KI erleichtert die Arbeit von Agenturen und Pharmaunternehmen. Eine spielerische Offenheit den neuen Tools gegenüber fördert den Kreativprozess.  Warum, erklärt Gunther Tutein, Geschäftsführer von Spirit Link, gegenüber Health Relations.
Mehr als 1000 AI-Tools gibt es inzwischen, schätzen Experten. Doch nur gerade mal rund 11 Prozent der Bevölkerung nutzt generative KI. Das ergab jüngst eine repräsentative Umfrage von BearingPoint. Allem Hype zum Trotz dominieren oft Verunsicherung und Unwissenheit. Auch in der Healthcare-Branche herrscht häufig noch Zurückhaltung, wie Gunter Tutein, Geschäftsführer bei Spirit Link, beobacht. Ihm war es wichtig, die Instrumente im Agenturalltag zu testen. "Jeder unserer Mitarbeitenden hat inzwischen mit den wichtigsten KI-Tools gearbeitet." Für ihn sind das zurzeit Midjourney (Bilderstellung) und ChatGPT (Textgenerierung). Durch gegenseitiges voneinander Lernen und eine eigens organisierte "Prompt Night" sammelte die Agentur auf dem großen Feld der KI früh Erfahrungen.

Content Creation mit KI fürs RX-Marketing

Gunther Tutein, Spirit Link

"Die Qualität ist durch KI gestiegen", sagt Gunther Tutein, Geschäftsführer von Spirit Link. © Spirit Link

Erste Ergebnisse wurden bereits in konkreten Kundenprojekten umgesetzt. "Generative KI befeuert die Kreativität", ist Gunther Tutein überzeugt. Soll beispielsweise ein Claim für ein Alzheimer-Präparat gefunden werden, kann die KI mit einem guten Prompting zahlreiche Vorschläge erstellen. Die Ergebnisse werden verfeinert, durch eigene Ideen weiterentwickelt, sodass am Ende aus 20 Vorschlägen 3 konkrete Ideen entstehen, die die Agentur dem Kunden präsentiert. "Die Qualität ist durch KI gestiegen", bewertet der Agenturchef den neuen Kreativprozess. Mit generativer Text-KI können Claims, Shortcopys, Boilerplates, aber auch Email-Fragmente erstellt werden. Und es können in großer Zahl Varianten eines Themas produziert werden, die in dieser Menge und Vielfalt ohne KI gar nicht durchführbar gewesen wären. Auch lokale Anpassungen kann die KI vornehmen. Soll beispielsweise eine Zielgruppe in Hessen adressiert werden, können ChatGPT & Co. Vorschläge für regionaltypische Begriffe und Redewendungen oder regionaltypische Bilder machen, die in die Kampagne integriert werden. Ein anderes Beispiel: Eine Kampagne soll eine große Reichweite erzielen, indem sie an bekannte Filmzitate anknüpft, die gut zur Botschaft und den Kampagnenzielen passen. Dadurch soll das Thema aufmerksamkeitsstark und kurzweilig aufbereitet werden. Dank KI kein Problem, niemand muss mühsam in Filmdatenbanken nach geeigneten Zitaten suchen. Aber: Ist denn im Rx-Marketing ein mit künstlicher Intelligenz entwickelter unterhaltsamer Ansatz vertretbar? "Um das zu beurteilen, ist wieder der Mensch mit seinem Erfahrungsschatz gefragt. Mit KI gehen manche Sachen definitiv schneller und es können witzige und kreative Vorschläge produziert werden, auf die ein Texter selbst vielleicht nicht gekommen wäre. Aber natürlich darf man die Ergebnisse nicht blind übernehmen oder glauben, dass alles, was herauskommt, stimmt." Der Mensch als Qualitätsinstanz bleibt zentral, auch bei der Tonalität einer Kampagne.

Brauchen Pharmaunternehmen generative KI-Tools?

Healthcare-Agenturen werden künftig die Palette ihrer Kreativtechniken erweitern und die neuen Möglichkeiten der KI routinemäßig nutzen. "Für uns Generalisten werden sich eine Handvoll sinnvoller KI-Tools herauskristallisieren. Die großen IT-Player in der Branche werden diese in ihre Dienste integrieren. Für Spezialisten wie Fotografen können darüber hinaus weitere AI-Tools sinnvoll sein", blickt Gunther Tutein in die nahe Zukunft. Noch in diesem Jahr erwartet er erste integrierte Anwendungen in gängigen Softwareprogrammen. Pharmaexperten auf Unternehmensseite sollten sich auch mit den KI-Tools beschäftigen, wenngleich nicht in derselben Tiefe wie Agenturen, ist seine Überzeugung. "Sie werden in den wenigsten Fällen selbst Content produzieren. Die Aufgabe von Pharmaunternehmen ist die Steuerung einer Agentur. Hier ist es auf Pharmaseite hilfreich, zu lernen, was ich von meiner Agentur fordern kann. Ich muss wissen, was ein realer Anspruch ist." Wissen über Kreativtechniken und Tools könnten im übrigen auch Agenturen vermitteln, die hier Know-how aufgebaut haben.

Vertrauen als gesellschaftlicher Maßstab

Wer mit Künstlicher Intelligenz arbeitet, muss sensibel vorgehen und darf nicht etwa unveröffentlichte Studiendaten oder Klarnamen in die Suchmaske von ChatGPT eingeben – selbst, wenn das brauchbare Ergebnisse liefern würde. Vertrauen in die neue Technologie zu schaffen, scheint ein zentraler Aspekt für den Erfolg derselben zu sein. 52 Prozent der Bevölkerung geben in der eingangs zitierten Studie an, kein Vertrauen in künstlich generierte Inhalte zu haben oder verunsichert zu sein, die Technologie in ihrem Alltag einzusetzen. "Es macht einen Unterschied, ob die Person, die etwas postet, dies selber geschrieben hat oder ob es eine KI war, die im Hintergrund mitläuft und ab und zu irgendwas postet. Das ist ein großes gesellschaftliches Thema", sagt Gunther Tutein über die Schattenseiten der KI-Welt.  Dennoch steht für ihn fest: KI ist relevant und wird es – anders als manch anderer Hype – in Zukunft bleiben.

Fazit

Wie bei jeder neu aufkommenden Technologie ist es gerade in Healthcare wichtig, diese verantwortungsvoll und in einem rechtlich sicheren Rahmen einzusetzen, um das Vertrauen von Ärzt:innen und Patient:innen zu gewinnen und ihre Potenziale voll auszuschöpfen. Für die Kreativbranche hat die generative KI  – trotz aller noch zu erwartenden Fallstricke, z. B. im Urheberrecht – die Arbeitsprozesse erleichtert. Für die Erstellung von Content-Ideen bis zum Schreiben von Claims, Copytexten oder dem Visualisieren von Bildideen und Storyboards sind den Einsatzmöglichkeiten von KI kaum Grenzen gesetzt.