War das OMR Festival mehr Party als Konferenz? Vielleicht. Trotzdem kann die Pharmabranche sich hier einiges abgucken, sagt Tobias Wagner, Director of Business Development WEFRA LIFE. Über die neue Ausrichtung von Präsenzveranstaltungen und warum es am Ende auch um Begeisterung geht.
In diesem Artikel lesen Sie:
- Facts zum OMR Festival 2022,
- warum Präsenzveranstaltungen im Marketing und der Kommunikation auch nach Corona kein Selbstläufer zu sein scheinen,
- welche Funktionen Präsenz- und Digitalveranstaltungen in Zukunft übernehmen werden,
- warum Entertainment auch Pharmaveranstaltungen nicht schaden muss,
- warum Glamour auch bei Veranstaltungen für Fachgruppen wichtig sein kann.
"Wir freuen uns schon auf Euch und versprechen, das heftigste OMR Festival abzuliefern, das Ihr je gesehen habt." So kündigten die Online Marketing Rockstars (OMR) -Macher:innen ihr
Festival 2022 auf ihrer Homepage an. In Zahlen übersetzt heißt das:
70.000 Besucher:innen, mehr als 800 Speaker:innen, über 1.000 Partner und Aussteller, 250 Masterclasses. Auf insgesamt 200.000 Quadratmeter Fläche (Außen- und Innenfläche) tummelten sich die Stars und Sternchen der digitalen Marketingszene.
Quentin Tarantino und Ashton Kutcher verpassten dem ganzen Hollywood-Glamour. "Das OMR Festival 2022 war ein Brett", rekapitulierten die Macher:innen in ihrem Newsletter.
Das OMR Festival 2022
Die
#OMR22, das jährliche Festival für das digitale Universum, fand am 17./18. Mai auf dem Hamburger Messegelände statt. Über 500 Aussteller präsentierten sich auf der Expo, die OMR Conference holte internationale Stars aus dem Digital-Business und Künstler:innen wie Marteria auf die Bühne. Auf drei Expo Stages gaben Expert:innen Insights in ihre Business-Strategien. Zahlreiche Events wie Netzwerkveranstaltungen, Guided Tours über das Gelände, Konzerte, Talks und Live-Podcastaufzeichnungen flankierten das Programm.
Ob dieses Brett mehr Hype und Party als relevanter Inhalt war, wie beispielsweise
Marc Raschke auf Linkedin und Twitter schrieb, sei dahingestellt.
Tatsache ist, dass es den Veranstaltern gelungen ist,
nach zwei Jahren Corona-Pause eine Präsenzveranstaltung auf die Beine zu stellen, die Tausende Marketers und kommunikative Fachkräfte nach Hamburg lockte und – glaubt man den unzähligen Tweets und Posts auf Twitter und LinkedIn – begeisterte. Zugegeben, die Event-Durststrecke hat bei der Zielgruppe einen Need erzeugt. Man kann davon ausgehen, dass viele der Teilnehmer:innen mit der Aussicht auf Konzerte und Drinks schon in Hochstimmung angereist waren. Dennoch: In Zeiten, in denen digitale Veranstaltungen gelernt sind, sind
Pharmabranchen könnten sich vom OMR festival etwas abgucken, sagt Tobias Wagner, Director of Business Development WEFRA LIFE. © WEFRA
Zahlen wie diese ein klares Statement.
Zudem der Vergleich mit dem
fast zeitgleich stattfindenden ADC-Festival 2022(Hamburg, 17.-20.05.) ein Indiz dafür ist, dass Präsenzveranstaltungen auch nach Corona nicht immer ein Selbstläufer sein müssen. Das Festival für die Kreativbranche sei laut Agenturchef Raphael Brinkert (Gastbeitrag für
W&V) eher mau gewesen. Die #OMR-Gang um Founder
Philipp Westermeyer hat anscheinend abgeliefert. Kann speziell die Pharmabranche etwas von ihr lernen?
Durchaus, sagt Tobias Wagner, Director of Business Development WEFRA LIFE. Aber was?
Präsenz- und Digitalveranstaltungen haben beide ihre Berechtigung – und spezifischen Funktionen
Die gut gemachte Präsenzveranstaltung kann immer noch als
Leuchtturm in der Branche fungieren und den
Wert einer Pharmamarke untermauern . "Die Ergebnisse von Umfragen in der Ärzteschaft belegen dies, der Austausch unter Kollegen findet in Präsenzveranstaltung statt und ist somit immer noch der Goldstandard", sagt Tobias Wagner, Director of Business Development WEFRA LIFE. "Neben dem kollegialen Austausch und einem Netzwerkaspekt bieten Präsenzveranstaltung auch den vertrauensvollen Rahmen für Gespräch mit der Industrie, u.a. den wissenschaftlichen Mitarbeitern:innen und dem Außendienst der Industrie." Die virtuelle Wissensvermittlung, zum Beispiel Fortbildungsveranstaltungen, sei aber durch die Jahre der Pandemie geübt und werde in Zukunft ein fester Bestandteil der Ärzt:innen bleiben. „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass beide Optionen angeboten werden.“
Die Präsenzveranstaltung mit Festivalcharakter: Geht das auch in der Pharmabranche?
