Thilo Kölzer, antwerpes: „Künftig muss niemand mehr selbst prompten“
Thilo Kölzer: Wir arbeiten schon seit 18 Monaten mit KI-Tools wie ChatGPT und Midjouney, und nach einer experimentellen „Sturm & Drang-Phase“ haben sich bei uns sechs Bereiche im Marketing herauskristallisiert, bei denen der Einsatz von KI tatsächlich Mehrwerte generiert: 1. Analyse, hier zum Beispiel Blickverlaufs- oder Zielgruppenanalysen, 2. Strategieentwicklung, 3. Ideation, 4. Content Creation, 5. Media und 6. CustomGPTs & Assistenten. Bei der Ideenentwicklung ist die KI sehr gut dazu geeignet, das „weiße Blatt Papier“ zu bekämpfen, sprich erste Impulse und Ideen zu liefern, die noch nicht gut oder perfekt sein müssen, aber den ersten Anstoß für die eigene Denkleistung geben können. Bei der Content Creation hat uns die KI bislang am meisten geholfen und zu Effizienzsteigerungen von bis zu 40% geführt. Ob bei der Bildgenerierung für eine Kampagne oder bei der Erstellung von Website-Texten, die Einsatzmöglichkeiten sind nicht nur vielfältig, sondern auch „alltagstauglich“. Wichtig ist natürlich bei alldem, dass wir die mit KI erzielten Ergebnisse prüfen, falls nötig korrigieren und korrekt referenzieren. Hierbei ist gut erkennbar, wie Mensch und KI „Hand in Hand“ arbeiten können.
Keine Woche ohne KI-Neuerungen – kürzlich erst hat OpenAI sein neues Modell ChatGPT 4o vorgestellt. Passend dazu lud im Mai die Kölner Agentur antwerpes zur "Night of the Prompts" ein. Geboten wurden geballte Fachinformationen und praktisches Wissen, das die Teilnehmenden in Vorträgen und in Workshops rund um die Themen ChatGPT und Midjourney auf den neuesten Stand brachte. Für Thilo Kölzer, langjähriger Agentur-Chef, zählt Künstliche Intelligenz inzwischen längst zum festen Repertoire seiner Arbeit.
Health Relations: KI ist inzwischen fester Bestandteil im Healthcare-Marketing und damit Ihrer Agenturarbeit geworden. Auf welchem Gebiet liefert KI für Sie den größten Nutzen? "Bei der Ideenentwicklung ist die KI sehr gut dazu geeignet, das „weiße Blatt Papier“ zu bekämpfen, sprich erste Impulse und Ideen zu liefen."Health Relations: Kampagnenideen können schneller und kostengünstiger visualisiert werden. Führt das dazu, dass Abstimmungsabläufe effizienter werden? Oder wird einfach mehr produziert und es muss mehr entschieden werden?Thilo Kölzer: Ja, es wird sicherlich mehr produziert, aber eben auch mehr schlechte Qualität. Die Herausforderung besteht darin, und sie wird meines Erachtens immer größer, „die guten (Ideen) ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen“ zu sortieren. Sprich, der qualitative Auswahlprozess gestaltet sich umfangreicher, als man das ohne KI gewohnt ist. Dennoch wird man am Ende schneller sein als ohne KI, wenn denn mindestens eine gute Idee ermittelt wurde. Health Relations: KI wird immer mehr zum Assistenten im Healthcare-Marketing. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von „Beyond Prompting“. Können Sie bitte erklären, was damit gemeint ist? Thilo Kölzer: Mit „Beyond Prompting“ meinen wir vorkonfigurierte KI-Assistenzsysteme, die bei ganz bestimmten und sehr eng gefassten Aufgaben zum Einsatz kommen. „Vorkonfiguriert“ bedeutet in dem Fall, dass ich nicht mehr selber prompten muss, sondern dass die relevanten Prompts bereits einmal voreingestellt wurden (sog. „Instructions“). Ein Beispiel: Ich teile der KI mit, dass ich ein bestimmtes Bildmotiv haben möchte für meinen nächsten LinkedIn-Post. Dieses Bild entspricht im Look-and-Feel direkt meiner Brand Guideline, die bereits voreingestellt wurde, d.h. die KI enthält alle Regeln und Anweisungen der Brand Guideline und berücksichtigt diese von Anfang an. Eine immense Vereinfachung, weil gleich