Burson: „Pharmaunternehmen trauen sich heute, Haltung zu zeigen“
Die junge Agenturgruppe Burson ist 2024 aus einer Fusion von BCW und Hill & Knowlton entstanden. Susan Hölling (Co-CEO und Market Lead Burson) und Katrin Weisbach (Managing Director Health) erzählen im Interview, welche Ziele die Agenturgruppe am deutschen Gesundheitsmarkt verfolgt, welche Themen ihre Kundschaft aktuell umtreiben – und wieso sich Regulatorik und Kreativität nicht ausschließen.
Health Relations: Frau Hölling, Frau Weisbach, was zeichnet Burson als junge Agenturgruppe besonders aus?
Susan Hölling: Dem globalen Zusammenschluss ging die Überlegung voraus, wie wir Wissen bündeln und skalieren könnten. Was lässt sich konsolidieren, wie können wir an Stärke gewinnen? Unsere Kunden und Kundinnen treten heute mit Wünschen in großer Vielschichtigkeit und Komplexität an uns heran. Durch den Zusammenschluss sind wir mit Blick darauf schlagkräftiger, schneller und skalierfähiger geworden. Kundenwünsche können wir mit hochindividuellen und passgenauen Lösungen beantworten, und das in hoher Schlagzahl. Das macht es so charmant, wenn Netzwerke noch enger zusammenrücken. Natürlich neben dem Streamlinen von Prozessen, was wieder Ressourcen frei macht.
„Statt einer Jahresplanung sind heute Schnelligkeit und Agilität gefragt.“
Health Relations: Wie haben sich denn die Bedürfnisse Ihrer Kundinnen und Kunden in den letzten Jahren verändert?
Susan Hölling: Es ist heute kaum mehr so, dass wir eine Jahresplanung aufsetzen und sie dann in zwölf Monaten abarbeiten. Das meiste funktioniert inzwischen iterativ, Schnelligkeit und Agilität sind gefragt. Wir schauen immer wieder: Sind die Kennzahlen erreicht? Wo müssen wir adaptieren? Damit einhergehend legt unsere Kundschaft heute viel größeren Wert darauf, dass unsere Arbeit von Datenpunkten gestützt wird. Daten zeigen uns viel konkreter, in welche Richtung wir uns mit einem Kunden kommunikativ bewegen sollten. Sie helfen uns zudem, unsere Relevanz zu untermauern und Ergebnisse sichtbar zu machen. Überhaupt gibt es eine viel stärkere Konzentration auf die Frage: Was ist der Impact, den wir als Kommunikationsschaffende für Unternehmen und Marken leisten können?
Health Relations: Wie sehen die Wünsche Ihrer Kundschaft mit Blick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) aus?
Susan Hölling: Das ist ganz unterschiedlich. Einige gehen voraus und wünschen sich Beratung, welche Tools sie nutzen, wie sie ihre Kommunikations- und Marketingabteilungen dafür aufstellen sollten und wie sie sich mit KI in einem sicheren rechtlichen Rahmen bewegen können. Andere wünschen sich eher erste Impulse zum Thema KI.
Grundsätzlich sehen wir, dass es viele ungeklärte Fragen gibt und die strukturellen Herausforderungen in vielen deutschen Unternehmen extrem herausfordernd sind – etwa, weil es rechtliche Restriktionen für die Einführung von KI-Lösungen gibt. Wir als Agentur agieren hier zum einen als Impulsgeber. Zum anderen arbeiten wir in unserem Netzwerk bereits mit generativer, aber auch mit kognitiver KI. Zum Beispiel können wir KI-basiert analysieren, wie wahrscheinlich ein Claim glaubhaft ist oder gut bei der Zielgruppe performen wird. Da tun sich für Kommunikation und Marketing ganz neue Möglichkeiten auf.
Health Relations: Durch den Zusammenschluss ist eine Agenturgruppe mit 6.000 Mitarbeitenden entstanden. Wie stellen Sie eine gemeinsame Unternehmenskultur her? Und ist das überhaupt das Ziel?
Susan Hölling: Von globaler Seite wurde sehr genau geschaut, wie alle Interessen einfließen können, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Hier hat schließlich nicht eine Agentur die andere geschluckt, sondern es war ein „merger of equals“. Auch wurden die Mitarbeitenden intensiv mit einbezogen, wir haben zum Beispiel in einem „values jam“ gemeinsame Werte definiert.
In Deutschland ging es vor allem darum, schnell Klarheit über die Verantwortlichkeiten herzustellen. Ausgangspunkt war dabei immer die Frage, wer welche Stärke mitbringt. Auf dieser Basis haben wir ein Rahmenwerk an Verantwortlichkeiten geschaffen, innerhalb dessen sich die Leute mit großem Ausgestaltungsraum bewegen können. Aber natürlich ist der Prozess des kulturellen Zusammenwachsens noch nicht abgeschlossen: Wir sind erst seit September eine GmbH – das wird also noch etwas dauern.
Health Relations: Welche Ziele verfolgen Sie als Agenturgruppe mit Blick auf den deutschen Gesundheitsmarkt?
Katrin Weisbach: Wir wollen die Agentur sein, von der die Kundschaft weiß: Die können uns überall helfen. Was uns bei Burson auszeichnet, ist die Vogelperspektive. Wir denken nicht in Silos wie Healthcare, Brand, Digital-Team oder Corporate, sondern arbeiten gemeinsam und schauen immer ganzheitlich aufs Gesamtpaket.
