Omnichannel war bislang oft zu kostspielig. Doch dann kam KI. Und mit Künstlicher Intelligenz die Möglichkeit zur Effizienz und Personalisierung. Ralf Pfau von SPIRIT LINK lotet die derzeitigen Möglichkeiten und Fallstricke von KI für die Healthcare-Branche aus.
Je individueller die Health Care Professionals (HCPs) angesprochen werden, desto wirksamer ist die Rx-Kommunikation. Moderne Omnichannel-Strategien, die personalisierte Inhalte und Kanäle nutzen, sind in der Theorie effektiv, aber in der Praxis oft zu kostspielig. Künstliche Intelligenz (KI) könnte dieses Problem bereits heute mildern und möglicherweise in der Zukunft vollständig lösen.
Strategie und Recherche mit KI
Die Recherche für eine Kommunikationsstrategie beginnt natürlich mit der
Analyse des Burden of Disease und des
Standard of Care und zwar auf Basis der publizierten und praktizierten medizinischen Meinung. Hier kann KI bei der Recherche aktuell vor allem Geschwindigkeits- und somit Effizienzvorteile bringen.
ChatGPT ist für diese Aufgaben jedoch nicht die richtige KI, da die Datenbasis nicht medizinisch fokussiert ist und die fehlerhafte Referenzierung und Ungenauigkeit diese KI unbrauchbar machen.
Spezialisierte KI-Tools wie Perplexity und Evidencehunt helfen hier wiederum gut weiter, da diese Tools auf aktuelle Daten aus vertrauenswürdigen Quellen wie Deutsches Ärzteblatt, Oncopedia oder Krebsgesellschaft zugreifen und diese korrekt referenzieren. Evidencehunt hat sogar den öffentlichen PubMed-Katalog als Datenbasis, was die Qualität und Geschwindigkeit der Informationsbeschaffung erheblich verbessert und beschleunigt. Die Analyse der Mitbewerberkommunikation und natürlich der Haltungen und Meinungen in der Zielgruppe, sowie der Differenzierungsmöglichkeiten des Produktes sind aktuell noch überwiegend Handarbeit, da es auch hier keine direkt zugängliche Datenbasis gibt, auf deren Basis eine KI unterstützen könnte.
Der wichtigste Aspekt für eine Omnichannel-Kampagne in der Planung ist jedoch die
Segmentierung, also die Einteilung der Ärzte in Segmente nach Verordnungsmustern, Präferenzen oder vordefinierten Eigenschaften. Diese sind in CRM-Tools wie Salesforce prinzipiell vorhanden, müssen aber in mühsamer Kleinarbeit manuell segmentiert werden. Hier liegt wohl das grundlegendste Potenzial für Omnichannel-Kampagnen:
eine schnelle und teilautomatisierte Zielgruppensegmentierung durch das Marketing ohne IT-Qualifikation, vor allem wenn diese Segmente später in einer Kampagnen-Ausspielung auch wirklich adressiert werden können. Dieses Potenzial wird sich eröffnen, sobald unternehmensinterne KIs Zugriff auf CRM-Datenbestände erhalten oder CRM-Tools diese KIs direkt integrieren.
Claims, Kernbotschaften und Content mit KI
Bei der Erstellung von Claims, Kernbotschaften und Inhalten bietet KI vor allem Inspiration und Varianten, wenn sie durch menschliche Textkompetenz geführt wird.
Es braucht beispielsweise klar herausgearbeitete Kernaussagen für zielführende Prompts. Damit die Ergebnisse auch verwertbar und abwechslungsreich sind, müssen alle Schreibmechanismen wie Alliterationen, Metaphern, rhetorische Fragen etc. gezielt nacheinander abgefragt werden. Dieser Prozess kann mit Tools wie
Halerium automatisiert werden und man erhält mit menschlicher Bewertung und ein bisschen Anpassung einen Reigen an Vorschlägen zur Auswahl.
Die KI scheiterte aber wiederum an der inhaltlichen Genauigkeit und Relevanz, bei der Generierung von Kernaussagen und Textpassagen.
Bestehende Inhalte mit unterschiedlicher Tonalität und Struktur in homogene Texte umzuwandeln, die der Tonalität des Unternehmens entsprechen, bringt durchaus inspirierende Ergebnisse, aber keinesfalls welche, die direkt einsetzbar sind. Medizinische Fehler und falsche Tonalität bei sensiblen Indikationen erfordern eine Nachbearbeitung durch Redakteure. Die Zeitersparnis ist begrenzt.
Die gleiche Problematik gilt für die Generierung segmentspezifischer Texte. Hier kann ein inspirierender Vorschlag generiert werden, der aber von medizinischen Redakteuren umgeschrieben werden muss, um verwendbar zu sein.
Mit mehr Automatisierung wie Halerium und der Integration präziserer Datenquellen wie Evidencehunt wird hier in den nächsten Monaten eine deutliche Verbesserung möglich sein.
Das höchste Potenzial im Sinne einer Textautomatisierung bieten wahrscheinlich konzerninterne KIs, die auf Basis eines branchenspezifischen Datenbestands trainiert sind, und deren Modelle spezifisch auf die Kommunikationsstrategie des Unternehmens ausgerichtet sind.
