Der Nachhaltigkeitskongress „WeAct Con“ diskutiert die Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Gesundheit - und die Frage, wie sich das alles mit der Ökonomie verbinden lässt. Welche Handlungsoptionen haben Pharmaunternehmen?
Hier werden dicke Bretter gebohrt, denn was auf dem Programm steht, hat globale Auswirkungen. Mit seinem 2023 initiierten Nachhaltigkeitskongress"WeAct Con" diskutiert das B Corp rezertifizierte Pharmaunternehmen Chiesi Deutschland die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Gesundheit mit Stakeholdern aus dem Gesundheitswesen. Wie geht das zusammen, und zwar wirtschaftlich? Wie kann der Gesundheitssektor, wie können Pharmaunternehmen aktiv werden?
WeAct Con und die handlungsoptionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz für Pharmaunternehmen. Bild einer Fahne vor dem Eingan des Kongresses in berlin.

© Reimann-Fotografen

Vom 23. bis 24. April 2024 fand die zweite Auflage des Kongresses auf dem EUREF-Campus statt. Viele Fragen wurden gestellt. Von der nachhaltigen Lieferkette, die auch die Menschenrechte im Blick hat, über die Verantwortung der Industrie bis hin zum politisch-strategischen Kurswechsel von der Krankenversorgung zur Prävention. Die Herausforderungen sind vielschichtig und einfache Antworten konnte auch der WeAct Con nicht geben. Aber es geht ums Miteinander, ums Tun. „Was bringt es, alleine zu handeln“, sagte Andrea Bizzi, Geschäftsführer der Chiesi GmbH Deutschland. Man braucht einen Motor. Auch Projektleiterin und Health Policy Managerin Yvonne Sieler betonte die Kraft der Kollaboration. Yvonne Sieler, Regional Market Access Manager bei Chiesi Deutschland Was braucht es, um vom Reden zum Handeln zu kommen? Diese drei Punkte haben wir von der WeAct Con 24 mitgenommen:

1. Mehr Awareness & Kommunikation

Das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Gesundheit braucht mehr Awareness, sagt Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel, Arzt und Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. In der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten etwa spiele es bislang keine Rolle. Das Thema brauche aber möglichst viele Akteure, also auch die Pharmaindustrie und die HCPs. Doch wie erreicht man möglichst viele Menschen mit diesem Thema? Wie kann die Kommunikation noch maßgeschneiderter werden?

2. Wertebasierte Segmentierung und Micromilieus

Hier können die von Uranos Clåss definierten Micromilieus helfen. Unsere Gesellschaft ist wertebasiert segmentiert. In Deutschland lassen sich laut Trend- und Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen 28 Mikro-Milieus identifizieren. Dahinter verbergen sich einzelne Gruppen von Menschen, die sich über bestimmte Wertemuster definieren. Der Progressive Performer beispielsweise glaubt an Innovation und ständige Selbstoptimierung. Die trendorientierten Hedonisten legen Wert auf Äußerlichkeiten. Anerkennung ist ihnen wichtig, Social Media ein Mittel dazu. Wer die Micromilieus in seine strategische Kommunikation einbezieht, könnte die jeweiligen Zielgruppen mit den richtigen Inhalten auf dem richtigen Kanal erreichen. Das gilt auch für HCPs.

3. Ohne Methodik keine tragfähigen Handlungsoptionen

Chiesi WeActCon24

Referenten unter sich:
Dr. Alexander Trautrims, Prof. Dr. Wilm Quentin, Prof. Dr. Bertram Häussler (v. li.) © Regine Marxen

An der Ökonomie führe kein Weg vorbei, sagt Bertram Häussler, Geschäftsführer der IGES Gruppe. Er lehrt als Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet „Ökonomie der pharmazeutischen Industrie“ und ist damit Experte auf diesem Gebiet. Seiner Meinung nach gibt es im Gesundheitssektor verschiedene Handlungsoptionen, um klimafreundlicher zu agieren. So könne beispielsweise ein digitaler Beipackzettel zu einer nachhaltigeren Arzneimittelversorgung beitragen. Sein Treibhausgas-Fußabdruck ist im Vergleich zur papierbasierten Lösung um mehr als 90 Prozent geringer. Ein neu entwickelter Carbon Calculator ermöglicht es Pharmaunternehmen zudem, den Treibhausgas-Fußabdruck ihrer eigenen Packungsbeilagenproduktion zu ermitteln. Der Carbon Calculator dürfte auf hohe Akzeptanz stoßen. Warum? Weil er auf messbaren Daten basiert, die von den Pharmaunternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Die Messbarkeit von Maßnahmen sei notwendig, um deren Mehrwert zu ermitteln und in eine wirtschaftliche Relation zu setzen, so Häussler.

Fazit

WeAct Con ist ein Katalysator für einen Diskurs, der für die Pharmaindustrie auf vielen Ebenen relevant ist. Um tragfähige Handlungsoptionen zu entwickeln, bedarf es einer verbindlichen Methodologie und der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit von Industrie, Universitäten, Forschungseinrichtungen und weiteren Akteuren des Gesundheitssystems. Die Wirtschaft kann viel bewegen, aber ohne einen politisch-strategischen Rahmen wird es nicht gehen. „Wir leisten uns den Luxus, keine Strategie zu haben“, sagt Prof. Dr. med. Wilm Quentin, Professor für Planetary Health an der Universität Bayreuth. Das könnte sich in Zukunft ändern.