Im Team finden sich oft kreativere oder auch disruptivere Lösungen. Welche Chancen die Methode "Co-Creation" gerade für Pharmaunternehmen bietet, stellt Julia Bressem, Head of Healthcare bei FleishmanHillard, vor.
Als die Co-Creation Pioniere Coimbatore Krishnarao Prahalad und Venkat Ramaswamy im Jahr 2000 ihren Artikel „Co-Opting Customer Competence“ im Harvard Business Review veröffentlichten, dauerte es nicht lange, bis sich zwei Lager bildeten. Für die einen war Co-Creation der Heilige Gral zur Produktentwicklung, für die anderen nur ein weiterer überflüssiger Hype. Was stimmt nun?
Was ist Co-Creation?
Co-Creation bedeutet, alle relevanten Stakeholder, seien es Vertreter:innen von Pharmaunternehmen, Ärzt:innen oder Patient:innen, von Anfang an in einen moderierten Entwicklungsprozess zu bringen und gemeinsam die Lösung für eine spezifische Herausforderung oder (Kommunikations-) Aufgabe zu finden. Dahinter steckt der Grundgedanke, dass alle Akteur:innen voneinander lernen können, denn jede/r ist Expert:in mit eigenen Erfahrungen. Gleichberechtigte Kooperation ist somit das Schlüsselwort und bedeutet, dass jeder Teilnehmende gehört wird und zu Wort kommt.
Gemeinsam finden sich oft andere, vielleicht kreativere oder auch disruptivere Lösungen als ohne diese Form der Zusammenarbeit. Der aktive und kollaborative Prozess ist damit auch der entscheidende
Unterschied zur klassischen Marktforschung (Mafo) oder Umfrage. In einer Mafo diskutiert eine Gruppe, z.B. Ärzt:innen, während andere nur beobachten (in der Regel der/die Auftraggeber:innen hinter der Scheibe). Im Endeffekt wird das Feedback von Nutzer:innen zu einer vorab von anderen erarbeiteten Lösung erfragt.
Mit Struktur zum Erfolg
Dass manche Unternehmen vielleicht vor einer echten Kollaboration zurückschrecken, könnte auf der Befürchtung basieren, dass ein gemeinsamer kreativer Prozess ausufert oder zerfasert – wie es sicherlich jeder schon in Meetings oder Brainstormings erlebt hat. Aber auch wenn Co-Creation einen „basisdemokratischen“ Ansatz fährt, ist der Ablauf keinesfalls unkoordiniert. Ganz im Gegenteil: Es gibt kaum einen
zielgerichteteren Gruppenprozess, wenn er entsprechend vor- und nachbereitet und vor allem moderiert wird.
Gut aufgesetzt führt ein partnerschaftlicher Ansatz deshalb in der Regel zu weitaus innovativeren oder passgenaueren Ergebnissen. Meist bedeutet die Tatsache, dass alle relevanten Stakeholder an einem Tisch in einem bestimmten Zeitfenster konzertiert an einer Fragestellung arbeiten, am Ende eine Ersparnis oder sogar einen Gewinn an Zeit und Ressourcen.
Praxisbeispiel: Erfahrung der Patient:innen optimieren
Ein Pharmaunternehmen möchte das Patientenerlebnis entlang der Patient Journey verbessern – für eine bessere Therapietreue und einen möglichst optimalen Behandlungserfolg.
Co-Creation bietet den Vorteil, dass die Ideen nicht für, sondern gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt werden. Welche Informationen sind für sie entscheidend, wenn sie eine neue Therapie beginnen? Welche Fragen haben sie? Welche Informationskanäle bevorzugen sie? Wer sind ihre vertrauenswürdigsten Ansprechpartner:innen? Was ist entscheidend, um die Therapieadhärenz zu verbessern?
Es geht nicht um vorgefertigte Meinungen, sondern um
aktives Zuhören – und das kann durchaus zu Überraschungen führen, wie beispielsweise, dass Zielgruppen relevant sind, die bisher nicht auf der Agenda standen, etwa Pflegende oder Physiotherapeut:innen.
Gute Vorbereitung ist alles
Damit sich ein Co-Creation-Prozess erfolgreich gestaltet und den gewünschten Output liefert, gilt es jedoch, einige Punkte zu beachten.
Entscheidend ist, dass die Moderierenden Erfahrung mit dieser Form der Zusammenarbeit mitbringen. Es gibt eine Vielzahl an Methoden und Aktivitäten, doch sie müssen geeignet sein für die jeweilige Expertise und Erwartungen der Teilnehmenden und das zu bearbeitende Thema. Kein Prozess oder Workshop gleicht dem anderen, sondern sollte individuell auf die Herausforderung zugeschnitten werden.
Das Erfolgsrezept für einen gelungenen Co-Creation-Prozess lautet: gut planen und eine klare Zielsetzung verfolgen. Daher sollten vorab nachfolgende Punkte berücksichtigt und umgesetzt werden.
Beispiel für einen guten Co-Creation-Workshop
- Zielsetzung und Ablauf klar definieren, Anforderungen an die Teilnehmenden festlegen.
- Die Moderation bereitet einen strukturierten Gruppenprozess mit geeigneten Methoden und Tools vor und berücksichtigt dabei auch, den bisher in puncto Co-Creation unerfahrenen Teilnehmer:innen eine positive Erfahrung zu verschaffen. Dazu gehört z.B. zur Einstimmung Agenda sowie weiteres Informationsmaterial an die Teilnehmenden zu senden.
- Regeln sind das A und O – zu Beginn des Workshops werden klare Regeln aufgestellt und kommuniziert, die z. B. die Nutzung von elektronischen Geräten betreffen.
- Dokumentation: Damit keine wichtigen Ergebnisse verloren gehen, sollte bereits vorab festgelegt werden, wie und was dokumentiert wird und wer dafür verantwortlich zeichnet.
Fazit
Durch den direkten kollaborativen Austausch können die Versorgung der Betroffenen verbessert, das Wissen über die Versorgungsrealität erweitert und Maßnahmen implementiert werden, die die Patient Journey optimieren.
Co-Creation ist nicht nur eine Methode, sondern ein Mindset, das zu einem besseren Verständnis, guter Vernetzung und unmittelbaren Wissenstransfer führen kann. Es kann dabei helfen, dass Pharmaunternehmen die Bedürfnisse ihrer Kund:innen nicht aus den Augen verlieren und gleichzeitig die Effizienz ihrer Maßnahmen oder Dienstleistungen steigern können. Auch kann die Zusammenarbeit mit Kund:innen und anderen Partnern Unternehmen dazu bringen, neue Ideen und Innovationen zu entwickeln, die sonst vielleicht niemals entstanden wären.
Über die Autorin
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[caption id="" align="alignleft" width="108"] © FleishmanHillard[/caption]
Julia Bressem ist Head of Healthcare der Kommunikationsberatung FleishmanHillard Germany in Deutschland. Sie ist strategische Ansprechpartnerin für nationale und internationale Kunden mit mehr als 15 Jahren Erfahrung und Begeisterung für die Gesundheitskommunikation.