Weltfrauentag 2019: „Wir arbeiten nicht gegen die Männer!“
Julia Mopin (47) gehört zu den Frauen, die es bis ganz nach oben geschafft haben. Sie ist unter anderem als Gesellschafterin bei Ursapharm Arzneimittel und als Geschäftsführerin bei Eusan tätig. Anlässlich des Weltfrauentages haben wir mit ihr über die Frauenquote, gegenseitigen Respekt und dornige Wege in die Chefetage gesprochen.
Weltfrauentag 2019: Zeit, um in die Zahlen zu schauen und zu prüfen: Wo stehen Frauen in der Pharmabranche? Laut Bundesministerium für Gesundheit sind drei Viertel der Beschäftigten im Gesundheitswesen in Deutschland Frauen. Klingt vielversprechend. Doch der Blick hinter die Kulissen des Zahlenwerks ist ernüchternd. Laut pwc ist nur jede dritte Führungsposition in der Gesundheitswirtschaft weiblich besetzt. Im Topmanagement sind Frauen mit nur 15 Prozent vertreten. Wie ist dieses Ungleichgewicht begründet? Wir haben nachgefragt, und zwar bei einer, die es wissen muss. Julia Mopin bekleidet gleich drei Top-Posten in der Pharma-Branche: Sie ist Geschäftsleiterin des Einkaufs und Technischen Redaktion bei der Ursapharm Arzneimittel GmbH und seit 2012 als Geschäftsführerin bei der Eusan GmbH tätig. Außerdem verwaltet sie als Gesellschafterin die Anteile ihrer Familie an Ursapharm: Ihr Großvater hatte das Unternehmen 1974 mit gegründet. Health Relations: Frau Mopin, Sie gehören zu den wenigen Frauen, die es in die Chefetage, also bis ganz nach oben geschafft haben. Mal ehrlich: Hat der Umstand, dass Sie die Enkelin des Firmengründers von Ursapharm sind, Ihnen dabei geholfen?Julia Mopin: Sicher hat dieser Umstand mir geholfen als Nicht-Pharmazeutin so schnell Einstieg ins Unternehmen zu bekommen, aber den Respekt musste ich mir trotzdem hart erarbeiten. Den bekommt man nicht geschenkt. Zu Beginn hat man mich in zweierlei Hinsicht nicht ernst genommen und zwar als Frau und zusätzlich als Tochter des Chefs. Nach dem Motto: 'Lass sie mal machen…'. Ich musste sehr viel leisten, musste beweisen, dass ich hart arbeiten kann. Im Gesellschafterkreis bin ich in der Führungsebene die einzige Frau, aber heute bin ich angekommen und werde von allen gleichermaßen respektiert. Es war kein leichter Weg. Health Relations: Ist es noch immer hart? Immerhin sind Sie da oben als Frau immer noch recht einsam unter Männern…Julia Mopin: Nein, heute begegnen mir die Männer in meinem Umfeld mit Respekt."Für Männer ist es viel selbstverständlicher, nach dem Job noch Networking auf Veranstaltungen zu betreiben. Die wissen, hier müssen sie Zeit investieren. Wir Frauen neigen dazu, diesen Part zu unterschätzen."Health Relations: Wenn Frauen es erst einmal in die Führungsetagen geschafft haben, ist alles leichter?Julia Mopin: Ich denke, es liegt an uns Frauen selbst, wie wir uns verkaufen und präsentieren, mit einer Selbstverständlichkeit ähnlich wie Männer es tun. Das lernt man erst auf dem Weg nach oben. Jedenfalls war es bei mir so; es war ein Lernprozess. Health Relations: Die IDV-Geschäftsführerin Vanessa Conin-Ohnsorge sagte in einem Interview: "Es wird Zeit, dass wir Frauen uns nicht mehr als Konkurrentinnen auf dem Weg nach oben betrachten - sondern als Kolleginnen." Heißt das, dass nicht nur Männer uns den Weg nach oben erschweren, sondern auch die Frauen?Julia Mopin: Das kann ich nicht bestätigen. Die Frauen, denen ich in meiner Karriere begegnete, waren mir immer wohlgesonnen. Dennoch: Der Vernetzungsgedanke ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger! Wir Frauen müssen uns viel stärker miteinander vernetzen. Das hilft ungemein, fachlich