Das Zukunftsinstitut hat zehn Megatrends identifiziert, die in Zukunft für das gesamte Gesundheitssystem wichtig sein werden. Welche sind es und wie ist die Pharmabranche darauf vorbereitet?
Der demographische Wandel schreitet voran und wird zum Treiber für die technologische Entwicklung im Gesundheitsbereich. Das hat Konsequenzen.  Welche? Das Zukunftsinstitut hat zehn Schlüssel- oder Megatrends definiert, die das gesamte Themenspektrum Gesundheit in Zukunft entscheidend prägen  werden.

Was sind Megatrends?

Megatrends sind tiefgreifende, langfristige und weltweit wirksame Veränderungsbewegungen, die durch eine Vielzahl von Faktoren und Wechselwirkungen getrieben werden. Sie sind vielschichtig, mehrdimensional und gekennzeichnet durch eine hohe Dynamik und starke Wechselwirkungen. Basis der Megatrendstudie ist eine PWLG-Netzwerkanalyse (Politik-Wirtschaft-Legitimation-Gemeinschaft), aus der Rückschlüsse auf die Megatrendräume (verdichtete Bündel an Veränderungsbewegungen) gezogen werden können. Interviews mit Expert:innen untermauern die Analyse und die Defintion der Trends. (Quelle: Zukunftsinstitut Megatrendstudie 2024)

1. Digital Human Care

Patient Centrictiy und personalisierte Therapien rücken durch die technologische Entwicklung in den Mittelpunkt. Gleichzeitig werden die Prozesse im Gesundheitswesen optimiert. Digitale Gesundheitslösungen wie Telehealth und innovative Geschäftsmodelle tragen zur Qualität und Effizienz der Behandlung bei. Voraussetzung ist der Zugang zu Patientendaten und Datenräumen sowie ein starkes Patient Empowerment. Pharmaunternehmen engagieren sich bereits mit Konzepten, die die digitale Gesundheitskompetenz des Patienten und der Patientin fördern.

2. Integrated Care

Was sich u.a. in der Pharmakommunikation und im Vertrieb bereits abzeichnet, wird das gesamte Gesundheitswesen erfassen: Hierarchische und sektorale Grenzen im Gesundheitswesen werden aufgelöst, die fachübergreifende Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams wird durch neue, digitale Prozesse und Strukturen verbessert. Diese Entwicklung ist herausfordernd, da Führungsrollen neu definiert werden müssen. Hier ergeben sich Anknüpfungspunkte zum Themenfeld New Work.

3. Care Quality

Vor dem Hintergrund neuer Therapiemöglichkeiten, Ressourcen und Finanzierungskriterien werden sich Politik, Krankenkassen und Industrie auf neue Erlös- und Kostenmodelle verständigen müssen. Die Frage, was im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung theoretisch und praktisch möglich ist, muss neu beantwortet werden. Patienten- und Verbraucherschutzorganisationen können dabei eine entscheidende Rolle spielen.

4. Smart Health Hubs

Die Gesundheitsversorgung wird lokaler und niederschwelliger. Dank digitaler Hilfsmittel wie Wearables, Sensoren oder Augmented-Reality-Anwendungen kann auch das eigene Zuhause zum Health Hub werden. Sie können die Prävention und das Disease-Management von Patienten im privaten Umfeld erleichtern. Für die Pharmaindustrie ergeben sich hier neue Optionen für Kooperationen und Geschäftsmodelle.

5. Advanced Nursing

Innovative Modelle und digitale Technologien erweitern die Rolle des Pflegepersonals hinsichtlich seiner Kompetenzen und können die Arbeitsbedingungen erleichtern. Das Pflegepersonal wird zu einer weiteren, wichtigen Zielgruppe für die Pharmaindustrie.

6. Enabled Prevention

Ein wichtiges Feld für die Pharmaindustrie: Digitale Werkzeuge versetzen Menschen und Gemeinschaften zunehmend in die Lage, ihre Gesundheit aktiv zu schützen und zu fördern. Der Wandel von der Therapie zur Prävention erhält dadurch eine neue Dynamik. Für die Pharmaindustrie bedeutet dies neue Geschäftsmodelle. Gamification-Elemente werden dabei immer relevanter, da sie einen spielerischen Zugang zu diesen Themen eröffnen können.

7. Health Tech Integration

Innovative Medizintechnik und künstliche Intelligenz werden in alle Ebenen der Gesundheitsversorgung integriert. Dadurch werden Präzision, Effizienz und Personalisierung der medizinischen Versorgung deutlich erhöht. Die Herausforderung besteht darin, die Prozesse entsprechend zu orchestrieren. Nicht alles, was technologisch möglich ist, ist sinnvoll.

8. Mental Health Awareness

Neben der körperlichen Gesundheit rückt auch die psychische Gesundheit immer mehr in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses. Damit einher geht das Bestreben, Stigmatisierungen abzubauen und bessere Zugänge zu psychischen Gesundheitsdiensten zu schaffen. Das Thema hat Berührungspunkte mit dem Themenfeld Employer Branding. Unternehmen, die sich um das psychische und physische Wohl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, können eine Vorreiterrolle einnehmen.

9. Public Health Proactivity

Wenn die Menschen befähigt werden, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, wird auch die Politik diesen Schritt vollziehen und von einer reaktiven zu einer proaktiven Gesundheitspolitik übergehen. Dies wird den Gesundheitssektor für alle Akteure verändern.

10. One Health

Gesundheit ist ein universeller Begriff, der ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen umfasst. Dabei spielen die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimawandel und das Bedürfnis nach Sicherheit eine wichtige Rolle. Pharmaunternehmen können sich hier als Vorreiter und Mitgestalter für eine gesunde Lebenswelt engagieren. Viele von ihnen tun das bereits.

Fazit

Die Pharmabranche scheint auf die Megatrends im Gesundheitswesen gut vorbereitet zu sein. Viele Unternehmen sind bereits in den relevanten Bereichen wie Nachhaltigkeit, Mental Health und Prävention aktiv. Das Potenzial digitaler Technologien ist erkannt, Erlösmodelle werden diskutiert. Pharma sucht zunehmend den branchenübergreifenden Dialog. Die Rolle als gestaltende Kraft in der Gesellschaft hat die Branche angenommen.