Vertrauensverlust: So beurteilen Patientengruppen Pharma
Die Reputation der Pharmaindustrie stieg während der Pandemie deutlich an, doch aktuelle Umfragen zeigen, dass dieses Hoch nachlässt. Besonders in Deutschland sind Vertrauen und Innovationskraft rückläufig, während die Kritik an Preisgestaltung und Zugang zu Medikamenten wächst. Kann die Pharmaindustrie trotz dieser Herausforderungen ihr Ansehen halten?
Die Reputation von Pharmafirmen ist in den letzten Jahren gestiegen. Dank der Pandemie und der damit verbundenen Entwicklung von lebensrettenden Impfstoffen konnten Pharmakonzerne bei der Bevölkerung in Bezug auf ihr Image punkten. Auch, weil die Menschen besser verstanden zu haben schienen, was Pharma eigentlich macht und wie Forschung und Entwicklung funktioniert. Doch die Pandemie ist vorbei und in vielen Bereichen ging man wieder zum „Business as usual“ über. Was bedeutet das für die Reputation von Pharmafirmen? Konnte diese das Hoch halten oder hat sich die Meinung der Menschen geändert?
Eine Untersuchung des US-Unternehmens PatientView, das u.a. Patientenorganisationen befragt, ergab, dass der pandemiebedingte Glanz der Pharmaindustrie aus der Pandemiezeit schwindet. Nach einem Anstieg des Ansehens der Branche stellte PatientView fest, dass Patientengruppen den Arzneimittelherstellern im vergangenen Jahr ablehnender gegenüberstanden, mit der Folge, dass das Ansehen der Pharmaindustrie auf den niedrigsten Stand seit 2020 fiel.
Die gute Nachricht für die Pharmaindustrie ist jedoch, dass ihr Ansehen grundsätzlich weiterhin auf einem hohen Niveau liegt. Dies geht aus der PatientView-Umfrage hervor, bei der die Ansichten von mehr als 2500 Patientengruppen erfasst wurden. Laut PatientView sind 57 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Branche einen guten oder ausgezeichneten Ruf genießt, jedoch gibt es weiterhin Kritik, insbesondere bei Themen wie Preisgestaltung und Zugang zu Medikamenten.
Vertrauensverlust in deutsche Pharmaindustrie und Politik
PatientView stellt auch eine Auswertung für Deutschland zur Verfügung, der Bericht basiert auf einer Umfrage, die zwischen November 2023 und Februar 2024 von 121 deutschen Patientenvertretungen beantwortet wurde. Diese Organisationen, die über eine Million Patient:innen verschiedenen Therapiebereichen unterstützen, waren vor allem in der Betreuung von seltenen Krankheiten aktiv.
Der Vertrauensverlust der Pharmaindustrie in Deutschland im Jahr 2023 spiegelt auch die wachsende Besorgnis der deutschen Bevölkerung über die allgemeine Gesundheitsversorgung im Land wider. In einer Umfrage des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung aus demselben Jahr zeigte auf, dass fast 60 Prozent der Befragten Zweifel an der Fähigkeit der Politik haben, eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Gesundheitsversorgung sicherzustellen – ein signifikanter Anstieg gegenüber 30 Prozent im Jahr 2020. Dieser zunehmende Pessimismus wird auch negative Auswirkungen auf die sich abzeichnende Krise im deutschen Gesundheitswesen und Arbeitsmarkt haben. In den kommenden drei Jahren werden schätzungsweise 5.000 bis 8.000 Hausarztpraxen schließen, hauptsächlich aufgrund der altersbedingten Pensionierung von Ärzt:innen.
Obwohl die Pharmaindustrie vermutlich weniger direkte Auswirkungen dieser Versorgungsprobleme erleben wird, dürften die zunehmende Digitalsierung der Medizin sowie die E-Health-Reformen in Deutschland zu erheblichen Veränderungen im Gesundheitswesen führen. Patient:innen und pflegende Angehörige könnten zunehmend auf die Pharmaindustrie angewiesen sein, um digitale Unterstützung zu erhalten, etwa in Form von hochwertigen Gesundheitsinformationen und einem effektiven Behandlungsmanagement.
Innovationskraft von Pharma auf den Abstieg
Ein weiterer interessanter Untersuchungspunkt war die Frage, wie gut oder schlecht die Pharmaindustrie im Hinblick auf spezifische Aspekte und Tätigkeiten im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 beurteilt wurde.
Die befragten deutschen Patientenvertretungen beurteilten die Innovationskraft der Pharmaindustrie als rückläufig. Nur 43 Prozent bewerteten die Innovationsfähigkeit der Pharmaunternehmen als „ausgezeichnet“ oder „gut“. Zudem deutet sich ein Wandel in den Beziehungen zwischen Pharmaunternehmen und Patientenvertretungen. Die Patientenvertretungen fordern eine stärkere Einbindung in verschiedene Bereiche der Arzneimittelentwicklung, insbesondere in Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus sehen sie in Sachen Preispolitik und Zugang zu Arzneimitteln Handlungsbedarf.
Fazit
Die Umfragen zeigen, dass die Reputation der Pharmaindustrie nach dem pandemiebedingten Hoch wieder abnimmt. Obwohl das Ansehen der Branche insgesamt auf einem hohen Niveau verbleibt, zeigen aktuelle Befragungen, dass die positiven Effekte der Pandemie auf das Image der Pharmaunternehmen nachlassen. Besonders in Deutschland spiegelt sich dies in einem Vertrauensverlust wider, der durch allgemeine Bedenken über die Gesundheitsversorgung verstärkt wird. Die Innovationskraft der Pharmaindustrie wird zunehmend kritisch bewertet, und es besteht wachsender Bedarf an einer stärkeren Einbindung der Patientenvertretungen in die Forschung und Entwicklung. Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Pharmaindustrie ein zentraler Akteur, hauptsächlich im Kontext der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens.