Moritz Hartmann, Roche: „Wir wollen nachhaltige Partnerschaften mit kooperativer Denkweise“
Moritz Hartmann, Global Head Roche Information Solutions, berichtet im Interview, warum sein Unternehmen mit Start-ups kooperiert und welche Kriterien Roche anlegt, wenn die Firma sich für ein Start-up als Kooperationspartner entscheidet.
In diesem Beitrag lesen Sie:
- welche Vorteile die Start-ups von der Zusammenarbeit haben
- welche Kriterien Roche für Kooperationen mit Start-ups aufstellt
- Beispiele für Kooperationen von Roche mit Start-ups
- welche Herausforderungen bei den Kooperationen bewältigt werden müssen
- wie Roche den Erfolg von Kooperationen misst
Health Relations: Als Gesundheitsunternehmen suchen Sie die Zusammenarbeit mit Start-ups. Warum ist das für Sie wichtig?
Moritz Hartmann: Wir bei Roche glauben an die Stärken von Gesundheitsökosystemen, wenn es darum
geht, integrierte, personalisierte Lösungen für Gesundheitsfachkräfte und ihre
Patient:innen bereitzustellen. Gleichzeitig können andere Organisationen wie Start-ups
innovative Ideen und Technologien einbringen. Die Zusammenarbeit ermöglicht es, einen ganzheitlichen Ansatz für die Gesundheitsversorgung zu etablieren. Die Kooperationen mit Start-ups, wie auch mit führenden Technologieunternehmen, ist für uns daher von großer Bedeutung: Gemeinsam können wir für Labore, Kliniker:innen, Forscher:innen und Patient:innen einen schnelleren Zugang zu einer breiteren Palette von Lösungen schaffen, die eine integrierte und personalisierte Versorgung unterstützen.
Health Relations: Welche Vorteile sieht Ihr Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Start-ups im Vergleich zu etablierten Partnern?
Moritz Hartmann: Die wesentlichen Aspekte für uns sind die Technologie und Innovation, die eine Organisation einbringen kann – unabhängig davon, ob es sich um ein Start-up oder ein etabliertes Unternehmen handelt. Unser Ziel ist es, die besten Ideen unabhängig von ihrer Herkunft in wirkungsvolle Gesundheitslösungen umzusetzen. Externe Innovation war schon immer ein Eckpfeiler unserer F&E-Strategie. In Kombination mit unserer umfassenden Pipeline sind wir in der Lage, bedeutende Lösungen für Patient:innen, medizinisches Fachpersonal, Labore und Gesundheitssysteme anzubieten.
Health Relations: Welche Kriterien verwenden Sie zur Auswahl der Start-ups, mit denen Sie kooperieren?
Moritz Hartmann: Grundsätzlich liegt unser Fokus darauf, den größtmöglichen Mehrwert für Patient:innen und Gesundheitssysteme weltweit zu schaffen. Im Bereich der digitalen Gesundheit suchen wir weltweit nach Start-ups, die Technologien mitbringen, um die Patientenversorgung durch digitale Gesundheitslösungen grundlegend zu verändern. Idealerweise haben sie ihre Technologie bereits so weit entwickelt, dass ein Machbarkeitsnachweis, also der „Proof of Concept“, möglich ist.
„In Europa ist der Markt besonders fragmentiert, was den Zugang erschwert.“
Health Relations: Können Sie Beispiele für Zusammenarbeiten nennen?
Moritz Hartmann: Roche arbeitet mit zahlreichen Kollaborationspartnern. Die folgenden Partnerschaften möchte ich gerne hervorheben: Das Erste ist unser cobas® pulse System, welches in der Pflege vielseitig einsetzbar ist: Blutzucker messen, Vorhofflimmern erkennen, Insulindosierung managen, Wundheilung dokumentieren oder Temperaturverlauf festhalten. Das System ist derzeit nur in ausgewählten Märkten verfügbar. Viele dieser Dienste werden durch unsere Zusammenarbeit mit Drittanbietern wie Start-ups ermöglicht, darunter jene mit Steadysense und Cardiosignal. Mit dieser Technologie und solchen Kooperationen können wir zu einer besseren dezentralen Patientenversorgung beitragen. Ein zweites Beispiel ist unsere navify® Algorithm Suite. Diese Plattform bietet eine digitale Bibliothek mit zertifizierten medizinischen Algorithmen, die Patient:innen-spezifische Analysen generieren können, um Patient:innen mit Krebs oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen zu identifizieren. Die Plattform ermöglicht Ärzten den Zugriff auf Algorithmen von Roche und anderen Anbietern. Dadurch haben Gesundheitsdienstleister und Labore Zugriff auf eine zentrale Quelle, ohne dass sie Lösungen von mehreren Anbietern von Algorithmen integrieren müssen. Ein konkretes Beispiel hier ist die Zusammenarbeit mit Medial EarlySign, mit denen wir einen Algorithmus entwickeln, um gesunde Personen mit einem erhöhten Risiko für Darmkrebs zu identifizieren.
Health Relations: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Zusammenarbeit mit Start-ups?
Moritz Hartmann: Start-ups sehen sich in verschiedenen Ländern und Regionen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. In Europa ist der Markt besonders fragmentiert, was den Zugang erschwert. Daher konzentrieren sich viele Start-ups und Investoren in erster Linie auf den US-Markt. Wenn wir uns zum Beispiel Deutschland ansehen, ist dieser als größter europäischer Einzelmarkt zweifellos attraktiv für Start-ups.
Health Relations: Und wie bewältigen Sie diese Herausforderungen?
Moritz Hartmann: Roche hat mehrere Programme etabliert, um mit Start-ups an verschiedenen Touchpoints zusammenzuarbeiten. Unser etabliertes globales Accelerator-Programm “Start-up Creasphere”, ist in München, San Francisco und Singapur aktiv und richtet sich an Start-ups in der Seed- und Series-A-Phase. In Berlin ist ROX Health unsere Anlaufstelle für Start-ups in der Frühphase, die Unterstützung bei der Produktgestaltung suchen und dabei auf das Know-how und die Ressourcen eines großen F&E-Unternehmens wie Roche zurückgreifen möchten. Darüber hinaus möchten wir weltweit weitere lokale Satelliten unserer Accelerator-Programme etablieren, um noch besser auf die Bedürfnisse und Rahmenbedingungen in den einzelnen Gesundheitsmärkten einzugehen.
Health Relations: Wie messen Sie den Erfolg von Kooperationen mit Start-ups und gibt es Kriterien, die dabei besonders wichtig sind?
Moritz Hartmann: Unsere bisherigen Erfahrungen sind ermutigend und bestätigen unseren Ansatz. In zahlreichen Fällen haben Kooperationen, die durch unsere Touchpoints initiiert wurden, letztendlich zu einer Stärkung unseres Portfolios geführt. Die Zusammenarbeit mit Roche bietet Start-ups bedeutende Vorteile. Durch unsere Reichweite und unseren Marktzugang können unsere Partner ihre Produkte weltweit kommerzialisieren. Zudem profitieren sie von unserer umfassenden regulatorischen Expertise in allen Regionen sowie von unserem großen Netzwerk mit führenden Forschungseinrichtungen und Meinungsführern. Wir fokussieren uns auf erfolgreiche und nachhaltige Partnerschaften, die auf einer kooperativen Denkweise basieren.