Key Visuals und Moodbilder mit KI
Bei der Bildgenerierung stößt die Kreativbranche derzeit noch auf die gleichen Fallstricke wie bei der Textgenerierung.
Key Visuals und bildliche Markenwelten bedürfen immer noch der manuellen Bearbeitung, da die Genauigkeit des Bildmaterials entscheidend ist. Wenn OP-Bestecke wie Folterwerkzeuge und Stethoskope wie Halsketten aussehen, ist die Verwendbarkeit eingeschränkt. Zwar lassen sich diese Fehler oft durch regionale Korrekturen, reine Massengenerierung oder präzise Eingriffe mit Werkzeugen wie Stable Diffusion ausmerzen, aber Designer sind oft schneller und präziser. Für Moodboards, Prototypen und Ideen liefern die KIs lediglich eine Reihe von Vorschlägen. Eine individuelle Bildgenerierung, wie sie Netflix vormacht, sowie die Generierung von Organen oder MOAs ist für die Healthcare-Branche noch in weiter Ferne. Was schon bald hilfreich sein könnte, sind unternehmensspezifisch trainierte Bild-KIs, die Mood-Fotos von Ärzt:innen und Patient:innen generieren und diese auch nach Alter, ethnischer Zugehörigkeit und Stimmung variieren lassen.
Audio- und Videoproduktion mit KI
Eine effizientere Produktion kann vor allem bei der Sprachgenerierung und bei KOL-Interviews erreicht werden. Voice-over-Texte können heute mit Tools wie Elevenlabs in hoher Qualität automatisch generiert werden, was eine schnelle Nachbearbeitung oder Übersetzung in andere Sprachen ermöglicht. Interview-Schnitt-Tools wie Descript ermöglichen die automatische Transkription und Untertitelgenerierung und erlauben sogar textbasiertes Editieren, mit dem Füllwörter und falsche Aussagen einfach gelöscht, kleine Fehler schnell korrigiert und – wenn die KI mit dem Interviewten trainiert wurde – sogar neue Wörter zur Korrektur hinzugefügt werden können.
Komplette Interviews mit einem KI-geschulten Protagonisten sind ebenfalls möglich, haben aber bei genauer Betrachtung immer noch die leicht künstlichen Effekte. Zudem können eigentlich nur interne Protagonisten gewählt werden, da es eher unwahrscheinlich ist, dass ein KOL einem Pharmaunternehmen erlaubt, eine KI mit ihm zu trainieren. Bezüglich Omnichannel-Zielen wird hier die KI-Automatisierung von Voice-Over und Untertiteln die segmentspezifische Ansprache und auch die Regionalisierung beflügeln.
Regionalisierung und Formatvarianten mit KI
Einige große KI-Anbieter wie Varycon versuchen derzeit eine KI-basierte Automatisierung bis hin zur Ausspielung in die unterschiedlichsten Formate zu entwickeln. Aber hier ist zu berücksichtigen, dass die Ausspielung im Healthcare-Bereich ganz anderen Herausforderungen unterliegt, als in der klassischen B2B- oder B2C-Kommunikation. B2C und B2B können an Social-Media-Plattformen andocken und haben mit Anbietern wie HubSpot oder Ansätzen wie Programmatic Advertising schon länger die Möglichkeit eine format- und kanalübergreifende Ausspielung zu nutzen, die durch KI einen weiteren Schub erhalten wird.
Im Healthcare-Bereich, wo es keine durchgängigen Schnittstellen zu Ärzte-Communities, Verlagen, Kongressen oder Ärztekammern gibt, ist eine automatisierte Ausspielung auch mit KI nicht möglich.
Potenziale liegen in der Generierung von Segment- und Formatvarianten. Mit KI-unterstützten Tools wie Canva und zukünftig sicherlich auch mit Pharma-Tools wie Veeva, ShamanGo oder Viseven werden einfache automatisierte Segment- und Formatanpassungen möglich sein. Im heutigen Rx-Agenturalltag ist bereits eine leichte Unterstützung bei diesen Anpassungen möglich. Meist muss aber nachkorrigiert werden, daher ist der Weg über Photoshop derzeit noch am effizientesten.
Zusammenfassung
KI wird Omnichannel-Kampagnen auf jeden Fall beflügeln und die bisher aufwändige Umsetzungsmöglichkeit für einzelne Segmente kostengünstiger und somit realisierbar machen.
Allerdings ist in diesem Prozess gerade im Gesundheitsbereich noch keine Automatisierung in Sicht, sondern lediglich eine qualitative, zeitliche oder budgetäre Unterstützung. KI bringt uns einen halben Schritt näher zu einer effizienteren und individuelleren Kommunikation – vielleicht kann in einem Jahr schon der ganze Schritt getan werden kann.
Über den Autoren
Ralf Pfau ist Creative Director bei Spirit Link und entwickelt seit 20 Jahren Kampagnen, Ideen und Kommunikation für die Healthcare Branche. Seit 2 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der KI-Landschaft und erforscht sämtliche Möglichkeiten, wie KI ihn und seine Kunden unterstützen kann.