Fehlt Agenturen inzwischen der Coolness-Faktor, um qualifizierte und loyale Mitarbeitende zu finden? Nicole Tappée, Geschäftsführerin der MCG Medical Consulting Group, hat sich ein paar Gedanken dazu gemacht, was Agenturen beachten sollten, um Mitarbeiter:innen zu finden und zu binden. Und, wie sich Agenturen wandeln sollten.
Agenturen sind gefühlt schon lange nicht mehr cool. Erst haben die Start-ups den Agenturen diesen Rang abgelaufen und dann wurden sie über New Work in das Zeitalter des „angestellten Freelancers“ katapultiert. Agenturen haben es entsprechend schwer, sowohl qualifizierte Mitarbeiter als auch Loyalität und Commitment zu finden. Sie werden nicht mehr nur vom Kunden getrieben, sondern auch von der Erwartung jedes einzelnen Mitarbeitenden, auf dessen individuelle Bedürfnisse sie eingehen sollen. Anstrengend! Oder vielleicht einfach nur ungewohnt? Erst einmal vorweg: Ja, die Arbeitswelt hat sich verändert – massiv. Und nicht selten sind erfahrene Manager und Führungskräfte irritiert über Reaktionen und Erwartungshaltungen, die gefühlt extremer und häufiger geworden sind. Das ist zum Teil sicherlich ein Generationen-Thema. Wir werden in den sozialen Medien ja bestens aufgeklärt, warum und wie Boomer, Gen X, Millennials und Gen Z ticken und warum sich daraus Konflikte ergeben.
"Die Arbeitseinstellung der jüngeren Generationen löst oft Frust bei mir aus,  weil es bei mir als junger Mitarbeiter einfach anders war und ich keine Blaupause für die neue Arbeitswelt  parat habe."
Als GenXer komme ich dabei in der Regel ganz gut weg – vielleicht ist das aber auch ein Bubble-Effekt. Für mich persönlich muss ich allerdings gestehen, dass die Arbeitseinstellung der jüngeren Generationen oft Frust bei mir auslösen. Nicht weil ich sie nicht verstehe, sondern weil es bei mir als junger Mitarbeiter einfach anders war und ich keine Blaupause für die neue Arbeitswelt und entsprechend nicht immer eine Lösung parat habe. „Warum können die nicht einfach so sein wie wir damals?!“, kommt einem in den Kopf und man vergisst, dass wir die Boomer damals genauso irritiert haben als wir auf einmal E-Mails schreiben und im Internet googeln wollten. Und die Tatsache, dass wir bei Überstunden keinen Riegel vorgeschoben haben, ist ja ehrlicherweise unser Problem und nicht das der jungen Generation. Die Arbeit war damals aber auch deutlich langsamer. Als Junior habe ich Pressemitteilungen noch per Post versendet. Dafür hat sich das Team im Konfi getroffen und bei Musik gemeinsam die Briefe gefaltet, eingetütet und frankiert. Ein Moment des produktiven Teambuildings sozusagen. Aber auch einfach mal eine Stunde ohne Kopfarbeit und trotzdem produktiv. Heute kommen in so einer Stunde 56 E-Mails, 3 Teams-Calls und 36 Chat-Nachrichten rein, die abgearbeitet werden müssen. Damit kommen tatsächlich junge Mitarbeiter:innen oft besser klar als ältere – vor allem, wenn sie nicht durchgängig in Agenturen gearbeitet haben.
"Ein Teams-Call jagt den nächsten und wir kommen kaum mehr dazu, unsere Arbeit zu machen. Da wieder herauszukommen ist absolut notwendig."
Das Generationenthema ist also nicht neu – es erfordert Verständnis und aufeinander zugehen. Was uns meiner Ansicht nach stärker belastet, ist das Tempo der Veränderung. Neue Technologien setzen sich immer schneller durch und dann kam die Mega-Disruption durch die Corona-Krise. Was während der Lockdowns noch irgendwie nice war, ist spätestens jetzt fatal: Agenturen haben dieMeetingstruktur der Unternehmen übernommen. Ein Teams-Call jagt den nächsten und wir kommen kaum mehr dazu, unsere Arbeit zu machen. Da wieder herauszukommen ist gar nicht so einfach, aber meiner Ansicht nach absolut notwendig. Denn das zeichnet Agenturen ja gerade aus, der Blick von außen, die neutrale Sicht, der breite Blick und natürlich auch ganz banal die Zeit, Dinge umzusetzen. Genau da müssen wir wieder hinkommen. Dann ist da noch das Thema „mobiles Arbeiten“. Finden wir irgendwie alle geil. Aber ich bin mir nicht sicher, wie gut es uns tut. Und damit meine ich jetzt nicht die Unternehmenssicht, sondern das Work-Life-Blending. Die klare Trennung von Arbeit und Privatleben ist deutlich einfacher, wenn es räumlich getrennt stattfindet. Auch der spontane Austausch ist persönlich einfacher als via Bildschirm und gerade bei der Einarbeitung neuer Mitarbeitenden ist die Hemmschwelle für Fragen deutlich niedriger. Viele Unternehmen fordern inzwischen immer mehr ein, dass Mitarbeit:innen wieder häufiger im Office sind. Sicher, manchmal wirkt es dann so, als ob dort das Vertrauen fehlt und der Wille zur Veränderung – das sollte natürlich nicht der Grund sein. Wichtiger ist, dass die Mitarbeitenden wirklich Vorteile für ihre Arbeit und auch für sich persönlich aus dem Miteinander im Büro mitnehmen, dann wird das Office von selbst wieder relevanter. Dabei steht „hybrid“ als Arbeitskonzept der Zukunft ohnehin nicht mehr infrage.

Fazit

Ist das Konzept Agentur also überholt? Nein, aber es muss sich der neuen Arbeitswelt anpassen. Vor allem, wenn es um die herausfordernden Erwartungen der Gen Z geht, ist seitens des Managements ein Umdenken notwendig. Aber es geht auch darum, neue Agentur-Standards zu entwickeln: Wie viel Office-Zeit ist sinnvoll? Wie viele Video-Calls notwendig?  Wie wahrt man die Grenzen zwischen Beruf und Privat? Offene Kommunikation und Vertrauen sind dabei sicherlich wichtige Pfeiler auf Seiten der Geschäftsführung. Auf Führungsebene braucht es vor allem Skills in Aufbau und Steuerung von hybriden Teams und gleichzeitig die Fähigkeit, loslassen zu können. Seitens der Mitarbeitenden sollten Engagement und Loyalität hinzukommen. Das Ganze gepaart mit Spaß und Professionalität machen die Agentur wieder zu einem attraktiven Arbeitgeber.

Über die Interviewpartnerin

[caption id="attachment_33952" align="alignleft" width="100"]Nicole-Tappee © MCG[/caption] Nicole Tappée ist Geschäftsführerin der MCG Medical Consulting Group GmbH. Die Spezialistin für Medical Communication und Social Media leitet seit Mitte 2018 die Geschicke der MCG – von Anfang an mit einem starken Fokus auf interne Kommunikation und HR-Themen.