In Zukunft wird die Medizin auf Basis einer Vielzahl von Daten und deren Analyse personalisiert. Für Pharmafirmen stecken darin viele spannende Erkenntnisse, die die Forschung, Entwicklung und Vermarktung von Arzneimitteln beeinflussen werden.
Gloria Seibert ist Gründerin und Chief Executive Officer Temedica © Temedica
Der Gesundheitsmarkt steht vor großen Veränderungen. Ein wichtiger Treiber dabei ist die Digitalisierung. Ein Effekt: Es stehen immer mehr Daten zur Verfügung, die ausgewertet und sinnvoll genutzt werden sollen. Die Ergebnisse dieser Analysen werden in Zukunft zu einer
personalisierten Medizin führen, also zu einer Medizin, in der biologische und Lebensstilfaktoren von Individuen erfasst und daraus Wege zu maßgeschneiderten Therapien abgeleitet werden. Das Münchner Unternehmen Temedica ist ein Akteur auf diesem Gebiet. Es hat die Plattform "Permea" entwickelt, die die medizinisch fundierte Analyse und entscheidungsrelevante Erkenntnisse zu zentralen Fragestellungen und Herausforderungen im Gesundheitsmarkt ermöglicht. „Wir sind kein Data Analytics-Unternehmen“, betont Gründerin & Chief Executive Officer Gloria Seibert. "Wir bieten vielmehr Insights in den Markt."
Ein großer Datenschatz
Das erreicht die Firma durch die Kombination von patientengenerierten Real-World-Daten mit Daten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen und kommerziellen Quellen, wie proprietären, patientengenerierten Langzeitverlaufsdaten aus digitalen Gesundheitsapps und Wearables, wissenschaftlichen Publikationen und Verschreibungsdaten. Ziel ist,
neue Erkenntnisse über Therapien und deren Auswirkungen unter realen Bedingungen zu gewinnen und diese sowohl an Akteure aus dem Gesundheitswesen zu liefern als auch an die Patienten zurückzuspielen.
PD Dr. med. Benjamin Friedrich ist Chief Medical Officer bei Temedica. ©
Die Plattform Permea vereint die Daten von Millionen Patienten. "Eine unserer Hauptaufgaben ist, die Daten zu analysieren, die aus unterschiedlichen Quellen stammen", erklärt PD Dr. med. Benjamin Friedrich, Chief Medical Officer bei Temedica. Einen großen Teil der Informationen erhält das Unternehmen durch firmeneigene und in Kooperation mit anderen Unternehmen entwickelte Apps. Die Nutzer der Anwendungen haben zuvor der anonymisierten Nutzung ihrer Daten zugestimmt.
Die Datenanalyse ist eine Mammutaufgabe, denn die Herausforderung ist weniger, Daten zu generieren und zu sammeln, als diese so aufzubereiten, dass sie weiterverarbeitet werden können. "Dazu muss man wissen, dass wir die Informationen in sehr unterschiedlichen Formaten erhalten. Es können zum Beispiel Word-Dokumente oder PDFs oder Bilder sein. Um die Daten miteinander vergleichen zu können, müssen sie erst einmal standardisiert werden", berichtet Benjamin Friedrich. Dazu werden modernste Technologien genutzt, wie
maschinelles Lernen und
künstliche Intelligenz.
One-size-fits-all-Lösungen sind von gestern
Die gewonnenen Erkenntnisse sind auch für Pharmaunternehmen hoch spannend, können diese doch
sehr spezifische Fragestellungen beantworten, etwa, ob Medikamente bei bestimmten Menschengruppen schlechter wirken oder welche Lebensumstände eine Arzneimittelwirkung beeinflussen. Auch in Sachen klinische Studien sollen Pharmafirmen von Permea profitieren können. Ihnen steht nämlich dadurch eine viel größere und spezifischere Datenmenge zur Verfügung. "Das kann die Studien verkürzen und Kosten reduzieren", so Gloria Seibert.
Je besser die Pharmaunternehmen ihre Patientengruppen kennen, desto genauer können sie ihre Forschung und Entwicklung gestalten. Sie können
Zulassungsprozesse verschlanken und die
Markeinführung von Medikamenten schneller vorantreiben. Und auch die Kommunikation mit den Ärzt:innen könnte effektiver geplant werden. Letztere wünschen sich nämlich eine besonders auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Kommunikation. Die durch die Analysen gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es den Pharmafirmen, Mediziner:innen sehr genaue und damit wertvolle Informationen, etwa zur Sicherheit oder Wirksamkeit von Arzneimittel zukommen zu lassen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und die personalisierte Medizin steht erst am Anfang.