Kolumne: Eine Frage der Kommunikation
Studie zum Thema „Digital Riser“ des European Center for Digital Competetiveness aus dem Jahr 2020 zeigt einen besorgniserregenden Trend: Deutschland gehört zu den Ländern, die in Sachen digitale Kompetenz am stärksten zurückgefallen sind.
Mithilfe der digitalen Instrumente kann die moderne Medizin ihren Anspruch einlösen, präventiver und menschlicher zu sein. Dieses immense Potenzial müssen alle, die an die Zukunft der Digitalen Medizin glauben, noch viel besser ausschöpfen!
Fortschritt ist immer eine Frage der Akzeptanz. Das galt für die Entwicklung der Dampfmaschine, für die Einführung der Elektromobilität und ist in der Digitalen Medizin nicht anders. Zur Akzeptanz in der Bevölkerung trägt eine chancenorientierte und motivierende Kommunikation über Digitale Medizin bei, doch genau die findet bislang kaum statt. Eine CONNECTED – die digital-kolumne
Jeden Monat thematisiert Dr. Gerd Wirtz hier die Digitalisierung der Medizin. In seiner Kolumne stellt er die Facetten des digitalisierten Healthcare-Kosmos vor. Die kleinen Geschichten, die skurrilen Begegnungen und die großen Fragen. Digital gedacht, menschlich betrachtet. Immer auf den Punkt und augenzwinkernd kommentiert."Wir reden über die möglichen Risiken, bevor klar ist, welchen Nutzen eine neue Technik überhaupt hat."Wie sieht unser Bild von der Medizin der Zukunft heute aus? Wie stellen wir uns eine Medizin vor, in der der Einsatz von Robotern, Künstlicher Intelligenz und Datenauswertung so alltäglich ist wie das Abhören mit dem Stethoskop? Eine Teilnehmerin bei einem meiner Vorträge sagte mir kürzlich, ihre Mutter sei jetzt über 80 Jahre alt. Der Umzug ins Seniorenheim stehe an. Der Gedanke, dass dort in einigen Jahren nur noch Roboter auf den Gängen herumfahren und die alten Menschen versorgen, sei für sie als Tochter eine Horrorvorstellung. Unsere Vorstellung von Künstlicher Intelligenz ist häufig von Science-Fiction Filmen geprägt. Terminator statt mehr Menschlichkeit. Wir sprechen nicht über positive Beispiele und reale Projekte, wie etwa die in Japan entwickelte Roboter-Plüschrobbe "Paro", die zur Betreuung Demenzkranker eingesetzt wird. Unsere Kommunikation über die Möglichkeiten von Technik ist zu technokratisch, zu bürokratisch. Gerne wird bei der Einführung von neuen Produkten zunächst lang und breit über die möglichen Risiken hinsichtlich des Datenschutzes gesprochen. Lange bevor klar ist, welchen Nutzen dieses Instrument überhaupt hat. Es hilft dem Fortschritt nicht, bedrohliche Zukunftsszenarien zu zeichnen, die manches Mal mehr mit Science Fiction zu tun haben als mit der Realität. Sprache ist ein wirkungsvolles Instrument. Seien wir uns über Risiken und Nebenwirkungen bewusst, wenn wir sie verwenden.
"Zukunfszenarien dürfen nicht wie Science Fiction wirken."Heute wissen Patienten und Ärzte viel zu wenig darüber, wie sie von neuen Technologien profitieren können. Wüssten sie dies, würden sie viel häufiger die Entscheidung zugunsten eines medizinischen Produkts stellen. Die Frage nach dem Datenschutz wäre ganz schnell nur noch eine unter vielen. Die Elektronische Patientenakte könnte pro Jahr tausende von Menschenleben retten, aber das wird nicht breit kommuniziert. Wer bewusstlos auf der Straße liegt, will keinen Datenschutz, er will schnellstmöglich die bestmögliche medizinische Behandlung. Mit einer Elektronischen Patientenakte, in der aktuelle Medikamente, Werte, Untersuchungen und Erkrankungen aufgeführt sind, kann der Notarzt deutlich sicherer behandeln als heute. Wenn Multiplikatoren eine Neuerung vorstellen und als Erstes über Dinge sprechen, die diese Ängste und Ablehnung weiter verstärken, werden Patienten schwerlich bereit sein, überhaupt etwas auszuprobieren. Dieses Ausprobieren, neugierig sein, sich einlassen ist essenziell, um Entwicklungen voranzutreiben. Geschichten müssen Menschen inspirieren, neugierig machen und ihnen die noch nie dagewesenen Möglichkeiten aufzeigen.