In manchen Healthcare-Bereichen lohnt sich der Einsatz neuer Technologien. Gespräch über die Zukunft von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) mit Jan Schlüter.
Jan Schlüter ist COO und Co-Founder von
Hashplay Inc., einer US-amerikanischen Technologie- und Software-Firma, die sich auf die Entwicklung von VR- und AR-Software spezialisiert hat. In den nächsten Monaten wird in Hamburg mit
Awesome Reality eine B2B-Full-Service Agentur und 100-prozentige Tochter von Hashplay eingeweiht.
Health Relations: Herr Schlüter, welche Leistungen bietet Awesome Reality in Deutschland an?Virtual Reality (VR) ist die Schaffung einer computergenerierten Welt, in der man sich virtuell bewegen kann. Um VR als Nutzer erleben zu können, braucht man eine VR-Brille und spezialisierte Software. Jan Schlüter: Der Hintergrund, warum wir Awesome Reality nach Deutschland holen werden, ist der, dass wir mit unserer US-Tochter Hashplay eine reine Software- und Tech-Company sind.
In den letzten zwei Jahren haben wir aber gemerkt, dass sehr viel Beratungsaufwand nötig ist – Evangelismus möchte ich fast sagen –, um Unternehmen, die mit VR und AR noch nicht in Berührung gekommen sind, mit dem Thema vertraut zu machen. Wir beraten mit Awesome Reality also Kunden, wenn es um die Vorbereitung von AR- oder VR-Produktionen geht. Für die technische Umsetzung ist unsere Tech-Firma Hashplay zuständig.
So kann VR im Kliniksegment eingesetzt werden: Das US-amerikanische Unternehmen appliedVR entwickelt für Patienten des Cedars-Sinai Klinikums in Los Angeles VR-Inhalte für die Schmerz- und Angsttherapie.Health Relations: Was neue IT-Technologie angeht, ist die USA Europa in der Regel einen Schritt voraus. Wie entwickelt sich der Virtual-Reality-Markt in den USA? Wird ein VR-Beratungsunternehmen wie Awesome Reality dort überhaupt noch benötigt?Augmented Reality (AR) bezeichnet eine computergestützte Darstellung, welche die reale Welt um virtuelle Aspekte erweitert. Jan Schlüter: Ja, Beratung wird auch in den USA benötigt. Was Virtual Reality angeht, ist man dort vielleicht ein Jahr weiter als hier, aber im Grunde genommen ist es da ähnlich. Deshalb wird es dort in der Zukunft eine ähnliche Spezial-Agentur wie Awesome Reality geben.
Health Relations: Boehringer Ingelheim ist deutschlandweit das erste Pharmaunternehmen, dass Virtual Reality im Personalmarketing einsetzt. Als Nutzer kann man durch den Körper von Tier und Mensch reisen und bei der interaktiven Reise Medikamente testen. Boehringer Ingelheim bietet diese VR-Reise unter anderem auf Messen an. Ein anderer B2B-Bereich, wo VR eingesetzt wird, sind Trainingszwecke. Sind es vor allem diese beiden Bereiche, für die sich der Einsatz von VR im Healthcare-Segment derzeit eignet? Boehringer Ingelheim setzt die VR-Technologie auf Messen ein. © Abbildung: Boehringer Ingelheim
Jan Schlüter:Es ist tatsächlich so, dass sich gerade der Messebereich dafür eignet, virtuelle Infrastrukturen aufzubauen. Und natürlich sind solche Unternehmen, die auf Messen präsentieren, dafür prädestiniert, via VR emotionale Erlebnisse zu ermöglichen. Dadurch müssen weniger Ausstellungstücke mitgenommen werden, und es können Quadratmeter gespart werden. Die Nutzung von VR auf Messen ist ein Riesenmarkt, und der wird auch immer größer werden.