Digitale Formate verlaufen oftmals fokussierter, sie bieten sich für Fortbildungen an, findet auch Jens Lönneker, Inhaber und Gründer von Lönneker & Imdahl, Rheingold Salon (wir
berichteten). Präsenzveranstaltungen, so scheint es, werden in Zukunft verstärkt die Begegnung, die Vernetzung feiern. Sie werden
das gewisse Etwas liefern müssen. Der OMR-Event nennt sich nicht umsonst Festival.
US-Regisseur Quentin Tarantino brachte Hollywood Glamour auf die Conference Stage in Halle B7 der Hamburger Messe. © OMR/ Alexander Woeckener
Neben fachlichen Inhalten ging es auch 2022 um Entertainment. Angesagte Musik-Acts unterhielten das Publikum und gen Nachmittag waren als schräge Vögel verkleidete Mitarbeiter:innen in der Halle unterwegs, die, wenn der Gast sie ansprach, ihm oder ihr den Weg zu einer Hidden Bar wiesen.
Nette Spielereien, die im Kopf bleiben. Aber funktioniert das auch in der Pharmabranche? „Ärzt:innen sind am Ende auch Konsument:innen, die außerhalb ihres Arbeitsumfeldes Neue Medien konsumieren“, so Tobias Wagner. „Deshalb spricht aus unserer Sicht nichts gegen ein Entertainmentangebot, jedoch sollte dies sorgfältig ausgewählt und dem Rahmen und der Zielgruppe des Events angepasst sein.“ Gerade die OMR hätte sich zu einem Lifestyle-Event entwickelt. Mit Stars wie dem Regisseur und Storyteller Quentin Tarantino hätte das OMR mehr einen Festivalcharakter als den einer Fachpublikumsmesse. „Die Pharmabranche könnte daraus für sich lernen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und auch
sektorenübergreifend Besucher:innen zu inspirieren.“
Glamour gibt es auch in der Pharmabranche
Die gut kuratierte
Gästeliste spielt auch im Pharmamarketing eine wichtige Rolle. „
Glamfaktor im gesundheitswissenschaftlichen Kontext sind große Wissenschaftler:innen, Vorsitzende der Berufsverbände oder der STIKO angehörige Mitarbeiter. Der Fokus sollte auf Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen und Akteur:innen im Gesundheitswesen gelegt werden", empfiehlt Tobias Wagner. "Ob wissenschaftliche Beiträge, Patientenbiografien oder beispielsweise Vorträge zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der Diagnostik, eines sollte alle Expert:innen verbinden: Sie sollten die Gesundheit und Gesunderhaltung erleb- und greifbar machen." Themen, die eine gesellschaftliche Relevanz hätten und Raum für kontroverse Diskussionen bieten würden, würden sich als Aufhänger anbieten. Die Abschaffung des Paragraf 249a aus dem StGB zum Beispiel. "Die pharmazeutische Industrie hat im Gesundheitswesen eine tragende Rolle. Um dieser auch in Zukunft gerecht werden zu können, müssen Synergien erzeugt werden. Es wäre ein Versuch wert, Besucher:innen und den Aussteller:innen zu zeigen, welche Relevanz sie für die Lebenswelten ihrer Patient:innen und für die Gesellschaft hat."
Fazit: Neue Wege gehen, Begeisterung erzeugen
Die Pharmabranche kann sich durchaus von Veranstaltungen wie dem Online Marketing Rockstars Festival etwas abgucken. Die Kunst ist der Transfer von Ideen. "Das Gesundheitswesen mit all seinen Bereichen ist einer der rechtlich und ethisch am intensivsten regulierten Bereiche in unserer Gesellschaft. Es macht eben einen Unterschied, ob man über Wearables oder über einen Wirkmechanismus und Nebenwirkungen eines Arzneimittels referiert.“ Trotzdem sollte sich die Branche nicht scheuen, neue Wege zu gehen. "Alle 73 Tage verdoppelt sich aktuell das medizinische Wissen, vor diesem Hintergrund müssen neue Wege gegangen werden. Das bedeutet nicht, an Sachlichkeit und Seriosität zu verlieren, sondern viel mehr, Begeisterung zu erzeugen.“