So gewinnen Pharmafirmen Patient:innen künftig für sich
Künstliche Intelligenz und Big Data ebnen den Weg hin zu einer immer stärker personalisierten Medizin. Die Arzt-Patient-Beziehung wird immer mehr zu einer auf Augenhöhe, weil Patient:innen immer stärker eingebunden werden. Das hat für alle Akteure in dem Szenario Folgen. So ändert sich für die Patient:innen sich die Art und Weise, wie sie mit Anbietern von Gesundheitsleistungen umgehen, egal ob es sich um Leistungserbringer oder Unternehmen wie Medizingerätehersteller oder Pharmafirmen handelt. Pharmaunternehmen hingehen müssen sich fragen, mit welchen Patient:innen sie es in Zukunft zu tun haben.
Einen kleinen Ausblick will das Beratungsunternehmen Roland Berger geben. Die Firma hat Befragungen durchgeführt, auf deren Basis sie Empfehlungen u.a. für die Pharmabranche zusammengestellt hat, damit diese sich auch künftig erfolgreich in einem sich wandelnden Markt bestehen kann. An der Umfrage nahmen fest 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 19 Ländern teil.
Die Welt der Gesundheitsversorgung ändert sich gerade rasant: Digitale Lösungen finden immer mehr Eingang in den Alltag der Menschen und helfen ihnen, ihre Gesundheit zu erhalten und unterstützen bei der Behandlung von Krankheiten. So verändern z.B. Apps die Art, wie wir medizinische Daten sammeln, Ein Ergebnis der Erhebung ist, dass sich die Gruppe der Patient:innen in drei Archetypen einteilen lässt. Diese weisen deutliche Unterschiede in ihren Merkmalen, Eigenschaften, Erwartungen und Einstellungen zu medizinischen Innovationen und Trends in der Gesundheitsbranche auf.
„Wir konnten durch die internationale Befragung drei grundsätzliche Archetypen bestimmen, die unterschiedlich mit Innovationen im Gesundheitswesen umgehen: Die Überzeugten, die Interessierten, die Skeptischen. Hier gibt es starke länderspezifische Unterschiede“, kommentiert Thilo Kaltenbach, Partner bei Roland Berger, die Ergebnisse. Er fährt fort: „In Deutschland gibt es relativ wenige Überzeugte, aber viele Interessierte – was ein gutes Signal ist. Allerdings ist gerade die Gruppe der weniger gesunden und älteren Menschen eher skeptisch. Das stellt alle Akteure im Gesundheitswesen vor gewisse Herausforderung bei der Aktivierung.“ Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Gesundheitsdienstleister:innen – und hier liegen vor allem Ärzt:innen und Apotheker:innen ganz vorne – durch die Digitalisierung an Wichtigkeit nichts einbüßen. Das Gegenteil ist der Fall, sie werden immer wichtiger. Denn, davon ist Thilo Kaltenbach überzeugt, diese Gruppe wird sich mithilfe digital unterstützter Prozesse mehr zu Patient:innen hinwenden und diese in der Folge noch sicherer diagnostizieren und mit besserem Erfolg behandeln können. „Diese Gruppe wird dringend als Vermittler zwischen Mensch und Technologie benötigt und genießt diesbezüglich ein sehr hohes Vertrauen“, so seine Prognose. Es sind also weiterhin die Ärzt:innen, die immer noch das größte Vertrauen der Patienten genießen und als Ratgeber in Sachen Gesundheit ganz weit oben rangieren. Gleichzeitig werden Patient:innen immer autonomer und übernehmen mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit. Was bedeutet das für die Pharmaunternehmen? Wie können sie beide Gruppen effektiv ansprechen, um diese von ihren Angeboten zu überzeugen? Für Thilo Kaltenbach geht das nur über passende Applikationen, die durch ihre hohe Nutzerfreundlichkeit bestechen, einen echten Mehrwert schaffen und in die bestehenden Arbeitsprozesse integrierbar sind. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass sich diese bestehenden Arbeitsprozesse durch die Einführung der digitalen Medizin in der Zukunft noch verändern, so der Experte. "Somit ist das ein iterativer Prozess, der auch durch die nationalen E-Health Strategien der verschiedenen Länder mitbestimmt werden wird. Diese gilt es zu beobachten." Seiner Meinung nach können sich Pharmafirmen am besten durch eine duale Strategie positionieren: Einerseits sollten sie Ärzt:innen und andere Gesundheitsdienstleister:innen mit digitalen Lösungen ins Boot holen und als Advokaten für Innovation nutzen. Andererseits sei es sinnvoll, in Abhängigkeit von dem Therapiegebiet auch die Patient:innen mit digitalen Lösungen direkt anzusprechen. „Hier sind häufig Kooperationen mit Medizintechnik-Firmen oder IT-Dienstleistern, z.B. beim Management von chronischen Krankheiten wie Diabetes, hilfreich“, rät Thilo Kaltenbach.