wie persönlich. Auch das musste ich erst lernen. Für Männer ist es viel selbstverständlicher, nach dem Job noch Networking auf Veranstaltungen zu betreiben. Die wissen, hier müssen sie Zeit investieren. Wir Frauen neigen dazu, diesen Part zu unterschätzen. Health Relations: Sie selber engagieren sich bei den Healthcare Frauen, einem Verein, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, mehr Frauen in Führungspositionen zur Sicherstellung und Verbesserung einer nachhaltigen Wirtschaft im Gesundheitswesen zu bringen. Wie funktioniert das praktisch?Julia Mopin: Indem wir uns austauschen, Rollenbilder aufbrechen und zeigen, wie es geht. Und indem wir mit unserem Mentoren-Programm gezielt junge Frauen fördern und ihnen das Handwerkszeug für ihren Weg nach oben in die Hand geben. Ursapharm ist Fördermitglied bei den Healthcare Frauen. Vier junge Talente durften wir schon ein Jahr lang auf ihrem Weg begleiten. Diese sind mit gestärkter und veränderter Persönlichkeit aus diesem Programm gegangen. Eine tolle Sache. Ich profitiere sehr von diesem Netzwerk. Persönlich und beruflich.
"Ich bin für die Frauenquote. Ich denke aber auch, dass es diese in zehn Jahren nicht mehr geben wird, weil wir Frauen dann selbstverständlich in den Führungsetagen agieren werden."Health Relations: Was sagen Ihre männlichen Kollegen zu dem Netzwerk?Julia Mopin: Denen muss man schon gelegentlich erklären, dass das kein Kaffeeklatsch, sondern Business ist. Und das Männer im Gegenzug auch ihre Netzwerke haben, wo sie sich treffen, wie zum Beispiel der Rotary-Club. Mir ist es übrigens sehr wichtig, zu betonen, dass wir nicht gegen Männer arbeiten. Wir Frauen wollen in den Führungsetagen niemanden verdrängen, sondern auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Health Relations: Das Thema Frauenquote wird immer noch heiß diskutiert, auch in der Pharmabranche. Nehmen wir nur Karl-Ludwig Kley von Merck, der 2014 die Frauenquote folgendermaßen kommentierte: "Es entbehrt jeglicher wirtschaftlicher Vernunft, Frauen nur deswegen in Führungspositionen zu bringen, um eine Quote zu erfüllen."Julia Mopin: Auch wir diskutieren dieses Thema immer wieder intern. Meine Meinung: Ich denke, Macht wurde noch nie gerne freiwillig abgeben. Wir Frauen können uns immer noch nicht gut genug verkaufen, müssen immer noch viel mehr leisten. Da ist es schön, wenn wir Hilfe von außen bekommen. Fazit: Ich bin für die Frauenquote. Ich denke aber auch, dass es diese in zehn Jahren nicht mehr geben wird, weil wir Frauen dann selbstverständlich in den Führungsetagen agieren werden. Aber ohne Quote wird es erst einmal kein Umdenken geben. Health Relations: Wie sieht es in Ihrem Unternehmen mit der Verteilung der Führungspositionen an Männern und Frauen aus?Julia Mopin: 40 Prozent unserer Führungsposten sind weiblich besetzt. Damit sind wir schon sehr gut. Unser Ziel ist es, Talente zu suchen, im Unternehmen zu fördern und gezielt nach oben zu begleiten. Ich werde da in meinem Engagement auch sehr von Ursapharm unterstützt, wofür ich wirklich dankbar bin. Ursapharm ist auch hier ein Vorbild. Health Relations: Viele der Mechanismen, die wir ansprachen, sind branchenübergreifend zu beobachten. Nehmen wir speziell die Pharmabranche: Haben es die Frauen hier schwerer als in anderen Bereichen?Julia Mopin: Nein, das glaube ich nicht. In der Industrie, zum Beispiel der Stahlindustrie, haben es Frauen noch schwerer. Es sind ja schon viele Frauen in der Pharmabranche unterwegs, nur eben noch nicht ganz oben. Health Relations: Aber woran liegt es, dass so wenig Frauen