Das dänische Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Caliber hat sich das Pharmaimage angeschaut und untersucht, welche Folgen COVID-19 darauf hat – mit interessanten Ergebnissen, wie Caliber-CEO Shahar Silbershatz im Gespräch mit Health Relations berichtet.
Die Pharmaindustrie hat es mit der Außenwirkung traditionell schwer. In den letzten Jahren ist es der Branche jedoch gelungen, ihr Image zu verbessern. Doch welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf ihre Reputation? Die Studie von Caliber hat sich u.a. dieses Themas angenommen. Das Unternehmen erstellt mithilfe seiner Analyse-Plattform Online-Umfragen und wertet diese für seine Kunden aus. Die Plattform befragt täglich automatisch tausende von Menschen in mehreren Ländern über online verteilte Fragebögen.
Eine Erkenntnis der aktuellen lautet: "Die Reputation von Pharma ist nicht so schlecht, wie gedacht", sagt Shahar Silbershatz, CEO von Caliber. Allerdings habe man ein
Vermittlungsproblem. Pharma gelinge es nicht, den Menschen klarzumachen, wie relevant die Branche für das Leben der Menschen sei, so der CEO. Außerdem gebe es Defizite bei der Vermittlung der eigenen Identität an die Zielgruppe. Bei einer Branche, die so nah am Leben und der Gesundheit der Menschen ist, solle das eigentlich anders sein.
Pharma tut nicht genug für die Imagepflege
Hinzu kommt, dass Corona am Ansehen der Branche eigentlich nichts geändert hat. Also wie kommt es, dass der Pharmaindustrie die Imagepflege so schwerfällt? Die Gründe sind vielfältig, so der Caliber-CEO: Der Gesundheitssektor ist stark
reglementiert – auch was die Kommunikation und das Marketing betrifft. Das erschwert es den Firmen, sich so darzustellen, wie sie es vielleicht gerne würden. Darüber hinaus sind in den Gesundheitsbereich viele
unterschiedliche Gruppen involviert: von Patientenvertretern über Krankenkassen, Leistungserbringen, Politikern bis hin zu Rechtsvertretern. Und nicht zuletzt ist das Thema emotional besetzt, was zur Folge hat, dass Menschen schnell ein
nicht immer objektives Urteil fällen.
Darüber hinaus diskutieren laut Shahar Silbershatz immer mehr Verbraucher und Patienten Themen wie die
Nachhaltigkeit der Branche oder den
Zugang zu erschwinglicher Medizin. Immer mehr Menschen erwarten, dass sich Firmen in
ethischen Fragen positionieren und Haltung zeigen. Ein weiteres Problem sieht der Caliber-Chef darin, dass die Öffentlichkeit häufig wenig über die Arbeit der Pharmaunternehmen weiß, etwa wie die Entwicklung neuer Medikamente abläuft und auf welcher Basis die
Preisfindung zustande kommt. „Diese Probleme gibt es schon länger, aber bisher haben die Pharmafirmen nicht genug getan, um dem entgegenzuwirken.“
Gratwanderung zwischen Heilsbringern und Bösewichten
Nun ist auch noch Corona ins Bild gekommen. Pharmafirmen haben wohl noch nie so im Fokus der Öffentlichkeit gestanden wie heute. Mit potenziell positiven Folgen: Die
Entwicklung des Impfstoffs birgt eine einmalige Chance, das eigene Image zu verbessern und von einer breiten Masse wahrgenommen zu werden. BioNTech etwa wurde vom „Pharma-Nobody“ zum neuen Superstar, der in aller Munde ist. Andere, bereits bekanntere Firmen wie Pfizer, AstraZeneca und Co, werden ständig mit positiven Meldungen zur Impfstoffentwicklung in der Presse erwähnt. Für die Unternehmen bietet sich damit eine
riesige Plattform, um ihre Werte zu demonstrieren und aufzuzeigen, wie wichtig sie für die Gesundheit der Menschen sind, so die Studie.
Doch in der Chance steckt auch ein Risiko: "Die Erwartungen der Menschen sind aktuell sehr hoch. Das Problem ist, dass diese häufig unrealistisch sind. Werden Sie enttäuscht, könnte das zu Imageverlusten für die Pharmabranche führen", warnt Shahar Silbershatz. Für Pharmafirmen gelte es nun, sich verstärkt um eine Kommunikation zu bemühen, die klar aufzeigt, was die Industrie zu leisten imstande ist und wo die Grenzen liegen.
Sollte die Branche diese Herausforderungen meistern, könnte die Pandemie nach Meinung von Shahar Silbershatz dazu beitragen, den Markt zu
konsolidieren. "Es gibt sehr viele Akteure im Gesundheitsmarkt. Ich halte es für möglich, dass das Ganze zu mehr gutem Willen für eine sinnvolle Zusammenarbeit führen wird." Nichtsdestotrotz bleibt die Notwendigkeit für die Pharmaindustrie bestehen, sich mit bestehenden Problemen zu befassen und diese auf eine neue Art zu kommunizieren.