Die Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert und intensiviert. In den 1980er und 1990er Jahren waren Kooperationen in der Pharmaindustrie eher selten und meist auf spezifische Forschungsprojekte beschränkt. Doch mit dem Fortschritt der Biotechnologie und der zunehmenden Komplexität der Arzneimittelentwicklung wurden strategische Partnerschaften immer wichtiger.

Andrea Passalacqua, Alexion
Andrea Passalacqua ist neuer Vice President von Alexion Deutschland. © Alexion, Hintergrund: bearbeitet mit KI (Canva)

Für Andrea Passalacqua, Vice President und General Manager bei Alexion Pharma in Deutschland, sind Kooperationen mit anderen Pharmaunternehmen ein zentraler Baustein langfristiger Erfolge: „Ich habe in vielen Business Units gearbeitet und da galt lange das Motto ‚Wir gegen sie‘, aber heute hat sich das geändert. Die verschiedenen Stakeholder haben verstanden, dass Kooperation extrem wichtig ist, denn wir sind alle ein Teil von nur einem Gesundheitssystem. Ich denke, dass alle daran interessiert sind, dass das System funktioniert und nachhaltig ist.“

Kooperationen: Vorteile für alle?

Kooperationen bieten unbestreitbar zahlreiche Vorteile für Pharmaunternehmen. Zwei der wichtigsten Vorteile sind die Kostenreduktion und Risikoteilung, denn die Entwicklung neuer Medikamente ist bekanntlich teuer und mit erheblichen Risiken verbunden. Durch Partnerschaften können Firmen die finanziellen Lasten und Risiken auf mehrere Schultern verteilen, was die Belastung für jeden einzelnen Konzern verringert und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs erhöht.

Ebenfalls positiv ins Gewicht fällt der Zugang zu vielfältiger Expertise und Technologien. Durch die Zusammenarbeit mit anderen können Pharmafirmen auf spezifisches Know-how und innovative Technologien zugreifen, die sie möglicherweise nicht selbst besitzen. Unter Umständen kann das entscheidend sein, um neue wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen und die Entwicklung von Medikamenten zu beschleunigen.

Auch eine beschleunigte Markteinführung kann Produkt einer Zusammenarbeit sein. Durch die Bündelung von Ressourcen und Wissen können Medikamente schneller entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Eine verkürzte Entwicklungszeit ist an sich schon wünschenswert. Hinzu kommt noch, dass schnellere Prozesse oft mit einem Wettbewerbsvorteil verbunden sind, der letztlich den Patient:innen schneller Zugang zu neuen Therapien zu ermöglichen.

Nicht jedes Pharmaunternehmen ist in jedem Land aktiv. Schließt es sich allerdings mit anderen zusammen, bietet sich die Möglichkeit einer globalen Reichweite. So können neue Märkte erschlossen und regulatorische Hürden leichter überwunden werden. In einer globalisierten Welt, in der der Zugang zu internationalen Märkten entscheidend für den Erfolg eines Produkts sein kann, ist das besonders wichtig.

Dr. Fridtjof Traulsen über den Standort Deutschland
Boehringer_TraulsDr. Fridtjof Traulsen ist seit über 20 Jahren für Boehringer Ingelheim aktiven © Andreas Reeg

Bei Boehringer Ingelheim ist die aktiv nach geeigneten Kooperationen Teil der Unternehmensstrategie. „Wir sind stets auf der Suche nach neuen Ideen und neuer Wissenschaft, um die nächste Generation bahnbrechender Therapien in der Human- und Tiergesundheit voranzutreiben. Etwa die Hälfte unserer Pipeline resultiert aus externen Partnerschaften. Wenn wir unsere Kräfte mit externen Partnern bündeln und durch Diversität und Austausch gemeinsam Innovationen vorantreiben können, ist das eine Win-Win-Situation. Daher sind Partnerschaften und Forschungskooperationen ein zentraler Teil unserer Unternehmensstrategie und unseres Innovationserfolges“, sagt Dr. Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung Boehringer Ingelheim Deutschland GmbH.

Grenzen und Herausforderungen

Trotz dieser zahlreichen Vorteile gibt es auch Grenzen und Herausforderungen bei Kooperationen. Ein häufiges Problem sind Interessenkonflikte. Unterschiedliche Unternehmensziele und -kulturen können zu Konflikten führen, die die Zusammenarbeit erschweren und die Effizienz mindern können.

Ein weiterer Nachteil ist der potenzielle Verlust an Kontrolle. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen kann ein gewisser Grad an Kontrolle über Forschungs- und Entwicklungsprozesse verloren gehen. Dies kann insbesondere problematisch sein, wenn die Partnerunternehmen unterschiedliche Vorstellungen und Prioritäten haben.

Auch die Geheimhaltung und der Wettbewerb stellen Herausforderungen dar. Das Teilen von sensiblen Daten birgt das Risiko des Know-how-Verlusts und kann die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Unternehmen müssen daher sorgfältig abwägen, welche Informationen sie teilen und wie sie ihre geistigen Eigentumsrechte schützen können.

Insgesamt bieten Kooperationen im Pharmabereich viele Chancen, erfordern jedoch auch ein sorgfältiges Management der genannten Herausforderungen, um erfolgreich zu sein.

Die Rolle von COVID-19

Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung von Kooperationen in der Pharmaindustrie besonders hervorgehoben. Eine schnelle Entwicklung und Verteilung von COVID-19-Impfstoffen wären ohne internationale Zusammenarbeit nicht möglich gewesen. Beispiele hierfür sind die Kooperation zwischen BioNTech und Pfizer sowie die Zusammenarbeit von AstraZeneca mit der Universität Oxford.

Ein Bericht der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers & Associations (IFPMA) zeigt, dass bis Mitte 2021 über 350 Kooperationen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie registriert wurden.

Fazit

Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen haben sich von einfachen Forschungsprojekten zu strategischen Allianzen entwickelt, die entscheidend für Innovation und globale Gesundheitsversorgung sind. Während die Vorteile klar überwiegen, müssen Unternehmen die Herausforderungen und Grenzen solcher Partnerschaften sorgfältig managen. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass Kooperationen essenziell sind, aber es bleibt wichtig, ein Gleichgewicht zu finden, das auch kleinere Unternehmen unterstützt und fördert.