KI ist ein Werkzeug, das beherrscht und richtig eingesetzt werden muss. Je spezieller das Thema, und in Healthcare ist die Aufgabenstellung sehr speziell, desto wichtiger ist der Mensch als Sparringspartner und Qualitätsinstanz. Sven Korhummel, geschäftsführender Gesellschafter bei cyperfection, berichtet über seine Erfahrungen mit ChatGPT & Co.
Künstliche Intelligenzen schaffen für Agenturen in der Healthcare-Branche eine Vielzahl von Chancen – und Herausforderungen.  Sicherlich wird KI vieles effizienter, aufschlussreicher und vielleicht sogar interessanter machen können. Zunächst aber ist sie ein Werkzeug, das beherrscht und richtig eingesetzt werden will. Um daraus ein mächtiges Werkzeug zu kreieren, braucht es aber den Menschen als kreativen Sparringspartner und jederzeit aufmerksame Qualitätsinstanz – und das gilt für den gesamten Arbeitsprozess und für jede Aufgabenstellung. Eines bietet KI sicherlich nicht: einfache Lösungen auf Knopfdruck. KI reagiert auf eingegebene Befehle und generiert einzigartige Ergebnisse. Aber eben immer auf Grundlage der Informationen, die ihr vorliegen. Und hier liegt die Crux in dem Zusammenspiel zwischen Agenturarbeit und KIs: Erst Menschen mit fundiertem, gebündeltem Fachwissen ermöglichen gute Ergebnisse, ob nun pragmatische Lösungen oder echte Innovationen. Der menschliche Anteil am Geschehen ist umso höher einzuschätzen, je spezieller das Thema ist und die Aufgabenstellung es erfordert – und damit schlagen wir den Bogen zum Thema Healthcare-Kommunikation und ihren regelmäßig sehr speziellen Anforderungen.

Healthclaims  & KI: mit viel Arbeit zur gewünschten Tonality

Am häufigsten wird zurzeit ChatGPT genutzt, vor allem als Suchmaschine und Textgenerator. Im professionellen Umfeld der Markenkommunikation im Healthcare-Bereich kommen einige Besonderheiten ins Spiel: Spezielle Markentonalitäten sind ein Punkt. Steckt man viel Arbeit in die KI, kommt man – je nachdem – in die Nähe einer gewünschten Tonality. Kommen dann weitere Anforderungen hinzu, wie beispielsweise das Texten rund um Healthclaims oder das Umschiffen spitzer gesundheitsrelevanter Aussagen, engt sich das Spektrum sehr schnell stärker ein.
"Auch bei ungenügender Datenlage spuckt die KI ihre Ergebnisse im Brustton der Überzeugung aus. Im Healthcare-Bereich müssen gesundheitsrelevante Aussagen daher mit Argusaugen überprüft werden."
Denn es fällt sofort auf, wie unbeirrbar KIs sind, obwohl ihre Datengrundlage manchmal ungenügend ist. Selbst dann spucken sie ihre Ergebnisse im Brustton der Überzeugung aus – und da diese meist erst mal ganz gut klingen, ist es umso wichtiger, genauer hinzuschauen. Gerade im Healthcare-Bereich, in dem gesundheitsrelevante Aussagen mit Argusaugen überprüft werden, verdeutlicht dieser Punkt, wie wichtig menschliches Eingreifen und permanentes akribisches Kontrollieren ist.

Was leistet KI in der Praxis, was nicht?

  • Fehlersuche: Woran oft zu merken ist, dass z.B. ChatGPT an Grenzen stößt, sind Wiederholungen, wenn es um inhaltliche Tiefe geht – das ist oft ein Hinweis, dass der KI an dieser Stelle weitere Informationen fehlen.
  • Ideen-Sprungbrett: Headline, Social Media-Post oder mehr – vor allem, wenn man mal einen schlechten Tag erwischt und die Ideen nicht so fließen wollen, kann KI vielleicht auf die Sprünge helfen. Auch hier ist es nicht unbedingt so, dass die KI etwas liefert, das direkt übernommen werden kann. Aber sie kann dabei unterstützen, die eigene Assoziationskette anzukurbeln.
  • Tempo: Eine wirkliche Verkürzung der Arbeitszeit lässt sich vor allem bei komplexeren Healthcare-Themen aktuell nicht konstatieren: Zu groß ist der Aufwand, um die die richtigen Briefings zu geben und vor allem dann die Ergebnisse zu prüfen und feinzuschleifen.

KI fehlt es im Healthcare-Bereich an Empathie

Es ist gar nicht so lange her, dass die Healthcare- und Pharmabranche das Feld Content Marketing für sich entdeckt hat. Im Kern bedeutet das eigenständige Inhalte zu erschaffen, sympathisch und empathisch verpackt. Aspekte, die bei Gesundheitsthemen ein noch stärkeres Augenmaß und Fingerspitzengefühl erfordern als in anderen Bereichen. Gerade bei gesundheitsrelevanten Themen hat eine KI einen deutlichen strukturellen Nachteil: Sie selbst ist bei bester Gesundheit. Informationen und Erfahrungen rund um das Thema Krankheit mit der entsprechenden Empathie zu transportieren, ist ihr nur schwer möglich.
"Menschliche Experten können die KI-Systeme trainieren und kalibrieren, um sicherzustellen, dass sie genaue Ergebnisse liefern und ethische Grundsätze beachten."
Storytelling in diesem Bereich wirkt schnell hölzern und beliebig. Es gelingt nur mit entsprechendem menschlichem Input, Inhalte zu generieren, die Informationen im Sinne einer Marke transportieren und zu bleibenden und wiederkehrenden Nutzern führen. Ein weiterer menschlicher Faktor: Marketing-Experten in Agenturen und Unternehmen kennen es – das „Gefühl“, das man nach einiger Zeit für eine bestimmte Marke und deren Nutzer entwickelt. Styleguide und Tonalität werden nicht mehr gebraucht, was passt und was nicht, wird schon intuitiv erfasst.

