Wer seine Mediaplanung auf Mythen aufbaut, spielt der Konkurrenz in die Karten. Health Relations hat Werner Kern, Geschäftsführer der Agentur kernmedia und Branchenkenner seit mehr als 30 Jahren, nach den gängigsten Irrtümern in der Mediaplanung gefragt.
Es gibt eine Reihe von Vorurteilen, die sich in der Mediaplanung beharrlich halten, wenngleich sie auf falschen Annahmen oder Missverständnissen beruhen. Damit es nicht zu Fehleinschätzungen und letztlich ineffektiven Marketingentscheidungen kommt, lohnt es sich, gewohnte Denkmuster immer wieder zu hinterfragen.

1. Irrtum: Es gibt ein Sommerloch

"Es gibt kein Sommerloch! Wir dürfen davon ausgehen, dass die ärztliche Grundversorgung in Deutschland auch in den Sommermonaten gewährleistet ist, 80 % der Ärztinnen und Ärzte sind auch im August in Deutschland in der Praxis", sagt Werner Kern.  Dafür bieten die Sommermonate für den Werbetreibenden beachtliche Vorteile: "Geringerer Werbedruck der Wettbewerber, bessere Platzierungsmöglichkeiten und oftmals günstige Angebote der Verlage." Der Sommer ist also eine wirtschaftlich attraktive Mediazeit, es sei denn, man möchte ein Präparat bewerben, das nur im Winter Saison hat.

2. Irrtum: Print ist tot

Ein anderes hartnäckiges Vorurteil, das ihm immer wieder in der Praxis begegnet, ist: Print ist tot. "Noch lange nicht! Die digitalen Kanäle erreichen in den HCP-Zielgruppen nicht annähernd die Reichweiten und Kontakte, die wir benötigen, um die gewünschte Werbewirkung zu erzielen", sagt Werner Kern. Das bestätigen auch jährlich die LA-MED-Ergebnisse. Er ist überzeugt, die Zukunft gehört dem Digitalen, allerdings werden Unternehmen ihre Mediaziele in diesem, nächstem und übernächstem Jahr in den HCP-Zielgruppen ohne Print nicht erreichen. Jedoch sei es wichtig, einen Teil-Etat in digitale Kanäle zu investieren, um daraus zu lernen, wie man den Kanal geschickt und zielgruppenadäquat einsetzt.

3. Irrtum: Durchhefter sind günstig

Beliebt sind bei Kunden fertig von der Agentur angelieferte Werbeseiten, die mit dem Werbeträger fest verbunden werden. Günstig seien sie jedoch nicht. "Unter Berücksichtigung der erzielbaren Anzeigenrabatte, der Produktions- und Versandkosten bei Durchheftern und der deutlichen Platzierungsnachteile, sind Durchhefter mit Blick auf die Kosten pro Anzeigenkontakt unwirtschaftlich."

© Frommel

4. Irrtum: KI ändert nichts an der Mediaplanung

Durch das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz sind ganz neue Optionen für die Mediaplanung hinzugekommen. "Eine normale Standard-Mediaplanung kann KI in ein paar Jahren schneller und besser machen als ein Mensch – vorausgesetzt, sie hat alle notwendigen Daten." Die Aufgabenstellung für Agenturen werde sich durch KI ändern. "Wer das verpennt, wird verschwinden, wer geschickt damit umgeht, wird wachsen." Werner Kern sieht die Entwicklung als Chance: Agenturen müssen mit den neuen Tools arbeiten. Standardisierte Arbeits- und Aufgabenbereiche in der Mediaplanung wird KI erledigen können, für die Feinheiten braucht man den Menschen. Wer sich darauf vorbereitet und geschickt damit umgeht, wird sich als Agentur behaupten, so ist seine Überzeugung.

5. Irrtum: RX-Medikamente brauchen keine Markenbildung

Es ist ein Mythos, dass der Aufbau einer starken Marke nichts für verschreibungspflichtige Medikamente ist. "Auch der Arzt merkt sich Namen von Präparaten. Wenn er eine Marke nicht kennt, wird er sie nicht verschreiben", sagt Werner Kern. In der patientengerichteten Kommunikation sollte man ebenfalls an bestimmten Stellen, unter Wahrung der gesetzlichen Vorschriften, den Namen eines Produktes nennen. "Das schafft Vertrauen, wenn der Patient es später verschrieben bekommt. Das ist natürlich nicht dasselbe wie Markenwerbung im Konsumerbereich, es ist subtiler und anspruchsvoller." Überhaupt sollten Pharmaunternehmen Wert auf ihre Unternehmensmarke bzw. ihre Corporate Reputation legen. Denn von ihr hängt es maßgeblich ab, ob Ärzt:innen ein Medikament verschreiben oder nicht, wie eine Studie von WE Communications zeigt.

6. Irrtum: Ärzt:innen sind die einzige Zielgruppe

Patient:innen sind in den vergangenen Jahrzehnten eine sehr wichtige Zielgruppe für die RX-Pharmabranche geworden. "Es gibt genügend Konzerne, die erkannt haben, dass Patient:innen unbedingt involviert werden müssen, um Therapieerfolg und Compliance zu verbessern. Die Spendings liegen sehr oft im 7-stelligen Bereich." Das Heilmittelwerbegesetz hat Grenzen gesetzt, doch können Kampagnen das Bewusstsein für bestimmte Erkrankungen schärfen und die Nachfrage nach einem bestimmten Medikament fördern. Patient:innen sprechen ihre Ärztin oder ihren Arzt konkret darauf an.

7. Irrtum: Sich auf das Bauchgefühl verlassen

"Wir haben in der Mediaplanung so viele Erfahrungen, Daten und Erkenntnisse, dass wir das Bauchgefühl nicht benötigen. Besser ist der gesunde Menschenverstand." Der Mediaprofi rät, sich nicht dem Drang zu unterwerfen, "unbedingt etwas Neues machen zu wollen". Was vorher gut gemacht wurde, sollte beibehalten werden, sofern keine zwischenzeitlichen Veränderungen gegen diese Strategie sprechen. Woran liegt es, dass sich viele Vorurteile so lange halten und offenbar immer weitergegeben werden? "Der Mediabereich liegt auf Unternehmensseite inzwischen in den Händen des Produktmanagements. Früher gab es Werbeabteilungen in den Unternehmen, die mit ihren Mediaagenturen auf Augenhöhe gesprochen haben. Doch das Produktmanagement hat ein großes Aufgabengebiet und Mediafragen haben oft keine erste Priorität." Gleichzeitig ist die Medienlandschaft immer komplexer geworden, das kann es schwierig machen, sich Details anzueignen, um die Mediaplanung anzupassen.

Fazit

Eine datengestützte Analyse und eine darauf basierende RX-Marketingstrategie haben sich bewährt, um die Kampagneneffektivität zu maximieren. Damit keine falschen Annahmen über Zielgruppen oder vermeintliche Budgetoptimierungen aufgrund von Planungsmythen getroffen werden, ist es sinnvoll, sich aktuelle und umfassende Informationen einzuholen. Und seine festen Überzeugungen immer mal wieder zu hinterfragen.