„Wichtig ist, dass wir nicht nur Infos in Kanäle gießen, sondern einen Informationsfluss in beide Richtungen gewährleisten. Kommunikation ist keine Einbahnstraße.“
Health Relations: Welche Themen beschäftigen Ihre Pharma- und Healthcare-Kunden derzeit besonders?
Katrin Weisbach: Das sind häufig die großen Fragen: Wie werden wir als Unternehmen gesehen? Wie können wir Vertrauen schaffen? Zwar kommen Unternehmen auch mal mit der Bitte auf uns zu, eine Kampagne umzusetzen oder eine Pressekonferenz zu organisieren. Aber meistens agieren wir in einem größeren Gesamtzusammenhang.
Das Gesundheits-Universum ist riesig und stark vernetzt. In der Mitte stehen die Patientinnen und Patienten, und um sie herum gibt es HCPs, Labore, Forschung, Medienlandschaft, Angehörige und so weiter. All diese Stakeholder wollen adressiert und kommunikativ abgeholt werden. Wir müssen analysieren, was die relevanten Botschaften und Tonalitäten sind. Wichtig ist außerdem, dass wir nicht nur Infos in Kanäle gießen, sondern einen Informationsfluss in beide Richtungen gewährleisten. Kommunikation ist keine Einbahnstraße.
Health Relations: Wie gehen Healthcare- und Pharmaunternehmen mit diesem Rückfluss an Informationen um?
Katrin Weisbach: Sehr positiv. Unsere Kundinnen und Kunden sind froh, wenn von ihren Zielgruppen etwas zurückkommt. So sehen sie, ob die Kommunikation funktioniert.
Susan Hölling: Was wir bei unserer Kundschaft zusätzlich sehen, ist ein starker Blick auch auf die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Immer mehr Kunden trauen sich zu fragen: Was bedeutet der Koalitionsbruch für mein Vorhaben? Muss ich auf neue Stakeholder oder politische Entscheider zugehen? Was hat es für einen gesellschaftlichen Einfluss, dass Trump in den USA plant, einen bekennenden Impfgegner zum Gesundheitsminister zu machen.
Health Relations: Sie haben als Agenturgruppe Einblicke in viele Branchen: Was kann sich die Pharma- und Healthcare-Kommunikation von anderen Sektoren abgucken?
Katrin Weisbach: Von anderen Branchen übernommen hat Pharma die Digitalisierung und dass trotz vieler Restriktionen inzwischen deutlich mehr Kommunikationskanäle genutzt werden. Wir waren zum Beispiel das erste Unternehmen, das für Pfizer eine Facebook-Seite aufsetzen durfte. Zum anderen trauen sich Pharmaunternehmen auch mehr in der politischen Kommunikation und wenn es darum geht, Haltung zu zeigen. Das finde ich sehr besonders, weil es eine so angreifbare Branche ist.
Health Relations: Woher kommt dieses neue Selbstbewusstsein?
Susan Hölling: Ein großer Punkt war sicherlich die große Welle an Zuspruch, die die Healthcare- und Pharmabranche während Corona erfasst hat. Die Reputation der Branche ist deutlich gestiegen und im Nachgang auch wieder etwas abgeflacht. Aber dieser Push war schon deutlich zu spüren. Früher hat die Branche gerade mit Blick auf die Regulatorik sehr konservativ kommuniziert. Heute spielt die Regulatorik natürlich immer noch eine große Rolle, doch unsere Kundschaft traut sich mehr. Nachdem die ersten gesagt haben „Lasst uns mal zeigen, dass wir genauso coole Sachen machen können wie in Tech oder Brand“, sind viele nachgefolgt.
„Auch für hochregulierte Themen kann es eine gute Strategie geben, wie Kommunikation gelingt.“
Health Relations: Und was können andere Branchen von Healthcare und Pharma lernen?
Susan Hölling: Auch andere Branchen sind stark reguliert. Dazu gibt es viel Gemotze und Gemecker, sicher auch berechtigt. Aber von Healthcare und Pharma können sie lernen, dass es auch für hochregulierte Themen eine gute Strategie geben kann, wie Kommunikation trotzdem gelingt.
Katrin Weisbach: Außerdem sind Pharma und Healthcare beim Thema Kreativität extrem weit vorne. Wenn man alles darf, ist kreativ zu sein total leicht. „The sky is the limit“, es gibt keine Einschränkungen. Innerhalb der bestehenden Regularien kreativ zu werden und außergewöhnliche Konzepte zu entwickeln, ist eine ganz andere Herausforderung.
Health Relations: Wie wird sich die Pharma- und Healthcare-Kommunikation in den kommenden Jahren entwickeln?
Katrin Weisbach: Zum einen wird KI weiter an Wichtigkeit gewinnen. Zum anderen, ganz konkret, werden MedFluencer eine immer größere Rolle spielen. Die Unternehmen werden sich noch mehr trauen, mit Gesichtern nach außen zu treten. Auch von Patienten- und Konsumentenseite sehen wir schon, dass solche Infos immer stärker angefragt werden. Es gibt ein großes Interesse an gesundheitlichen Themen.
Susan Hölling: Auch Healthcare und Pharma unterliegen einem gewissen Wandel. Kosten- und Effizienzdruck werden immer stärker, gleichzeitig wird der demografische Wandel immer spürbarer. So erreichen uns inzwischen immer mehr Nachfragen rund um den Umgang mit dem wachsenden Fachkräftemangel. Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren sicher noch stärker beschäftigen.