mehrere manuelle Arbeitsschritte übersprungen werden können. Wie gut ein solches System ist, hängt davon ab, wie gut es vom Menschen konfiguriert wurde. Health Relations: Sind als solche "KI-Helferlein“ Custom GPTs, wie sie bei ChatGPT zu finden sind, geeignet? Oder sind unternehmensindividuelle Lösungen besser?Thilo Kölzer:Die unternehmensindividuellen Lösungen sind meist besser, da sie eben genau und sehr eng auf die Bedürfnisse eines Unternehmens oder einer Marke abgestimmt sind. Jedoch ist es sehr sinnvoll, die eigenen Daten mit der ChatGPT-Datenbank zu ergänzen und zu veredeln. So gehen wir üblicherweise an derartige Aufgaben ran. Health Relations: Können Sie ein Beispiel nennen, wo ein teilautomatisiertes KI-System zu einer konkreten Verbesserung geführt hat?Thilo Kölzer:Wir haben ein CustomGPT namens „antwerpes Healthcare Briefing Benchmarker“ erstellt. Dieser KI-Assistent enthält unsere Erfahrungswerte in Bezug auf die Erstellung guter Marketing-Briefings, sodass es damit leichter fällt, gute Briefings zu erstellen und nichts zu vergessen, was ein gutes Briefing ausmacht. Damit können wir gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Briefing-Qualität verbessert sich, es sind weniger Rückfragen nötig und wir können schneller mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Health Relations: antwerpes hat kürzlich einen Avatar eines KOLs entwickelt, mit dem KI-generierte Videos erstellt werden können, ohne dass der „echte“ Key Opinion Leader vor die Kamera treten muss. Wie hat die Zielgruppe darauf reagiert? Gab es Fragen zur Authentizität und Glaubwürdigkeit dieses Avatars?Thilo Kölzer:Nein, es gab solche Fragen nicht, denn dieser Avatar ist ein digitaler Zwilling eines echten KOLs, eines echten Menschen. Er sieht genauso aus, er spricht mit der Original-Stimme und die besprochenen Inhalte wurden vom echten Menschen erstellt. Von daher ist das Ganze authentisch und auch glaubwürdig. Wir haben lediglich die Produktion deutlich vereinfacht und beschleunigt.
"Wenn jemand kriminelle Energie hat, sind mit der KI weitere Möglichkeiten hinzugekommen, diese auszuleben. Videos und Bilder sind und waren manipulierbar – auch ohne KI."Health Relations: Ob beim Einsatz von KI-Assistenten, der Entwicklung von Video-Avataren oder der Generierung von KI-Bildern, welche Verantwortung haben Agenturen ihren Stakeholdern gegenüber?Thilo Kölzer:Ich sage es mal so: Wenn jemand kriminelle Energie hat, sind mit der KI weitere Möglichkeiten hinzugekommen, diese auch auszuleben. Man muss jedoch auch feststellen, dass Videos und Bilder manipulierbar sind und waren – auch ohne KI. Von daher hat sich an der Verantwortung nicht viel geändert: nicht zu manipulieren, sachlich korrekt zu sein, alle Inhalte auf Plausibilität zu prüfen und Rechte nicht zu verletzen. Health Relations: Wie könnte die praktische Umsetzung dieser Verantwortung aussehen? Braucht jede Agentur künftig einen „Faktenchecker“, der wissenschaftliche Fundierung, Urheberrechte, Qualität und Datenschutz kontrolliert?Thilo Kölzer:Ja, ich denke, eine solche Position ergibt Sinn und wird auch kommen – vielleicht aber auch in Form einer KI. Die Menschen, die diese Position ausfüllen, sind schon da, nur erstellen die momentan noch die Inhalte selber. Die Art der Arbeit wird sich verändern: Vom „selbst machen“ hin zum „kontrollieren, checken, modifizieren, korrigieren, freigeben“. Health Relations: Zum Schluss: Gibt es Healthcare-Marketing-Aufgaben, für die KI völlig ungeeignet ist?Thilo Kölzer: Ja! Bei der Erstellung von Therapieempfehlungen, Patientenprogrammen und medizinischen Ratschlägen würde ich keiner KI vertrauen – vor allem nicht, wenn es um ernsthafte Erkrankungen geht.