Agenturen: mit Erfahrung die generative KI lenken

Wer aus Erfahrung weiß, was funktioniert und was nicht, ist in der Lage, eine generative KI in eine konstruktive Richtung zu lenken. Agenturen den Vorteil, dass sie für genau die Punkte, auf die es bei der Arbeit mit KI ankommt, Experten sind: Briefing, Qualitätskontrolle und Differenzierung.

Human-Led AI

Der Begriff Human-Led AI bezeichnet generell den Ansatz KI von Menschen zu steuern und zu kontrollieren, statt sie komplett autonom zu betreiben. Bei Human-Led AI sind Menschen weiterhin in der Verantwortung für die Entscheidungsfindung und Kontrolle der KI-Systeme. Das Ziel sind Ergebnisse, die auf menschlicher Erfahrung, Intuition und Ethik basieren und die in Einklang mit den Werten einer Organisation oder Gesellschaft stehen. So genutzt können KI-Systeme verwendet werden, um Prozesse zu automatisieren, Zeit und Ressourcen zu sparen und die Effizienz zu verbessern. Menschliche Experten können die KI-Systeme trainieren und kalibrieren, um sicherzustellen, dass sie genaue Ergebnisse liefern und ethische Grundsätze beachten. Umgekehrt: KI-Systeme können menschliche Entscheidungsprozesse unterstützen, indem sie Daten schneller und genauer verarbeiten, Zusammenhänge erkennen und Muster identifizieren.

Briefing oder "Prompt Engineering"

Das Briefing ist das A und O. "Prompt Engineering" ist der Begriff, der in Zusammenhang mit KI häufig genutzt wird – bis hin zu Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, Prompts zu verkaufen, die schnell zu guten Ergebnisse führen. Agenturen sind von Haus aus Experten für die Kunst des Briefings. Sie wissen, dass Ergebnisse umso besser ausfallen, je kompletter die Information und je konkreter die Ausgangssituation ist. Der Grundsatz "Ernte, was du säst", gilt bei Prompts mehr denn je.

Qualitätskontrolle

Auch das beste Briefing kann ein Ergebnis generieren, das nicht der Marke entspricht, am passenden Ton vorbeigeht oder sogar einfach falsch ist. Möglicherweise kann eine KI mehr Inhalte in einem kürzeren Zeitraum erstellen – aber es bedarf immer eines erfahrenen und fachkundigen Menschen, der jedes Ergebnis prüft und sicherstellt, dass keine logischen oder sachlichen Fehler vorliegen. Auch wenn der Inhalt auf den ersten Blick perfekt aussieht, erst beim zweiten und dritten Mal hinschauen wird aus einem brauchbaren Inhalt eine einprägsame und wirkungsvolle Botschaft. Hier muss ein erfahrener (menschlicher) Profi den Weg weisen, insbesondere wenn es darum geht, sich im komplexen Gesundheitswesen mit seinen vielen speziellen Anforderungen zurechtzufinden.

Differenzierung

 Mit der künstlichen Intelligenz ist es wie mit der neuesten Mode: Wenn alle plötzlich das Gleiche tragen, wird aus dem neusten Schrei schnell ein alter Hut. Nutzen alle die neusten KI-Tools, werden viele Ergebnisse zwangsweise ähnlich ausfallen. An diesem Punkt braucht es wieder (menschliche) Profis, die dafür sorgen, dass Ergebnisse einen einzigartigen Touch besitzen, der eine Botschaft oder Marke von der Masse abhebt und in ihrer Einzigartigkeit repräsentiert.

Fazit: enge Zusammenarbeit zwischen Mensch, KI

Von lästigen Fleißarbeiten bis hin zum Erkennen von Mustern, um beispielsweise Zielgruppen zur richtigen Zeit auf dem passenden Kanal anzusprechen: KI kann auch im Healthcare-Bereich in vielen Belangen unterstützen. Das ändert nichts daran, dass kreative Lösungen für Marken und Unternehmen eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und ein tiefes Verständnis aller Zusammenhänge erfordern. Wirklichen Mehrwert schafft nur akribisch von Menschen geführte KI. Ob nun Strategie, Texte, Designs oder UX: Letzten Endes sollte die Herangehensweise an KI dieselbe sein, wie ein Handwerker hinsichtlich seiner Werkzeuge. Diese digitalen Tools sind Hilfsmittel, die Kraft sparen und vielleicht sogar Ergebnisse verbessern können – allerdings nur, wenn sie von einem Spezialisten eingesetzt werden, der genau weiß, was zu tun ist. Und vor allem in der Healthcare-Branche sollte nie aus dem Auge verloren werden, dass es darum geht, Kommunikation für Menschen zu schaffen und dabei gemeinsame menschliche Erfahrungen ein unverzichtbarer Bestandteil sind, um eine echte Verbindung zu unseren Zielgruppen herstellen.

Über den Autor

Sven Korhummel, cyperfectionSven Korhummel ist seit 25 Jahren einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der in Ludwigshafen anässigen Digitalagentur cyperfection. Mit seinem knapp 50-köpfigen Team berät Sven Korhummel Kunden wie Roche, Engelhard Arzneimittel, Dr. Falk, Fuchs Petrolub und Philips in allen Bereichen der digitalen Kommunikationsstrategie und Markeninszenierung.