Health Relations: Gesetzt den Fall, einUnternehmen der Medizintechnik will Virtual Reality nutzen: Es soll zum Beispiel ein Implantat mittels VR dargestellt werden, um es auf einer Messe präsentieren zu können. Welche Kosten muss man kalkulieren?Jan Schlüter: Da liegen wir bei 10.000 Euro und darunter, wenn das so einfache Modelle sind, die dann vielleicht als CAD schon vorhanden sind. Dann kommt das Rendering eventuell noch dazu. Um das fotorealistisch aussehen zu lassen, muss noch eine kleine Umgebung geschaffen werden. Für ein solches Produkt ist 10.000 Euro realistisch. Es kommt aber auf den Einzelfall an, der individuell betrachtet und kalkuliert werden muss. Was wird der Rezipient sehen, was ist die Story dahinter? Danach richtet sich auch der Preis.
Health Relations: Sie haben in Ihrem Unternehmensportfolio auch Augmented-Reality-Anwendungen – in welchen Bereichen von Healthcare könnte AR eingesetzt werden?Jan Schlüter: Um Phobien zu bekämpfen, eignet sich AR sehr gut. Hier kann man sich in eine Echtzeit-Umgebung Spinnen oder Tiere hineinprojizieren und darauf reagieren. Dabei werden die Daten des Nutzers gesammelt.
Das Reporting und die Datenanalyse sind bei VR und AR sehr wichtig und geben spannende Aufschlüsse darüber, was der Proband sieht. Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich ein großes Krankenhaus vor, da ist auch viel Wartung notwendig. Hier kann AR bei der technischen Instandhaltung Kosten und Aufwand reduzieren.
Die ebenfalls auf AR und VR spezialisierte Münchner GmbH RE'FLECT zeigt in diesem Beispielvideo, wie AR bei der technischen Fehlerfindung angewendet werden kann.Health Relations: Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren Investitionen in den VR-Markt stark zunehmen. Was ist Ihre Prognose – welcher Bereich bei Virtual Reality wird zukünftig gewinnen?Jan Schlüter: Man sagt, VR und AR sind Märkte, aber eigentlich sind es Medien, um in bestehenden Märkten Hilfestellung zu leisten.
Wenn man genau hinschaut, wird mit VR und AR Umsatz in anderen bestehenden Märkten erzielt. Deshalb geht es nicht darum, wie der VR-Markt steigt, sondern inwieweit Unternehmen den Einsatz von VR und AR budgetieren, um für ihre Kernbereiche Kosten einzusparen oder Einnahmen zu steigern.Die Apothekenkooperation easyApotheke in Düsseldorf setzt VR im Außendienst ein. Vertriebler nehmen das Konzept von easyApotheke mit zu ihren Kunden und machen es virtuell erlebbar.
Ich glaube, dass sich die Erwartungshaltung im Bereich Consumer-Markt etwas reduzieren wird. Dass es vielleicht ein bis zwei Jahre dauert, bis der Markt dort endlich angekommen ist. In den letzten zwei Jahren wurde der Markt insgesamt sehr stark gehypt, und jetzt befinden wir uns in einer Phase, in der der Hype so ein bisschen vorbei ist. Die ersten Firmen haben sich verzockt, vor allem, weil sie auf das B2C-Pferd gesetzt haben.
Den Firmen, die sich auf B2B und Mobile spezialisiert haben, geht es besser. Sie müssen sich vorstellen, es gibt circa 400.000 stationäre VR-Brillen, wie zum Beispiel Oculus oder HTC, da kann man noch nicht von einer weltweiten Reichweite sprechen, aber es gibt ungefähr eine Milliarde Smartphones, die VR-kompatibel sind, und wenn man darauf gesetzt hat, dann hat man mehr Möglichkeiten, das Thema auch in der Industrie einzusetzen.
Ich glaube, dass der magische Punkt für die Brillen unter 300 Dollar sein wird. Wenn Geräte wie HTC oder Oculus die 300-Dollar-Marke signifikant unterschreiten, und wenn sie den ganzen Kabelsalat, der supernervig ist, entfernen, dann wird der B2C-Markt durch die Decke gehen.
Jan Schlüter ©privat
Jan Schlüter war bis 2015 Chief Sales Officer bei dem YouTube-Netzwerk Mediakraft, ehe er die US-amerikanische Technologie- und Software-Firma Hashplay Inc. mitbegründete. Bei Awesome Reality wird er Geschäftsführer. Beitragsbild: © istock.com/tixti