in dieser Branche die Top-Führungspositionen besetzen?Julia Mopin: Viele Frauen mit Kindern entscheiden sich dazu, zuhause zu bleiben oder in Teilzeit zu arbeiten, was auch respektiert werden muss. Teilzeit und Chefin, das geht aber nicht zusammen. In Führungspositionen muss man sich zu 100 Prozent dem Job widmen. Health Relations: Heißt, Kinder und Big Career schließen sich aus? Immer noch? Julia Mopin: Nein. Es ist eine Sache der Organisation. Wenn die Eltern zusammenarbeiten und nicht nur die Frau den Part der Kinderbetreuung übernimmt, ist dies absolut möglich. Ich habe ja auch zwei Kinder und bin ganz oben. Nur: Ich hatte das Glück, dass meine Kinder in Frankreich aufgewachsen sind. Dort geht man gesellschaftlich ganz anders um mit dem Thema Frauen und Arbeit. Es ist viel selbstverständlicher, dass Frauen nach der Geburt schnell wieder Vollzeit arbeiten. Es werden dafür Systeme geschaffen, die die Betreuungslücken auffangen. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, waren meine Kinder 8 und 10 Jahre alt, also aus dem Gröbsten raus. Health Relations: Die Frauenquote alleine reicht also definitiv nicht, um die Führungsetagen in Pharmaunternehmen weiblicher zu gestalten. Wir brauchen Ihrer Meinung nach ein gesellschaftliches Umdenken.Julia Mopin: Genau. Wir müssen Betreuungsoptionen schaffen, die über 16 Uhr hinausgehen. Und wir Frauen dürfen uns nicht unter Druck setzen lassen. Ich habe meinen Kindern gegenüber nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Meine Kinder sind es gewohnt, dass ihre Mutter arbeitet. Für mich war das immer sehr wichtig.
"Wir müssen junge Frauen noch mehr stärken, ihnen mehr Selbstbewusstsein verleihen. Durch Vorbilder. Durch Vernetzung in Vereinen wie den Healthcare Frauen und dem Sichtbarmachen von Role Models."Health Relations: Vielleicht müssen wir Frauen uns auch abschminken, immer alles perfekt machen zu wollen?Julia Mopin: Absolut. Gerade auch im Job. Ich kenne viele Frauen, die scheuen sich, den nächsten Karriereschritt zu gehen, weil sie denken, sie wären noch nicht bereit dafür. Hier kann ich nur sagen: Einfach machen. Augen zu und durch! Health Relations: Was braucht es Ihrer Meinung noch, die derzeitige Gender-Schieflage in deutschen Pharma-Führungsetagen zu verändern?Julia Mopin: Mutige Frauen, die sich trauen. Die ihren Weg nach oben beharrlich weiterverfolgen und sich durch Niederlagen stärken und nicht aufgeben! Wir müssen junge Frauen noch mehr stärken, ihnen mehr Selbstbewusstsein verleihen. Durch Vorbilder. Durch Vernetzung in Vereinen wie den Healthcare Frauen und dem Sichtbarmachen von Role Models. Irgendwann wird das ganze Thema zu einer Selbstverständlichkeit, dann brauchen wir das Ganze nicht mehr Health Relations: Und heute, in der Gegenwart? Ihr Tipp für alle, die es schaffen wollen, an diesem Weltfrauentag: Was würden Sie jeder Frau raten, die auf der Karriereleiter nach ganz oben will, was braucht sie auf jeden Fall?Julia Mopin: Disziplin. Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil, um nach oben zu kommen. Das Ziel nicht aufgeben und dranbleiben. Diesen Job müssen Sie lieben. Sie müssen führen wollen! Das muss mit Leidenschaft einhergehen. Dann machen Sie einen guten Job.
Info: Die Ursapharm Arzneimittel GmbH ist einer der weltweit führenden Hersteller in der Ophthalmologie und zählt nach eigenen Angaben rund 600 Mitarbeiter. Das Unternehmen exportiert in 80 Ländern, einziger Produktionsstandort ist Saarbrücken. Die Eusan GmbH ist auf Dienstleistungen im Pharmabereich spezialisiert und beschäftigt ca. 80 Mitarbeiter.