt zudem digitaler und präferiert Pull-Formate, heißt, sie möchte eigenhändig entscheiden, wann und welche Inhalte sie an welchem Ort konsumiert. Die Pandemie hat zudem Videocalls und digitale Meetings zum selbstverständlichen Teil unseres Alltags werden lassen. "Digitale Veranstaltungen laufen außerdem konzentrierter und fokussierter ab im Hinblick auf die Sache", sagt Jens Lönneker, CEO beim Rheingold Salon. Vor allem dann, wenn es sich um eine größere Veranstaltung handele. "Wer ist Platzhirsch, welche Gruppierungen gibt es innerhalb einer größeren Gruppe? Dieser ganze nonverbale Bereich, der bei Präsenzverhandlungen mit abgehandelt wird, entfällt im digitalen Raum." Rein fachliche Veranstaltungen, bzw. Webinare, könnten davon profitieren. Was jedoch fehlt, ist die persönliche Beziehungsebene, eine Voraussetzung für ein Vertrauensverhältnis – und die ist bei langfristigen Zusammenarbeiten nicht unwichtig. Laut Studie schätzen viele Teilnehmer:innen den Wert der Wahrhaftigkeit als sehr hoch ein, wenn es um Präsenzveranstaltungen geht. Vortragende, Marketingverantwortliche, Außendienstler, sie alle erscheinen in der persönlichen Begegnung authentischer, der Blick hinter die Fassade scheint möglich. Auch, weil der sogenannte B-Noten-Check stattfinden kann. Wie verhalten sich Teilnehmende im sozialen Miteinander? Wie sind sie gekleidet, wie ist das Auftreten einer Person? "Das wird oftmals völlig unterschätzt", sagt Jens Lönneker. "Wie wichtig die nonverbalen oder scheinbar nicht so sachlichen Äußerungsformen sind, wenn es um den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung geht, was am Ende dann auch natürlich dazu führt, dass das Miteinander-Agieren besser läuft."Off the Record-Notes: zwischen Mauschelei und Vertrauen
Es ist also der informelle Part, der den Unterschied zwischen digitalen und analogen Veranstaltungen macht. Dazu zählen auch die Off-Record-Information, die man sich gegenseitig zuspielen kann. Kleine Insiderinformationen, die jenseits der großen Bühne fallen gelassen werden. Auch das kann eine Beziehung auf Augenhöhe untermauern, auch das wurde von den Studienteilnehmer:innen als Mehrwert von physischen Veranstaltungen formuliert. Ohne Gefahr ist das nicht: Das Verhältnis von Pharmaunternehmen, seinen Außendienstkräften zu den einzelnen Fachgruppen ist ein sensibles. Stichwort Compliance. "Diese Nähe hat immer etwas Janusköpfiges, kann in ein Buddysystem mit mauschelhaftem Charakter, in Seilschaften enden, wo Corporate Governance nicht richtig beachtet wird. Aber auf der anderen Seite ist es ja wichtig, dass die Ärzt:innen ein gutes Verhältnis haben zu ihren Ansprechpartner:innen auf Pharmaseite, weil sie sich dann erst trauen, Fragen zu stellen, Zweifel zu bekunden." Für die Pharmaunternehmen hat das einen unschätzbaren Wert: Kenne ich die Bedenken und Bedürfnisse meiner Zielgruppe, kann dieses zurückfließen in die Forschung & Entwicklung und in die Kommunikation.Präsenz schafft Neugier auf Innovationen
Das wird besonders dann wichtig, wenn es um das Thema Innovation geht. "Präsenzveranstaltungen ermöglichen die Perspektiverweiterung", sagt Jens Lönneker. Dazu reiche es aber nicht, Mediziner:innen beispielsweise für ein Wochenende nach Sylt einzuladen. "Der Ortswechel alleine schafft noch kein Out-of-the-Box-Denken. Es geht darum, Räume zu ermöglichen, in denen Innovationen sinnlich erfahrbar werden." Das könne ein Anstoß für Ärzt:innen sein, das eigene Handeln zu überdenken. "Wie will ich selber zukünftig auftreten und die Welt gestalten können? Dieser Perspektivwechsel gelingt nur über einen Ortswechsel hin, der mir auch unmittelbar einen Übergang zu neuen Erfahrungen in meinem Berufsfeld ermöglicht.""Ich glaube, es würde sich zu einem Bumerang entwickeln, wenn wir nur auf digitale Formate setzen."Wird die Präsenzveranstaltung in Zukunft also wichtiger Bestandteil einer kommunikativen Strategie bleiben? Jens Lönneker würde dieses sogar dringend empfehlen. "Ich glaube, es würde sich zu einem Bumerang entwickeln, wenn wir nur auf digitale Formate setzen." Zumal die gut gemachte Präsenzveranstaltung eben immer noch als Leuchtturm in der Branche fungieren und den Wert einer Pharmamarke untermauern kann. Zum Beispiel, wenn VIPs geladen werden, die der oder die Besucher:in ansonsten kaum kennenlernen würde. Das hat einen Sogeffekt, darüber spricht man, auch wenn das Event längst beendet ist. Am Ende geht es um Emotionen, die durch die Interaktion, das Erleben entstehen. Die letzten zwei Jahre haben die Erwartungshaltung von Fachgruppen an Veranstaltungen verändert. Sie wissen, Know-how lässt sich mitunter hervorragend digital vermitteln. Die Entscheidung für eine Präsenzveranstaltung ist also nicht nur fachlich motiviert. Kommunikationsverantwortliche sollten das bei der Planung von Veranstaltungen im Hinterkopf behalten und Präsenzveranstaltungen gezielt einsetzen.
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